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Romanische Nacht in KölnVoces8 könnten auch einen Speisezettel singen und begeistern

Lesezeit 3 Minuten
Acht Sänger und Sängerinnen singen im Chor.

Die britische Gesangsgruppe Voces8 beim Romanischen Sommer in Köln

Das Kölner Klassikfestival Romanischer Sommer ging in der Kapitolskirche zu Ende - mit einer teilweise magischen Nacht. 

Der „Nimrod“-Satz aus Edward Elgars „Enigma-Variationen“ ist ein beliebter Schmachtfetzen des sinfonischen Repertoires, der auch gerne als Zugabe gespielt wird. Weil der hymnisch-weihevolle Ton irgendwie zu passen scheint, gibt es (nicht von Elgar selbst) auch eine Chorfassung auf das „Lux aeterna“, die Communio der lateinischen Totenmesse. Sie beschloss jetzt den Auftritt des britischen Elite-Ensembles „Voces8“ beim Kölner Romanischen Sommer in der Kapitolskirche.

Eine gelinde Geschmacksverirrung? Keineswegs, und das nicht nur, weil diesem „Lux aeterna“ tatsächlich ein erhabener Anthem-Ton eignet, sondern vor allem, weil die acht Stimmen der Formation über die Maßen großartig singen. Sie könnten noch einen Speisezettel so intonieren, dass das Publikum vor Begeisterung und Ergriffenheit kaum mehr ein noch aus wüsste.

Voces8 bot ein anspruchsvolles A-cappella-Programm

In Köln präsentierte „Voces8“ jetzt, im Halbrund der Ostconche positioniert, ein anspruchsvolles A-cappella-Programm („Draw on Sweet Night“) mit Schwerpunkten bei der britischen Tudor-Zeit und der Moderne des 20. Jahrhunderts (die auf der Insel ja nie brutale Hardcore-Moderne, sondern immer melodisch inspiriert und für die Stimmen dankbar war). Man startete gegen 22 Uhr, so dass sich die Atmosphäre der allmählich eindunkelnden Basilika Sängern wie Zuhörern eindringlich vermitteln konnte. Die Raumakustik ist selbstredend eh für Musik dieser Art wie geschaffen, die Gäste legten sich mit allemal spürbarer Freude gleichsam in sie hinein.

Klar, dass andere Performer angesichts dieser überragenden Kunstleistung und zumal der unmittelbaren Konfrontation in einem fließenden Konzertgeschehen leicht alt aussehen, selbst wenn ihr Auftritt von Haus aus Respekt und Anerkennung erzwingt. Gemäß dem Motto des diesjährigen Romanischen Sommers – „Strahlen“ – hatte die abwechselnd von Harald Jers und Benjamin Hartmann geleitete Formation aus „Consono“ und Maulbronner Kammerchor es zu Beginn funkeln lassen. „Die Sterne“ heißt das bereits 2018 entstandene, aber erst jetzt uraufgeführte Chorwerk des 93-jährigen Band-Leaders und Komponisten Harald Banter, eines Urgesteins der Kölner Musikszene zwischen Jazz und Avantgarde. Diese Prägung kann auch das neue Stück nicht verleugnen, da swingen die Synkopen, gibt es lasziv-süffige Chromatik und sogar ein leibhaftiges Fugato.

Das alles kam genauso nachdrücklich und suggestiv herüber wie die rahmenden Stücke von Karl Weigl und Andrea Tarrodi sowie das höllisch schwere mikrotonale „Lux aeterna“ von Ligeti. Mit der Klangrealisation im Raum schienen die vereinigten Gruppen gelegentlich überfordert. Der – freilich immer wieder in extreme Lagen geführte – Sopran leistete sich einige unangenehme Schärfen und markante Intonationsfehler.

Die Chorsektionen der Romanischen Nacht, zu der das Publikum wieder einmal in hellen Scharen geströmt war, alternierten mit Solodarbietungen. Nancy Vieira (Stimme) und Olmo Marin (Gitarre) entführten es mit „Mornas“ (Vorformen des Fado) auf die Kap Verdischen Inseln vor der Küste Senegals, konfrontierten es mit der Trance des Repetitiven. Dabei konnte man sich ohne weiteres unter einen heißen südlichen Nachthimmel versetzt wähnen. Ob ausgerechnet für diese multikulturelle Musikrichtung eine romanische Basilika den passenden Rahmen liefert, mag – ganz leise – bezweifelt werden.

Zu später Stunde ließen dann Jens Düppe (Schlagzeug) und Simin Tander (Stimme) hochinnovative „Drops of Happiness“ fallen. Der Schreiber dieser Zeilen musste da allerdings ob rezeptiver Erschöpfung die Segel streichen.