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150. GeburtstagLässt sich heute ein neues Bild Rosa Luxemburgs zeichnen?

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Eine undatierte Aufnahme von Rosa Luxemburg, deutsche Sozialistin polnischer Herkunft (1870 - 1919)

Köln – Für ihren schäbigen, entwürdigenden Tod ist Rosa Luxemburg unstrittig bekannter als für ihre Geburt – die sich an diesem Freitag vor 150 Jahren ereignete. Indes rückt, weil sich das Todesdatum erst vor kurzem, Anfang 2019, zum hundertsten Male jährte, beides auf eine und sei es hochfiktive Weise zusammen.

Die Todesumstände konnten, wiewohl die Mörder alles Erdenkliche zu ihrer Vertuschung unternahmen, aufgeklärt werden – wenn auch endgültig erst 50 Jahre nach den Ereignissen: Am 15. Januar 1919 wurde die Kommunistenführerin nach einem Pro-forma-Verhör im Berliner Eden-Hotel von Angehörigen eines aus der Garde-Kavallerie-Schützen-Division des geschlagenen Kaiserheeres hervorgegangenen Freikorps erschossen und an der Lichtensteinbrücke in den Landwehrkanal geworfen – erst im Mai 1919 fand sie ein Schleusenwärter.

Rosa Luxemburg zog vernichtungsbereiten Hass auf sich

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Eine undatierte Aufnahme von Rosa Luxemburg, deutsche Sozialistin polnischer Herkunft (1870 - 1919)

Das war nichts anderes als Faschismus avant la lettre – zumal biografisch und historisch tatsächlich starke Verbindungslinien von der extremen Rechten der Nachkriegszeit ins Dritte Reich hinein ziehen lassen. Politisch gesehen wurde Luxemburg wie ihr Kampfgefährte Karl Liebknecht Opfer des Bürgerkriegs, der die Entstehung der Weimarer Republik begleitete. So oder so ist bemerkenswert, dass und in welcher Weise gerade Rosa Luxemburg jenen vernichtungsbereiten Hass auf sich ziehen konnte, der es dann nicht mehr bei verbalen Attacken beließ. Er lässt sich freilich erklären, und das erst recht heute, da wir – Stichwort: Hass im Internet – wissen, wie kurz mitunter der Weg vom Wort zur Tat ist. Als emanzipierte Frau, als gebürtige Polin, als marxistische Intellektuelle jüdischer Herkunft und eben als kommunistische Agitatorin versammelte Luxemburg in ihrer Person gleich drei Feindbilder der reaktionär-männerbündischen Rechten.

Dass sie einmal eine Märtyrerin der frühen kommunistischen Bewegung enden würde, war ihr freilich nicht in die Wiege gelegt. Dennoch gibt es da biografische Determinanten, die in der Zusammenschau dem dann von ihr eingeschlagenen Weg einige Folgerichtigkeit zuwachsen lassen. Es war der Weg einer prädestinierten Außenseiterin – in exakt dem Sinn, in welchem das Phänomen in Hans Mayers Großessay „Außenseiter“ beschrieben ist.

Geburtstag Rosa Luxemburgs kurz nach der deutschen Reichsgründung

Am 5. März 1871 – also kurz nach der deutschen Reichsgründung – wurde Luxemburg als Tochter einer wohlhabenden, bildungsaffinen jüdisch-assimilierten Fabrikantenfamilie im polnischen (freilich russisch besetzten) Zamość geboren. Überragende Intelligenz und – durch die Erfahrung von krassestem Arbeiterelend im Wohnumfeld ausgelöstes – sozialistisch-sozialrevolutionäres Engagement hoben sie noch während der Warschauer Schuljahre aus ihrer Umgebung heraus. Zurücksetzungen und Kränkungen blieben nicht aus.

Als „fertige“ Marxistin verließ sie 1889 die Heimat, um an der (ausnahmsweise Frauen offenstehenden) Uni Zürich Nationalökonomie zu studieren – und darin auch zu promovieren. Die Lage der von Preußen und Russen unterdrückten Polen animierte die polyglotte Luxemburg übrigens nicht, für die Wiedererrichtung eines polnischen Nationalstaats zu kämpfen. Ihr proletarischer Internationalismus ließ sie im Nationalgedanken nichts anderes als eine reaktionäre, von der Notwendigkeit des länderübergreifenden Klassenkampfes ablenkende Ideologie sehen.

Luxemburg: Im linken Flügel der SPD tätig

Durch eine Scheinheirat deutsche Staatsbürgerin geworden, mischte sie seit 1898 an vorderster Stelle – als scharfzüngige Publizistin, streitbare Redakteurin, mitreißende Rednerin und immer wieder auch ungeduldige Gefängnisinsassin – in der SPD mit. Genauer: auf deren äußerstem linken Flügel und im erbitterten Kampf zumal gegen die auf Reformsozialismus setzende Linie eines Eduard Bernstein.

Vom Reichstag, in dem die SPD 1912 die stärkste Fraktion stellte, grundsätzlicher: vom Parlamentarismus erwartete Luxemburg nichts, in ihm sah sie lediglich ein Mittel zur Befestigung bürgerlicher Klassenherrschaft. Die ideologischen Bruchlinien in der Arbeiterbewegung, die sich dann im Ersten Weltkrieg zu Gräben vertieften und schließlich zur Abspaltung von USPD und Spartakusbund beziehungsweise KPD führten, waren auch dank Luxemburg bereits in den 90er Jahren unübersehbar.

An der Gestalt Rosa Luxemburg scheiden sich bis heute die Geister

Lange Jahrzehnte schieden sich an der Gestalt Rosa Luxemburgs die Geister – sie tun es wohl bis heute. Als Postminister Horst Ehmke (SPD) 1973 eine Briefmarke mit ihrem Porträt herausgeben ließ, schlug ihm von rechts ein Sturm der Entrüstung entgegen: Wie er dieser Demagogin nur habe ein Denkmal errichten können!

Einen Stoß erhielt das verbreitete Bild der „roten Rosa“ durch Margarethe von Trottas 1986er Filmbiografie mit Barbara Sukowa in der Titelrolle, die die angeblich so fanatische Ideologin von einer gewinnend menschlich-emotionalen Seite zeigt. Und wie es Luxemburgs von warmer Leidenschaft erfüllte Briefe nahelegen, war das kein schönfärberisches Konstrukt.

Die Linke bekennt sich zum geistigen Erbe Luxemburgs

Heute bekennt sich zumal die Partei Die Linke zum geistigen Erbe Luxemburgs – als der Repräsentantin einer undogmatischen Marx-Rezeption und -Aktualisierung. Sahra Wagenknecht wird gerne als Rosa rediviva gehandelt – zu Unrecht, und sei es wegen der deutlich unterschiedlichen äußeren Erscheinung: Rosa Luxemburg hinkte aufgrund eines nicht auskurierten Hüftleidens leicht und war nur 1,46 Meter groß!

Bietet die Gegenwart, in der die Jubiläen von Geburts- und Todesjahr kurz aufeinander folgen, die Gelegenheit, ein neues Bild dieser hochintelligenten und -gebildeten, geistig ständig unter Strom stehenden und ihrem männlich dominierten Umfeld meist überlegenen, von befreundeten wie gegnerischen Zeitgenossen als charismatisch beschriebenen Frau zu entwerfen?

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Das Grab von Rosa Luxemburg im Rondell der Gedenkstätte der Sozialisten, eine Grab- und Gedenkstätte innerhalb des Zentralfriedhofs Friedrichsfelde in Berlin.

Vielleicht. Zu verweisen in diesem Sinne ist zum Beispiel auf Ernst Pipers vor drei Jahren erschienene quellenreich-voluminöse Biografie. Die liefert ein differenziertes Porträt, das trotz aller erkennbaren Bewunderung für Luxemburgs Gradlinigkeit und Lauterkeit keine Heiligenikone pinselt. Ihre damals wie heute genau benennbaren politisch-ideologischen Irrtümer und Verbohrtheiten samt ihrer Folgen werden vielmehr unverdruckst benannt und dargestellt.

Weder Hitler, noch Lenin oder Stalin hätten Luxemburg wohl lebend davonkommen lassen

Dabei fehlte es Luxemburg mitunter durchaus nicht an einer bemerkenswert pragmatischen Hellsicht. Den Spartakus-Aufstand etwa unterstützte sie allenfalls halbherzig und gegen ihre Überzeugung – weil sie im Unterschied zu Liebknecht sah, dass ihm die Massenbasis und damit jede Erfolgsaussicht fehlte.

Das hatte selbstredend auch mit ihrem Revolutionskonzept zu tun, das Piper zu Recht „spontaneistisch“ nennt. Die Vorstellung eines unvermittelten Aufstands der unterdrückten Volksmassen brachte sie in Gegensatz zu Lenins Konzept der Avantgarde-Diktatur – ihr bis heute umkämpftes Buch über die „Russische Revolution“ artikuliert den Widerspruch sehr deutlich. Nicht nur Hitler – auch Lenin und Stalin hätten sie somit kaum lebend davonkommen lassen.

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Rosa Luxemburg also zwischen allen Stühlen? So sieht es auch im Nachhinein aus. Bedauerlicherweise spielten sich all diese Kämpfe im Binnenraum der sozialistischen Bewegung ab. Klar, dort fand Luxemburg Gegner und Feinde genug. Trotzdem stellt sich der Eindruck von Auseinandersetzungen in einer relativ geschlossenen Echozelle ein, in die von außen wenig mehr eindrang. Draußen – da saßen eh nur die „Klassenfeinde“, mit denen man nichts zu tun haben wollte. Diese Situation führte selbst ein schwerkalibriges „Brain“ wie Luxemburg tendenziell in den Realitätsverlust.

Auch ihren berühmtesten Satz – „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ – wird man beim besten Willen nicht als Programmformel für einen demokratischen Eurokommunismus oder gar als Plädoyer für ein Habermas'sches Diskursmodell interpretieren können. Dafür stehen ihm zu viele Zeugnisse fanatisch-rechthaberischer Unduldsamkeit entgegen. Die Freiheit der Andersdenkenden – das war eine dezidiert „sozialistische“ Freiheit; für „Klassenfeinde“ galt sie nicht.