Rückkehr verlorener WerkeStädtische Museen dürfen sich über Neuerwerbungen freuen
- Die großen Kulturstiftungen wollen ihr Füllhorn gerne über der Stadt und deren Museen ausschütten.
- Nun konnten zwei Werke vom „langen Einkaufszettel“ gestrichen werden.
- Eines der Stücke entstand schon vor fast 800 Jahren in Köln.
Köln – Eigentlich sind Scherze mit Namen verboten, aber Frank Druffner von der Kulturstiftung der Länder hält sich nicht dran: „Auf der Tefaf“, sagt er, „ist das Wetter immer heiter bis woelkig“, und damit meint er Moritz Woelk, den Direktor des Kölner Museum Schnütgen. Der streife jährlich über die weltweit wichtigste Messe für alte Kunst, und wenn er etwas gefunden habe, pirsche er sich mit einem „Darf ich Ihnen mal was zeigen“ an potenzielle Geldgeber heran – und schon, so Druffner, „schnappt die Falle zärtlich zu“. Woelk könne einem nicht nur erfolgreich das Gefühl geben, etwas ganz Besonderes vor sich zu haben, sondern auch etwas, das vor Jahrhunderten dafür geschaffen wurde, im Museum Schnütgen zu stehen.
Die Kulturstiftungen wollen in Köln Geld investieren
Mit dieser Gabe setzt Woelk eine von Museumsgründer Alexander Schnütgen eingeführte und von den meisten Schnütgen-Direktoren beherzigte Tradition fort; auch der Großsammler Peter Ludwig wurde nicht von einem Modernen angefixt, sondern von Hermann Schnitzer, einem Mann der mittelalterlichen Kunst. Allerdings dürfte Druffner kein derart leichtes Opfer gewesen sein wie Ludwig. Schließlich verwaltet er bei der Kulturstiftung der Länder hohe und entsprechend begehrte Fördersummen, die Wünsche von Museumsdirektoren abzuwehren, ist sein tägliches Brot. Es hat daher eine gewisse Symbolik, wenn Druffner innerhalb einer Woche gleich für zwei Pressetermine in Köln absteigt. Es zeigt, dass die großen Kulturstiftungen ihr Füllhorn gerne über der Stadt und deren Museen ausschütten.
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Auch Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Stiftung und Woelks zweites williges Opfer bemerkte, dass man aus Köln „einen langen Einkaufszettel“ habe. Wie praktisch, dass Hoernes nun mit einem mittelalterlichen Alabasterrelief und dem Amsterdamer Machsor ebenfalls zwei Posten als erledigt abhaken kann; demonstrativ lobte er zudem die Zusammenarbeit mit der (im Fall des Schnütgen finanziell beteiligten) Stadt Köln, von der man ja sonst „alles Mögliche“ höre.
Die Rückkehr verlorener Werke
In beiden Fällen darf sich die gelobte Stadt über die Rückkehr verlorener Werke freuen. Vermutlich um das Jahr 1240 entstand hier der Machsor, ein Gebetbuch für die örtliche jüdische Gemeinde, dessen kostbare Ausstattung das einst blühende jüdischen Leben in Köln bezeugt. Mit der Vertreibung der Juden im Jahr 1424 verlor sich für lange Zeit die Spur des Buchs, später tauchte es in Amsterdam auf und wurde dort wieder an hohen Festtagen genutzt.
2017 gelang es dem Landschaftsverband Rheinland, den Machsor mit Hilfe verschiedener Geldgeber zur Hälfte für das in Köln entstehende Jüdische Museum MiQua anzukaufen; die andere gehört dem Joods Historisch Museum in Amsterdam. Das für die im Aufbau befindliche MiQua-Sammlung zentrale Werk wird salomonisch geteilt und abwechselnd in beiden Häusern gezeigt. Bis zum 12. Januar 2020 ist es vorab im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zu sehen.
Woelk löst ein altes Versprechen ein
Während der Machsor ein Versprechen auf die Zukunft ist, löst Woelk mit dem zweiteiligen Alabasterrelief ein altes Versprechen ein. Bei den Forschungen ergab sich, dass sich die Verkündigung Marias zwischen den Jahren 1981 und 1983 bereits einmal als Leihgabe im Museum Schnütgen befand und für dieses angekauft werden sollte; allerdings hatte die Stadt damals offenbar kein Geld übrig, und die Wohltäter Druffner und Hoernes waren noch nicht in Amt und Würden. So blieb es Woelk vorbehalten, die wohl zwischen den Jahren 1410 und 1420 entstandene Steinschnitzerei dauerhaft nach Köln zu holen.
Sie besteht aus zwei Vierpässen (die Form eines vierblättrigen Kleeblatts) und zeigt, wie der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria etwas zuruft, was diese selig erschauern lässt. Die frohe Botschaft schlängelt sich als Spruchband in Marias Lesestube, die einzelnen Buchstaben sind erhoben, und das Gewand der Jungfrau fällt so sanft, als würde diese in freudiger Erwartung schweben. Der Engel wirkt daneben geradezu irdisch in seiner Körperlichkeit; man glaubt Woelk aufs Wort, wenn er das vertrauliche Gespräch zu den erlesensten Exemplaren der vor allem in Frankreich in eindrucksvolle Höhen aufgestiegenen Reliefart zählt. Lediglich der angeditschte Bogen über Gabriels Haupt wirkt so, als habe der Meister vorübergehend dem ungeschickten Lehrling die Arbeit überlassen.
Der Alabasterrelief gehört nach Köln
Für Woelk gehört das Alabasterrelief auch deswegen nach Köln, weil sein Stil erheblichen Einfluss auf die Kölner Meister hatte; mit dem Werk habe man endlich ein direktes Vorbild etwa für die Steinfiguren des Hochaltars im eigenen Haus. Dass dessen Sammlung zu den bedeutendsten ihrer Art in Europa zählt, weiß man bei den stiftenden Geldgebern wohl besser als vor Ort; jedenfalls fällt es dem Museum schwer, das Publikum in größerer Zahl für seine Schätze zu begeistern. An diesem Wochenende lockt das Schnütgen deshalb mit freiem Eintritt, einem umfangreichen Programm und mehr als einer Neuerwerbung. Möge die frohe Kunde auf offene Ohren treffen.
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