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Geburt vor 50 JahrenEine Hommage an „Abbey Road“ von den Beatles

Lesezeit 4 Minuten

Paul McCartney Ringo Starr, George Harrison und John Lennon im Jahr 1969

Legen Sie doch noch mal „Please Please Me“ auf, das Beatles-Debüt der Beatles, ein charmanter Schnellschuss, eine frische Brise – und, mein Gott, wie jung die vier Liverpudlians sind, die da vom Balkon des EMI-Gebäudes auf uns herab grinsen. Und jetzt wechseln sie zu „Abbey Road“, dem letzten Album, das die Beatles gemeinsam aufgenommen haben und das diesen Donnerstag seinen 50. Geburtstag feiert.

Fangen Sie mit der zweiten Seite an, mit dem 16-minütigen Medley von Lennon- und McCartney-Songs, dem Schwanengesang der Band: Es sind nur sechseinhalb Jahre vergangen, keiner der vier Beatles hat schon die 30 erreicht, die frische Brise weht weiterhin, auch wenn sich hie und da der Schwefelgeruch von Bitterkeit und Missgunst hineinmischt. „Oh, dieses magische Gefühl!“, klagt Paul in „You Never Give Me Your Money“, nur um sich gleich darauf selbst zu versichern, dass es keinen Ort mehr gebe, an den man gehen könne.

Aber wie viele Wege sind sie in diesen wenigen Jahren gegangen, wie viel unbekanntes Gebiet haben sie erschlossen! Eine neue Welt ist auf diese Weise erschaffen worden, mit der Geschwindigkeit und Ausdehnung der kosmischen Inflation nach dem Big Bang. Und der Big Bang, das waren sie selbst, die Beatles.

The Analogues vor den Abbey Road-Studios

„Abbey Road“ bildet zum einen den Abschluss dieser Inflationsperiode: Das letzte Stück heißt „The End“, schenkt Paul, George und John jeweils sechs Takte für alternierende Gitarrensoli und Ringo das einzige Schlagzeugsolo seiner Beatles-Karriere, und es löst die Gleichung der Liebe, die genommen und gegeben wurde auf – wie viel deutlicher kann man werden?

Zum anderen, erzählt Jac Bibo, Gitarrist der Beatles-Coverband The Analogues, geht die Straße von hier aus weiter, steckt das Album bereits mit einem Fuß in den 1970er Jahren, ist Lichtjahre entfernt von den psychedelischen Klangexperimenten, welche die Band zwei Jahre zuvor auf „Sgt. Pepper’s“ auf den Gipfelpunkt trieb. „Es ist das erste Album, das die Beatles mit einer Acht-Spur-Maschine und in Stereo aufnahmen“, erzählt Bibo. „Die Arrangements sind ausgeklügelt wie nie zuvor, spielt man das auf der Bühne nach, hat das nichts mehr mit einem normalen Rock-Gig zu tun. Es ist eher, als würdest du klassische Musik zur Aufführung bringen.“

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Am Dienstagabend spielte die niederländische Band weite Strecken von „Abbey Road“ (und andere Stücke aus der Spätzeit der Beatles) im Klaus-von-Bismarck-Saal des WDR. Schloss man die Augen, fühlte sich das an, als hätte man selbst den berühmten Zebrastreifen überquert und belauschte nun die Fabulösen Vier bei ihrer Arbeit in den Abbey-Road-Studios.

Öffnete man die Augen wieder, staunte man sogar noch ein bisschen mehr, angesichts des hier versammelten Instrumentenparks, von einem der ersten Moog-Synthesizer über das rotierende Leslie-Kabinett bis zum Amboss, der im Refrain von „Maxwell’s Silver Hammer“ zum Einsatz kommt. Viele der historischen Instrumente hat die Band auf Ebay gefunden, manchmal kann sich die Suche über Monate hinziehen. So war es etwa bei einer Stratocaster-Gitarre, erzählt Jac Bibo, die nur zwei Jahre lang produziert worden war, und die einer der Analogues endlich in Italien entdeckte. Oder der selten gewordenen amerikanischen Lowry-Orgel, die The Analogues nur für die paar Sekunden des Intros von „Lucy In the Sky With Diamonds“ benötigten.

Album und Tour

The Analogues treten erst 2020 mit ihrer „Abbey Road Show“ in NRW auf, 7. 10. im Essener Colosseum Theater, 10. 10. in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle. Bis dahin kann man ihr „Abbey Road Relived“-Album hören, eingespielt am Originalschauplatz.

„Abbey Road“ erscheint zum 50. als De-luxe-Box, neu abgemischt, mit bislang unveröffentlichten Demo-Aufnahmen

Finanziert wird dieser akribische Wahnsinn vom Schlagzeuger und Gründer der Band, Fred Gehring, der bis vor wenigen Jahren noch CEO des Modelabels Thommy Hilfiger war, und sich hier seinen Traum erfüllt, genau jene Studiomeisterwerke live nachzustellen, welche die Beatles selbst nie konzertant aufgeführt haben, und die als unspielbar galten. Ohne Perücken oder verstellte Stimmen, die Analogues sind eher geduldige Puzzler als Zirkusartisten: „Wir hören uns jede Aufnahmespur an“, führt Gitarrist Felix Maginn aus, er singt oft die Lennon-Songs. „Das ist wie Detektivarbeit. Du denkst, klar, den Song kenne ich, dann hörst du da plötzlich eine akustische Gitarre, oh nein, es sind zwei, und sie spielen unterschiedliche Melodien.“ Da hälfen auch jene Fachbücher nicht, die haarklein die Instrumentierungen der Beatles-Platten auflisten: „Die sind voller Fehler.“

Was die fünf Musiker aus Amsterdam hier so hingebungsvoll betreiben, ist also eher eine Art von Klang-Archäologie, der Versuch einer praktischen Annäherung an jenes magische Gefühl, das Paul McCartney auf „Abbey Road“ zum letzten Mal beschwört. Als bärge jenes finale Aufbäumen der Beatles eine Zukunft, die es erst wieder auszugraben gilt.