Kölner Nachtclub startet neuWarum das King Georg jetzt ganz anders ist als früher
- Aus der alten Bar „King Georg” im Agnesviertel ist nach aufwändiger Sanierung der Jazzclub „King Georg” geworden. Besucher des alten King Georg würden die neue Bar kaum wiedererkennen.
- Was haben die neuen Betreiber vor und wie sieht das Programm für die nächsten Monate aus? Ein Besuch beim Eröffnungskonzert.
Köln – Von außen und bei Tageslicht machte das „King Georg“ noch nie etwas her. Untergebracht in einem Nachkriegshaus, das mit seiner durch hässliche schwarze und weiße Fliesen verunzierten Fassade eher für den baulichen Substanzverlust um den Eberplatz steht, war der Club stets der Gnade der Nacht ausgeliefert, die ihm einen atmosphärischen Charme verlieh. Dann erstrahlte über dem Eingang der altdeutsche Schriftzug in warmem Gelb-Rot, und die Wörter darunter signalisierten in grell-grünem Neonlicht, um was es ging: Diskothek – Bar – Dancing.
Womit nicht annähernd klar wurde, welch kultig-legendären Kunstbetrieb Besitzer André Sauer hier aufgebaut hatte. Im „King Georg“ gab es viel, viel Musik, Partys, Bands, gegenkulturell positionierte Künstler und vortragshungrige Dichter, das alles getaucht in ein plüschiges, wie aus der Zeit gefallenes Rot. Im Mai war damit erst einmal Schluss, seitdem wurde der Club entrümpelt, umgebaut und zur Vision eines erweiterten Konzepts. Nur vier Monate später ist es soweit: Am 16. September eröffnet das „King Georg“ in neuem Glanz als verheißungsvoller Club von Montag bis Donnerstag und mit etabliertem Nachtprogramm am Wochenende.
Hochkarätige Musiker
Ab dann werden unter der Woche hochkarätige Musikerinnen und Musiker die Klangbreite dessen auf die Bühne bringen, was man unter „Straight Ahead“-Jazz zusammenfasst: groovenden und swingenden Bebop, souligen und bluesigen Hardbop, stimmungsvolle Standards, und das alles im Rahmen einer so ambitionierten wie zeitgemäß-modernen Traditionspflege. Fürs Programm ist als künstlerischer Leiter der Pianist Martin Sasse verantwortlich. Voller Vorfreude verweist er auf das lange Zeit gähnende Loch im Reigen der Kölner Spielstätten, das sich nun endlich schließt: „Seit dem alten Subway gab es keinen Ort mehr, an dem konsequent Straight Ahead angeboten wurde. Die Tourneen internationaler Jazz-Größen führten nach Frankfurt in den Jazzkeller, nach Hamburg ins Birdland, nach Berlin ins A-Trane oder nach München in die Unterfahrt, in Köln aber machten sie nie Station. Jetzt kommen die Musiker auch ins King Georg!“
Die nächsten Termine
19.9. Oslender & Cardinaals feat. Bruno Müller23.9. Torsten Goods meets…24.9. Jeff Cascaro meets…1.10. Hubert Nuss Trio2.10. King Georg Sessions by Andy Haderer
Alles steht dafür bereit, um das „King Georg“ zum attraktiven Ort für eine bislang in Köln unterrepräsentierte Spielart des Jazz zu machen, zur Begegnungsstätte für Publikum und Musiker. Sasse: „Es wird ein völlig neuer, atmosphärischer Treffpunkt auch für die Musiker, hier können sie nach dem Konzert hängen bleiben und sich austauschen. Solche Szeneanbindung war früher selbstverständlich, man traf sich ja in Clubs auch dann, wenn keine Live-Musik gespielt wurde. Das wird jetzt wieder möglich sein.“
Maximal 160 Besucher passen in den Club, „entspannt eher 120“. Der Großteil der aufwändigen Bauarbeiten galt dem Einbau eines ausgeklügelten Lärmschutzkonzepts, das zugleich ambitioniertes Klangkonzept war: In jeder Steh- oder Sitzsituation soll der Zuhörer die Musik akustisch perfekt wahrnehmen. Jazz im „King Georg“ soll sich weniger wie eine konzertante Aufführung anfühlen, sondern eher einen besonderen Club-Sound ausstrahlen, bei dem Instrumente wie Stimmen sinnlich erlebbar werden. „Wir haben sogar einen eigenen Steinway-Flügel“, freut sich Sasse, „das Beste vom Bestem, wie es für so einen Club sein muss.“
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Das Programm der nächsten Monate verspricht Musikgenuss pur, und das nicht nur für eingefleischte Jazz-Liebhaber. Auf der Bühne wird man etliche Musiker aus dem Umfeld der WDR Big Band erleben, einige von ihnen wurden schon im Rahmen der Einladungsreihe von Saxofonist Paul Heller im Stadtgarten bejubelt. So gibt es gleich zur Eröffnung die „King Georg Allstars“ mit Martin Sasse, Paul Heller, Andy Haderer, Martin Gjakonovski, Hans Dekker und der niederländischen Sängerin Fay Claassen. Viele aus der Allstars-Band tauchen später in immer wieder neuen Konstellationen auf, was ein schönes Zusammenwirken aus Verlässlichem und Überraschendem verheißt.
Wenn man denn einen Schwerpunkt sucht, dann liegt dieser vielleicht auf dem Klavier: Neben Martin Sasse spielen Anke Helfrich, Sebastian Sternal, Pablo Held und Frank Chastenier, aber auch (noch) jüngere, nicht weniger leidenschaftliche Straight-Ahead-Talente wie Jerry Lu und Jacob Lüffe. Doch die instrumentale und künstlerische Vielfalt ist weit größer: Allein für die ersten Wochen 2020 sind Ack van Rooyen (der hier seinen 90. Geburtstag feiert), Richie Beirach, Judy Niemack, Kristin Korb, Karolina Strassmayer, Sabine Kühlich, Laia Genc, Scott Hamilton, John Marshall und Tamir Hendelman angekündigt.Regelmäßig präsentiert der Trompeter Andy Haderer die „King Georg Sessions“, bei der zu fester Rhythmusgruppe wechselnde Solisten zu einem vorgegebenen Thema improvisatorisch zusammenfinden.
Das erste Motto (am 2.10.) lautet „Blues und Verwandtes“. Weiteres Novum ist ein gemeinsames Format mit WDR 3 Jazz & World: Radiomoderatoren legen als DJs ein exklusives, zum vorherigen Konzert passendes Nachtprogramm auf, das mittelfristig auch als Streaming-Angebot verfügbar werden soll.So zeigen sich schon jetzt die Konturen eines schlüssigen, privatwirtschaftlich finanzierten Clubkonzepts, das Köln nachhaltig bereichern wird. Ausdrücklich soll keine Verdrängung entstehen, vielmehr ein offenes, konstruktives Miteinander gepflegt werden.
So bleibt auch Raum für junge Improvisationskollektive wie IMPAKT und the LAB, die mit ihrer stilistischen und klanglichen Vielfalt das Club-Angebot erweitern. Insgesamt kann so Großes entstehen, mit überregionaler Strahlkraft, aber auch mit regionaler Anbindung. Dass jemand wie der Trompeter Manfred Schoof dem Club spontan die alten Notenständer seiner legendären Big Band zur Verfügung stellte, mag nur eine Anekdote sein, zeigt aber, wie Altes und Neues zum „schönen Heim“ zusammenwachsen kann. So, wie Fay Claassen beschwörend in der Luther-Vandross-Ballade „A House is Not a Home“ singt: Ein Haus wird erst zum Zuhause, wenn einen jemand in die Arme nimmt.