Kommentar zum Fall YücelWie der Autorenverein PEN an der eigenen Charta scheitert
Köln – Die zweite Resolution der PEN-Charta ist eine Zumutung: „Unter allen Umständen und insbesondere auch im Kriege“, heißt es dort, „sollen Werke der Kunst, der Erbbesitz der gesamten Menschheit, von nationalen und politischen Leidenschaften unangetastet bleiben.“
Anfang März hatte der ukrainische Ableger des internationalen Autorenverbands zum Boykott russischer Schriftsteller und Verlage aufgerufen. Die edelsten Absichten frisst der Krieg als Amuse-Gueule.
Weiße Liste für russische Autoren
Jetzt hat Andrej Kurkow, Präsident des ukrainischen PEN, anstelle eines Boykotts eine „Weiße Liste“ vorgeschlagen, mit den Namen aller Schreibenden, die ihre Stimme gegen Putin und den Krieg erhoben haben. Auch dieser Vorschlag scheint Zorn und Verzweiflung des überfallenen Landes entsprungen zu sein. Menschlich verständlich – und nichtsdestotrotz falsch. Jedenfalls nach der Charta des PEN.
Der Krieg nagt ebenso am deutschen PEN-Zentrum: Dass dessen Präsident Deniz Yücel die Schließung des Luftraums über der Ukraine auf der lit.Cologne für „’ne gute Idee“ hält und die Gefahr eines Atomkrieges mit einer Schulhofprügelei vergleicht, ist mindestens fragwürdig. Aber alles, wie Danger Dan singt, von der Kunst- beziehungsweise Meinungsfreiheit gedeckt.
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Hätte sich Yücel als Präsident bedachter ausdrücken sollen? Klar. Aber Grund zum Rücktritt liefern seine Äußerungen nicht. Zumal in der PEN-Charta auch steht, man wolle jeder Art der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung entgegentreten. Das muss für die eigene Organisation ganz genauso gelten.