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„Save Land“ in der BundeskunsthalleWarum wirft hier niemand mit Suppe auf Gemälde?

Lesezeit 5 Minuten
Ein Weizenfeld steht vor den Hochhäusern Manhattans.

Aus dem Video „Weizenfeld“ von Agnes Denes, derzeit in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen

Die Bonner Ausstellung „Save Land“ soll helfen, die Erde zu retten, bleibt aber trotz „Fridays for Future“-Bettlaken allzu brav dabei.

„Hallo, ich bin hier unten“, ruft der braune Erdhaufen traurig zu uns herauf. „Immer trampelt ihr auf mir herum“, klagt er, und dann auch noch der ganze Müll. Alles überhaupt nicht nett und sogar reichlich undankbar. „Ist ja nicht so, dass ich euch mit Nahrung versorgen würde.“

Der sprechende Erdhügel aus der Bundeskunsthalle klingt beinahe wie Marvin, der depressive Roboter aus Douglas Adams „Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ – und ist mit seinem passiv-aggressiven Tonfall ähnlich lustig wie dieser. Allerdings wurde auch er wohl nicht dafür geschaffen, uns zu amüsieren. Er steckt in einem Holzkübel, ist mit Müll gespickt und redet uns als gestricheltes Mondgesicht auf einem Monitor ins Gewissen. Vielleicht wäre es besser gewesen, Mutter Erde direkt zu uns sprechen zu lassen. So sieht es danach aus, als könne sie lediglich durch achtlos weggeworfenen Zivilisationsschrott mit uns kommunizieren.

„Save Land – United for Land“ heißt die Ausstellung, die das Bonner Ausstellungshaus in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen entwickelt und eingerichtet hat. In ihr geht es ausdrücklich darum, das ökologische Bewusstsein zu fördern und das Land zu retten, auf und von dem wir alle leben. Große Kunst, die sich durch inhaltliche Mehrdeutigkeit auszeichnet, wird man hier eher nicht erwarten. Dafür kluge Propaganda für die gute Sache. Der jammernde Erdhaufen fällt in eine Zwischenkategorie: kindgerechter Galgenhumor.

Entlassen werden wir mit bemalten „Fridays for Future“-Bettlaken und der Aufforderung „Werde aktiv“

Die auf vielen Schrifttafeln in Erinnerung gerufenen Fakten sprechen ohnehin für sich. Wir beuten unsere Böden aus, als gebe es kein Morgen, und vergessen darüber, welches Geschenk sie für uns sind. „Unsere Erdböden brauchen bis zu Hunderten von Jahren, um sich zu bilden“, steht es mahnend an der Wand. „Doch ein extremes Ereignis genügt, um sie in Minutenschnelle zu zerstören.“ Bald 40 Prozent der Böden weltweit würden bereits als verödet gelten. Und wer ist schuld daran? Wir selbst.

Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber die unheilvolle Entwicklung zu stoppen, ist der unaufhörlich wachsenden Weltbevölkerung trotz mancher Klimakonferenz noch nicht gelungen. In der Bundeskunsthalle wird die bittere Einsicht mit Kunst, Kulturhistorie und immersiven Multimedia-Spektakeln versüßt. Auf diese Weise geht es vom Wissen direkt zum eigenen Handeln – so sieht es jedenfalls der Ausstellungsgrundriss vor. Am Anfang heißt es pathetisch: „Land ist Leben“. Entlassen werden wir mit bemalten „Fridays for Future“-Bettlaken und der Aufforderung „Werde aktiv“.

Vor die freundliche Ermahnung, sanften Tourismus zu betreiben, weniger Fleisch zu essen, Müll zu trennen und überhaupt das eigene Privatleben als weltpolitisch zu begreifen, haben die Kuratoren zunächst einmal einen Klassiker der Landkunst gesetzt. In der Eingangshalle liegt Richard Longs „Bluestone Circle“ (1978) ausgebreitet, ein poetischer Steinkreis, der die verlorene Verbundenheit des Menschen mit der Natur beschwört. Was immer man von dieser spätmodernen Mystik halten mag: Zwischen die Säulen eines Museumsbaus gezwängt, verpufft ein Großteil des Effekts.

Besucher bewegen sich in einer Bodenprojektion

Eine interaktive Bodenprojektion in der Ausstellung „Save Land“ in der Bundeskunsthalle Bonn

Im nächsten Saal wird aus gewöhnlicher Erde beinahe geweihte Kunst. An der Wand hängen reihenweise Bodenproben vom Niederrhein, präpariert und gerahmt, mit Steinen und anderen Ablagerungen (sogar ein alter Schuh findet sich), als hätte sich die Natur diese Motive beim deutschen Informel-Maler Karl Fred Dahmen abgeschaut. Gleich daneben tun fleißige Erdarbeiter ihr für Mensch und Natur gleichermaßen segensreiches Werk, ohne dass es ihnen jemand danken würde; immerhin dürfen Maulwurf und Regenwurm die Zeiten im Glaskasten überdauern.

Diese enge Verbundenheit mit der Erde findet man beim Menschen naturgemäß selten. An die Zeiten, in denen unsere Vorfahren diese noch barfuß urbar machten, erinnert ein Abdruck, den der Künstler Jan Hoststettler von seinen Füßen anfertigte, nachdem er auf diesen 3000 Kilometer gewandert war. Bei Liam Young ist die Menschheit mutmaßlich bereits Vergangenheit. Er spielt in einer Folge von Videosimulationen die Besiedelung des Planeten Mars durch – allerdings nicht durch Elon Musk, sondern durch verschiedene irdische Pflanzenarten. Die Kolonisation des Weltalls bringt hier fruchtbare Landschaften hervor, ganz ohne Nachhilfe des Homo sapiens.

Gelegentlich wünscht man sich, die Kuratoren hätten zum Holzhammer gegriffen

Auf unserem Heimatplaneten geht derweil der Raubbau weiter, beispielhaft gezeigt am „Stoffwechsel“ des städtischen Ökosystems mit Flächenversiegelung, Energie- und Nährstoffhunger. Was die Kuratoren eine „hochgradige Störung der Natur“ nennen, ist bei Klaus Staeck ein röhrender Hirsch vor den rauchenden Schloten einer Industriekulisse. Monika Sosnowskas Skulpturen aus Betonblöcken und freiliegenden Stahlstreben werden hier zum Fanal einer bröckelnden Architekturmoderne, während Agnes Denes eine Welt entwirft, in der die Weizenfelder des amerikanischen Westens sich bis vor die Straßenschluchten von Manhattan erstrecken.

Beim Thema nachhaltige Landwirtschaft scheinen die Kuratorinnen eine vor- oder wenigstens frühindustrielle Unschuld herbeizusehnen. Wir sehen eine historische Getreidesammlung, einen allegorischen Steinzyklus der „Vier Jahreszeiten“ (1836) von Bertel Thorvaldsen und werden in die Geheimnisse indigener Maiskulte eingeweiht. Für die Gegenwart stehen dagegen ein parzellierter Landschaftsteppich von Florian Pucher, ein von Julian Charrière als „Damoklesschwert“ inszenierter Ölbohrer (der allerdings nicht über unseren Köpfen baumelt) und riesige Trockenblumen, die Julius von Bismarck auf Edelstahlplatten gezogen hat.

Das ist alles so gut gemeint und redlich gemacht, dass man sich gelegentlich wünscht, die Kuratoren hätten zum Holzhammer gegriffen oder jemand würde für das Überleben der Erde mit Suppe nach unwiederbringlichen Gemälden werfen. Stattdessen sehen wir das niedliche Modell eines Tagebau-Schaufelbaggers und den ausgerotteten Dodo als Plüschtier weiterleben. Seltsam deplatziert wirkt eine zweifach geknickte Pop-Art-Säge von Claes Oldenburg – als läge die Lösung darin, Werkzeuge der Naturzerstörung in Kunstwerke zu verwandeln und dadurch unbrauchbar zu machen.

Mag die Ausstellung auch aufklärerisch sein, sie vermittelt einem nicht das Gefühl von Dringlichkeit. Selbst ein lauer Kölner Hitzesommer schlaucht einen deutlich mehr, und dabei soll in Bonn doch eine drohende Menschheitskatastrophe abgewendet werden. „Hallo, ich bin hier unten“, ruft die Erde. Wenn sie uns eines nahen Tages die Rechnung präsentiert, leben wir alle im Jammertal.


„Save Land – United for Land“, Bundeskunsthalle, Museumsmeile, Bonn, Di.-So. 10-18 Uhr, Mi. 10-21 Uhr, bis 1. Juni 2025. Der Katalog zur Ausstellung kostet 45 Euro.