Schauspielerin Haley Louise Jones im Interview„Wichtig, Kinder zeitgemäß abzuholen"
- Haley Louise Jones wurde 1989 in Johannesburg, Südafrika, geboren und hat ihre Schauspielausbildung in Köln absolviert, wo sie auch heute noch wohnt.
- Im Kinderfilm „Alfons Zitterbacke: Endlich Klassenfahrt“, dem zweite Teil in der Filmreihe zum liebenswerten Pechvogel Alfons, spielt sie die neue Lehrerin Frau Hoffmann.
- Im Interview spricht sie über die Funktion ihrer Rolle im Film, positive sowie negative Erinnerungen aus ihrer eigenen Schulzeit und das kulturelle Leben in Köln.
Köln – Frau Jones, in „Alfons Zitterbacke: Endlich Klassenfahrt“ spielen Sie die neue Lehrerin Frau Hoffmann. Wie würden Sie die Rolle beschrieben?
Haley Louise Jones: Sie ist ambitioniert und liebt ihren Beruf, weil sie einen „soft spot“ für Kinder hat. Sie macht den Job also nicht, weil sie es etwa toll findet, verbeamtet zu sein, sondern weil sie ein bisschen etwas von ihrem eigenen Feuer an die Kinder weitergeben will. Sie ist wirklich eine Lehrerin aus Überzeugung und glaubt, dass sei etwas verändern kann.
Frau Hoffmann hat eine besondere Beziehung zu Alfons, vor allem im Vergleich zu ihrem Lehrerkollegen Flickendorf. Was macht die Beziehung zwischen diesen beiden Rollen aus?
Im Vergleich zu Herrn Flickendorf hat sie Empathie und überhaupt die Fähigkeit und das Interesse daran, sich in ein Kind wie Alfons hineinzuversetzen. Was meiner Meinung nach die Beziehung ausmacht, ist, dass sie Alfons auf Augenhöhe begegnet und trotzdem ihre Autorität nicht verliert. Ich glaube, dass sie auch Teile von sich in Alfons wiedererkennt, wodurch nochmal eine ganz andere Art von Mitgefühl entsteht. Sie hat wirklich das Auge für denjenigen, der entweder übersehen wird oder eben nicht der coolste in der Klasse ist. Und sie bekommt die Kämpfe mit, die Alfons fechtet, und versucht, sich ihm zur Seite zu stellen, ohne jedoch eine Grenze in dem Lehrer-Schüler-Verhältnis zu überschreiten.
Der Film schneidet Themen an, die viele Kinder und Jugendliche nachempfinden können, etwa Stress in der Schule, Mobbing oder Probleme mit Eltern, die sich getrennt haben. Was kann das junge Publikum von diesem Film lernen?
Dass es nicht so schlimm ist, wenn du nicht der coolste in der Klasse bist. Ich war selbst nicht „the cool kid“ und ich glaube auch, dass das ein bisschen überbewertet ist. Ich hoffe sehr, dass die Kinder, abgesehen von Spaß und guten Lachern, Inspiration mitnehmen. Sie sehen Kinder in ihrem Alter, die so einen Film auf die Beine gestellt haben, und ich hoffe, dass sie das auch als Inspiration mitnehmen, wenn sie vielleicht selbst Lust auf den Beruf haben. Außerdem hoffe ich, dass sie ein bisschen Mut finden können, für den Fall, dass sie sich da irgendwie in den ganzen Kämpfen wiedererkennen, und dass sie mit dem Wissen nach Hause gehen, dass sie nicht alleine sind. Und wenn sie selbst der coole in der Klasse sind, oder derjenige, der jemanden mobbt, hoffe ich, dass der Film ins Herz geht und vielleicht sogar dazu führt, dass sie eine andere Richtung einschlagen. Und ich hoffe, dass besonders die Mädchen mitnehmen, dass sie keine Trophäe sind, um die gebuhlt werden sollte.
Wenn Sie an Ihre eigene Schulzeit zurückdenken, erkennen Sie Sich da in manchen Situationen oder Figuren aus „Alfons Zitterbacke“ wieder?
Auf jeden Fall. Wenn ich an Herrn Flickendorf denke, der von meinem sehr liebenswerten Kollegen Thorsten Merten gespielt wird, kommen mir definitiv ein paar Kandidat:innen aus meiner Schulzeit in den Sinn, die ich negativ in Erinnerung habe. Ich hatte aber auch einzelne Lehrerfiguren wie Frau Hoffmann, die einen richtig guten Einfluss auf mich hatten und bei denen ich mich gesehen gefühlt habe. Ich erkenne mich aber tatsächlich auch in Alfons‘ Tollpatschigkeit wieder. Natürlich nicht in dem Ausmaß, wie sie für den Film dargestellt wird, aber viele Dinge hätten mir genauso passieren können. Ich bin zum Beispiel an Karneval einmal am falschen Tag als Clown verkleidet in die Schule gegangen – also was das angeht, erkenne ich mich leider schmerzhaft wieder.
Frau Hoffmann ist im Film die einzige Figur, die darauf achtet, dass sie richtig gendert. Sie spricht etwa ganz bewusst von der Klassensprecher:innenwahl. War es Ihnen auch ein Anliegen, dass Ihre Rolle gerade in einem Kinderfilm eine gendergerechte Sprache benutzt?
Wir haben das ja, um es auf Altdeutsch zu sagen, ein bisschen aufs Korn genommen. Vor allem Herr Flickendorf hat da seine Probleme mit. Aber uns allen war es wichtig, dass Frau Hoffmann repräsentativ in diesem zweiten Teil hinzukommt, dass sie frischen Wind mitbringt, dass sie auch wichtigen Wind mitbringt, was das Gendern angeht, und diese Werte versucht, in der Klasse zu etablieren. Das war eine der Aufträge der Figur, die ich sehr ernst genommen habe. Und wenn man mit den Kindern unabhängig vom Dreh spricht und einfach mal zuhört, merkt man auch, wie wichtig es ist, sie zeitgemäß abzuholen.
Letztes Jahr kam der Film „Ivie wie Ivie“ in die Kinos, in dem Sie die Hauptrolle spielen. Der Film setzt sich mit großen Themen auseinander wie Alltagsrassismus und der Suche nach der eigenen Identität. Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit an einem Film wie „Ivie wie Ivie“ zu der Arbeit an einem Kinderfilm wie „Alfons Zitterbacke“?
Es ist grundverschieden. Der Auftrag ist erstmal ein Anderer. Der Fokus bei „Alfons“ liegt auf den Kindern, man hat als erwachsene Figur einfach eine andere Funktion. Mit „Ivie wie Ivie“ haben wir einen Arthouse-Film gemacht, das heißt, dass die Art und Weise zu erzählen und zu spielen auch anders ist: die Töne sind teilweise viel leiser, du gehst nicht unbedingt auf den Gag. Bei „Alfons“ ist alles ein bisschen bunter, ein bisschen lauter, und trotzdem auch ernst zwischendurch. Und ich glaube, dass man eine Message für Kinder auch einfach anders verpackt als bei einem Arthouse-Film. Nicht zu sagen, dass die Kinder, mit denen wir gedreht haben, von einem Film wie „Ivie wie Ivie“ nicht wahnsinnig angesprochen werden – ich will das gar nicht trennen. Ich glaube, wenn man das trennen würde, würde man den Kindern nicht gerecht werden, denn sie sind sehr klug. Das ist das spannende bei Kinderfilmen, die beiden Seiten zu kombinieren, den Spaß und den Zirkus zusammen mit den ernsteren Dingen zu servieren.
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„Alfons Zitterbacke“ war eine beliebte Kinderbuchreihe in der DDR. Was war denn Ihr liebstes Kinderbuch?
Also, das erste, was mir in den Kopf kommt, ist ein Bild von dem Struwwelpeter, das habe ich von meiner Oma in Deutschland bekommen. Ich komme ja aus Südafrika, bin aber in Deutschland die meisten Jahre meiner Kindheit aufgewachsen. Ob das jetzt mein liebstes Kinderbuch ist, weiß ich nicht mehr. Als ich ein paar Jahre älter war, war ich aber komplett vernarrt in Sailor Moon, daran erinnere ich mich noch genau.
Und ein Buch, das Sie in letzter Zeit gerne gelesen haben?
Der letzte Roman, den ich zu Ende gelesen habe, heißt „Der Verein der Linkshänder“ von Håkan Nesser. Witzigerweise habe ich das Buch letztes Jahr, als wir „Alfons“ im Harz gedreht haben, an einem Bahnhofskiosk auf dem Weg zurück nach Köln gekauft. So ein Spontaneinkauf kann ja auch richtig gerne in die Hose gehen. Aber „Der Verein der Linkshänder“ ist eins der schönsten und besten Bücher, das ich je gelesen habe. Es zu lesen ist eine Wonne, das kann ich nur empfehlen.
Die Schulklasse von „Alfons Zitterbacke“ trifft auf ihrer Klassenfahrt auch auf einen Mann, dem die Kulturszene sehr am Herzen liegt. Sie, Frau Jones, leben in Köln. Wie erleben Sie die Kölner Kulturszene?
Bunt und fröhlich! Ich möchte in Zukunft auch gerne mehr daran Teil haben. Wenn man viel dreht und unterwegs ist, kommt das gerne mal zu kurz. Aber ich finde die Kulturszene total toll in Köln. Es ist zwar kleiner als in Berlin etwa, aber nicht unbedingt leiser. Ich glaube, dass man sich hier richtig ausleben und ein sehr breites Angebot an Kultur genießen kann. Die Kölner haben auch immer wieder neue Ideen und werden immer kreativer. Man kommt sicherlich kulturmäßig hier nicht zu kurz.