- Nach zwei Jahren Corona blüht das Kulturleben in Köln wieder auf. In unserer Sommerserie sprechen wir mit Schriftstellerinnen, Musikern und anderen Kulturschaffenden über den Zustand der Kölner Kulturlandschaft.
- Die Moderatorin und Autorin Mona Ameziane wohnt seit 2015 in Köln und beteiligt sich vielseitig am Kölner Kulturleben.
- Im Interview spricht sie über ihre liebsten Kölner Autorinnen und Autoren, die Ähnlichkeiten zwischen Köln und Marokko und darüber, was Köln in Sachen Kultur noch lernen kann.
Köln – Frau Ameziane, Sie moderieren die 1Live-Literatursendung „Stories“ und beschäftigen sich dort jede Woche mit neuen Büchern. Natürlich muss ich daher fragen: Was ist Ihr Sommerlektüre-Tipp?
Mona Ameziane: Das erste, was mir einfällt, ist ein Buch aus dem vergangenen Jahr, das ich aber gerade zur CSD-Zeit trotzdem empfehlen möchte. Es ist eine queere Liebesgeschichte und heißt „Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski. Er erzählt die Geschichte von zwei queeren Männern, die sich Anfang der 80er in Polen kennenlernen. Es ist ganz romantisch, wie sie sich dort am See kennenlernen, ein bisschen erinnert es an „Call me by your Name“. Dazu wird das Buch aber auch an einigen Stellen politisch, weil es eben um die politische Situation in Polen in den 80er-Jahren geht. Ich mag es gerne, wenn Sommergeschichten leicht sind aber auch noch ein bisschen mehr dahinter steckt. Das ist bei dem Buch so.
Haben Sie noch einen anderen Tipp?
Auch „Ein unendlich kurzer Sommer“ von Kristina Pfister kann ich nur empfehlen, das habe ich zuletzt gelesen. Es spielt auf einem Campingplatz in Deutschland, wo sich ganz viele verschiedene Menschen treffen, und Kristina Pfister erzählt eben die Geschichte dieser einzelnen Personen, aber auch der Zeit, die sie zusammen auf dem Campingplatz verbringen. Das ist vielleicht etwas für alle, die Urlaub in Deutschland machen.
Gibt es Kölner Autorinnen und Autoren, die Sie besonders schätzen?
Zum Beispiel schätze ich Melanie Raabe sehr. Sie wohnt hier mit mir im Veedel, daher treffen wir uns immer mal wieder hier. Und obwohl ich gar nicht so ein Thriller-Fan bin, mag ich ihre Bücher sehr. Daher bin ich jetzt auch ganz gespannt auf ihren neuen Roman, der im Herbst erscheint. Mir fallen echt so einige ein: Julia von Lucadou war zuletzt bei mir in der Lesung zu Gast. Sie wohnt in Köln und hat ein tolles Buch geschrieben, das zum Teil auch in Köln spielt. Oder auch Giulia Becker, eine Kölner Comedy Autorin. Ihr Buch „Das Leben ist eines der Härtesten“ fand ich auch super.
Zur Person
Mona Ameziane wurde 1994 in Marl geboren. Während ihres Journalistikstudiums an der TU Dortmund zog sie 2015 für ein Volontariat beim WDR nach Köln. Seit 2017 moderiert sie die Büchersendung 1Live Stories, in dem sie jeden Sonntagabend Autorinnen und Autoren interviewt. Auch bei verschiedenen Veranstaltungen ist sie als Moderatorin zu sehen, zuletzt etwa beim Grimme Online Award 2022 und beim Deutschen Kamerapreis 2022. 2019 wurde sie mit dem Kurt-Magnus-Preis der ARD ausgezeichnet.
2021 veröffentlichte sie ihr Buch "Auf Basidis Dach" (Kiepenheuer & Witsch), in dem sie über das Aufwachsen in zwei Kulturen schreibt: Marokko und Deutschland.
Wenn Sie in Köln Besuch bekommen, was zeigen Sie den Gästen als erstes – außer den Dom?
Da ich so nah am Rhein wohne, gehe ich eigentlich immer mit Gästen eine Runde am Rheinufer entlang. Da gibt es dann verschiedene Brückenrunden, je nachdem wieviel Zeit wir haben. Wenn man über die Hohenzollernbrücke läuft oder über die Deutzer Brücke, kann man noch einen kleinen Abstecher durch die Altstadt einlegen, das bietet sich dann gut an. Was wir in letzter Zeit auch häufiger gemacht haben, ist, in den Königsforst zu fahren. Wir sind dort auch in der Coronazeit öfter mal hingefahren, wenn wir das Rheinufer satt hatten. Dort liegt ja auch der Monte Troodelöh, der höchste Berg von Köln.
Sie waren in letzter Zeit viel unterwegs, unter anderem in Marokko – worauf freuen Sie Sich besonders, wenn Sie nach Köln zurückkehren?
Natürlich vermisse ich die Menschen, mit denen ich hier wohne, das ist ja immer so. Aber was die Stadt angeht, habe ich Köln einfach von Anfang an so lieben gelernt, weil ich finde, dass Köln, auch im Vergleich zu anderen sehr schönen Städten in Deutschland, einen ganz besonderen Vibe hat. Es liegt eine ganz große Entspanntheit über der Stadt, die ich sehr liebe. Ich mag den Flair in Köln total und immer wenn ich weg bin, ist das wie ein Vermissen nach einer Person, aber dann eben nach einer Stadt. Es liegt dann gar nicht an einem bestimmten Ort, wo ich hin muss, sondern eher an dem Lebensgefühl. Das ist, finde ich, die ganz große Stärke von Köln, dass Köln einfach so… cool ist!
Die Pandemie hat, wie wir alle wissen, die Kulturbranchen hart getroffen. Wie hat die Pandemie Ihre Arbeit beim Radio beeinflusst?
Das Gute am Radio ist ja, dass man sehr isoliert alleine im Studio sitzt, was die Arbeit schon mal sehr risikoarm macht. Wir haben daher natürlich auch nie aufgehört, zu senden. Aber da Teil meiner Sendung am Sonntagabend auch immer eine Lesung mit einem Autor oder einer Autorin ist, die wir früher vor Publikum aufgezeichnet haben, ist das natürlich sofort weggefallen. Wir haben die Lesung dann erstmal nur zu zweit im Studio aufgenommen, bis das dann auch irgendwann nicht mehr ging. Dann lief tatsächlich alles über Zoom. Das war für mich eine ganz große Umstellung. Über Zoom hat man immer einen kleinen Delay, man fällt sich nicht so sehr ins Wort, es ist einfach schwer, eine Lebendigkeit und eine persönliche Ebene aufzubauen. Trotzdem war es wichtig, dass die Lesungen weiterlaufen, denn es hat sich ja schnell gezeigt, dass das Lesen in der Pandemie plötzlich einen ganz neuen Stellenwert bekam, auch bei Menschen, die vorher nicht viel gelesen haben.
Liegt da also auch ein Vorteil der Pandemie?
Ich würde sagen, da liegt ein Vorteil von Büchern. In Zeiten, in denen vieles nicht geht, gibt es eben immer noch Geschichten. Und ich weiß von ganz vielen, die in dieser Zeit das Lesen wieder für sich entdeckt haben. Und das ist für viele glaube ich total schön gewesen, weil es einen ja auch in eine ganz andere Welt bringt, während man zu Hause sitzt und nichts zu tun hat.
Was können andere Städte in Sachen Kultur von Köln lernen?
Ich finde die Kulturszene in Köln super vielfältig. Ich mag den Mix aus urbanen, sehr künstlerischen Kulturspots, wie zum Beispiel das Odonien, da ist ja alles sehr „rough“. Und gleichzeitig hat man aber auch gesetztere Kulturorte wie die Philharmonie oder die Oper, wodurch ein ganz breites Spektrum entsteht, was, meiner Meinung nach, auch ein ganz vielfältiges Publikum anspricht. Es könnte aber bestimmt, wie in anderen Städten auch, noch vielfältiger sein.
Was muss Köln also noch lernen? Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
Im Ruhrgebiet zum Beispiel, wo ich geboren bin, gibt es in einigen Städten schon Initiativen, die gezielt versuchen, Menschen mit Migrationsgeschichte anzusprechen, oder Jugendliche, die vielleicht aus bildungsferneren Haushalten kommen. Man sollte meiner Meinung nach auch in Köln versuchen, Angebote in der klassischen Kultur, etwa Lesungen, ganz bewusst für diese Zielgruppen zu schaffen. Ich habe das Gefühl, dass es für Kinder ein Programm gibt sowie für Menschen höheren Alters, aber für die Gruppe dazwischen, Ende Teenie-Zeit bis etwa Anfang 30, könnte man gerade im Bereich Literatur ein bisschen coolere und jüngere Lesungsformate anbieten.
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Sie haben letztes Jahr Ihr Buch „Auf Basidis Dach“ veröffentlicht, in dem Sie vom Aufwachsen zwischen zwei Kulturen erzählen: Deutschland und Marokko. Gelingt es Ihnen, in Köln auch etwas marokkanisches Lebensgefühl zu verspüren?
Also wir sitzen hier ja gerade bei einem Pfefferminztee zusammen, das funktioniert immer gut. Und was Köln und Marokko verbindet, ist genau das, was ich gerade beschrieben habe, nämlich diese Lockerheit. Das ist etwas, was ich an Marokko auch so liebe. Die Menschen sind wahnsinnig offen, sehr gastfreundlich und sehr herzlich. Ich komm nicht so gut mit Orten klar, und das gibt es ja durchaus sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern, an denen alle ein bisschen reservierter sind, eher in sich gekehrt und ruhig für sich leben. Und in Köln, da kommt man hin und wird quasi von der Stadt umarmt und aufgesogen. Und egal, wo du hinkommst, hast du immer Frohnaturen um dich rum. Das ist etwas, was Marokko auf eine etwas andere Art, aber für mich vom Gefühl so ähnlich auch hat. Deswegen fühl ich mich glaube ich hier auch so wohl.
Haben Sie noch einen Kulturtipp für den Sommer in Köln parat?
Auf jeden Fall. Es gibt auch in diesem Jahr wieder am Rheinauhafen die Short Story Night. Die findet insgesamt drei Mal im Sommer statt, zwei der Events darf ich moderieren. Im vergangenen Jahr habe ich das auch gemacht und es war ein richtig schönes Erlebnis. Es werden verschiedene Autorinnen und Autoren eingeladen, die ihre Kurzgeschichten lesen, und man sitzt einfach mit einem Getränk auf den Stufen mit Blick auf den Rheinauhafen, hört den Geschichten zu und genießt dabei, mit ein bisschen Glück, einen tollen Sonnenuntergang. Der nächste Termin ist der 20. Juli, ich werde da sein.