Adrian Kasnitz über die Kölner Literaturszene„Viele verspüren eine Aufbruchsstimmung“
- Nach zwei Jahren Corona blüht das Kulturleben in Köln wieder auf. In unserer Sommerserie sprechen wir mit Schriftstellerinnen, Musikern und anderen Kulturschaffenden über den Zustand der Kölner Kulturlandschaft.
- Der Schriftsteller und Verleger Adrian Kasnitz ist seit Jahrzehnten Teil der Kölner Literaturszene .
- Im Interview spricht er über Literatur unter freiem Himmel, internationalem Flair in Kalk und die schwierige Wahl der Urlaubslektüre.
Köln – Herr Kasnitz, was sind Ihre Kulturhighlights in diesem Sommer?Adrian Kasnitz: Die Kollegen von „Land in Sicht“ veranstalten die „Short Story Nights“ im Rheinauhafen, ein toller Ort, um Literatur zu erleben. Auch am Ebertplatz gibt es ein schönes Open-Air-Programm, unter anderem mit Lesungen. Vor allem für Leute, die wegen Corona noch vorsichtig sind und sich deswegen in geschlossenen Räumen noch nicht wohlfühlen, finde ich diese Open-Air-Veranstaltungen ideal.
Welchen Kölner Schriftsteller schätzen sie aktuell besonders und warum?
Momentan lese ich „Lärm“ von Guy Helminger, auch zur Vorbereitung auf eine Lesung, die wir zusammen haben werden. Helminger ist ein ganz wichtiger Autor für die Stadt. Nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Person des literarischen Lebens. Zusammen mit Navid Kermani moderiert er den Literarischen Salon im Stadtgarten, auch aus dem Literaturhaus könnten ihn viele als Moderator kennen. Im Augenblick wird Helminger mit einer Welle von Preisen überhäuft, was mich besonders freut. Ich habe ihn schon in den 90-Jahren kennengelernt und er hat seinen Stil seitdem nicht groß geändert. Umso mehr freue ich mich, dass er für seine Arbeit jetzt die gebührende Anerkennung findet.
Woran arbeiten Sie gerade?
An zwei Sachen. Zum einen, an der neuen Ausgabe des Kalendarium-Gedichtprojekts. Das befindet sich gerade in den letzten Zügen und muss noch diesen Sommer fertig werden. Zum anderen stecken wir gerade mitten in den Vorbereitungen für unser Europäisches Literaturfestival in Kalk, das wieder vom 2. Bis zum 4. September auf dem Ottmar-Pohl-Platz stattfinden wird.
Zur Person
Adrian Kasnitz, 1974 im Ermland geboren, aufgewachsen in Lüdenscheid, kam für das Studium nach Köln. Er schreibt Lyrik, Prosa und Essays. Letzte Veröffentlichtungen: Kalendarium #7 (Gedichte, parasitenpressen 2021) und Bessermann (Roman, Launenweber 2017). Im Jahr 2000 gründete Kasnitz den Verlag „Parasitenpresse“, in dem bisher über 100 Titel erschienen sind. Seit 2019 findet das Europäische Literaturfestival Kalk statt, das Kasnitz mitorganisiert. Dort treten über drei Tage verteilt Lyriker, Schriftsteller und Essayisten aus ganz Europa auf dem Otmar-Pohl-Platz und der Pflanzstelle in Kalk auf. Im Jahr 2020 wurde Kasnitz mit dem Dieter-Wellershoff-Stipendium der Stadt Köln ausgezeichnet.
Was zeigen Sie den internationalen Gästen von der Stadt, wenn sie nach Köln kommen?
Das hängt immer davon ab, wie viel Zeit die Autorinnen und Autoren mitbringen. Zuerst aber zeigen wir ihnen, etwas untypisch, Kalk. Hier findet ja auch das Festival vor dem Hintergrund der ganz eigentümlichen Stimmung des Veedels statt. Von Kalk aus schauen sich die meisten dann am Rheinboulevard in Deutz das schöne Kölner Panorama an. Außerdem spielen die Museen eine wichtige Rolle – vor allem das Museum Ludwig, aber auch das Rautenstrauch-Joest-Museum. Und natürlich wollen viele auch den Dom sehen.
Wie geht es der Kölner Literaturszene nach zwei Jahren Pandemie?
Die Literatur hat es vergleichsweise gut gehabt in den letzten zwei Corona-Jahren. Während der Pandemie wurden weiterhin Bücher gekauft und gelesen, vielleicht sogar noch mehr als vor Corona. Das war zumindest mein Eindruck. Viele kulturelle Alternativen hatte man ja auch nicht. Doch das kam finanziell nicht immer bei den Autorinnen und Autoren an. Die leben nämlich hauptsächlich von Lesungen. In Nordrhein-Westfalen gab es für Künstlerinnen und Künstler zwar Corona-Hilfen, doch die richteten sich nur an die Leute, die schon hauptberuflich als Künstlerin oder Künstler gearbeitet haben. Vor allem der Nachwuchs ist dabei durch die Raster gerutscht.
Jetzt im Sommer verspüren viele eine Aufbruchsstimmung. Veranstaltungen können wieder stattfinden, auch Vereine und literarische Gruppen können sich wieder treffen. Und dieses zusammenkommen ist extrem wichtig, um sich auszutauschen und neue Projekte anzuschieben. Früher ist in der Sommerzeit nicht viel passiert, der Sommer bedeutete Pause. Jetzt ist das Gegenteil der Fall. Es gibt so viele Anfragen und Termine, dass man sich die Zeit für zwei Wochen Urlaub richtig freikämpfen muss.
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Haben Sie das denn geschafft?
Ja, die Route ist zwar noch nicht ganz klar, aber es geht auf jeden Fall in Richtung Balkan.
Welche Urlaubslektüre nehmen Sie mit?
Das ist eine gute Frage. Da meine Frau und ich per Bahn und mit leichten Rucksäcken reisen wollen, ist das gar nicht so einfach zu entscheiden. Ein dickeres Buch habe ich mir trotzdem schonmal besorgt: „Der Boxer“ von Szczepan Twardoch, das steht schon lange auf meiner Leseliste. Aber viel darf nicht mehr dazukommen, ich will mich ja nicht totschleppen.