Keira Knightley spielt in der Netflix-Serie „Black Doves“ eine Killerin - ein Gespräch über die Wichtigkeit komplexer Frauenrollen in der Filmbranche.
Schauspielerin Keira Knightley„Weibliche Wut ist immer noch ein Tabu“
„Die Welt ist in vieler Hinsicht aus den Fugen“: Dieses Zitat aus Ihrer neuen Serie „Black Doves“ lässt sich auch auf unsere Welt anwenden. Wo finden Sie Licht in diesen dunklen Zeiten?
Keira Knightley: Ich habe zwei Kinder. Ich finde es schon schön, sie einfach zur Schule zu bringen. Oder neulich lag hier der erste Schnee, und wir haben auf dem Sofa gekuschelt. Es sind die kleinen Dinge im Leben, die es lebenswert machen und einem helfen, das Positive zu sehen. Ich habe das große Glück, eine wunderbare Familie und zwei Töchter zu haben, die mir die weltbesten Kuscheleinheiten schenken. Was kann man sich mehr wünschen?
Haben Sie dennoch das Gefühl, dass es in unserer heutigen Zeit schwieriger ist, Kinder großzuziehen, als es das vielleicht früher war, als Sie noch ein Kind waren?
Mir fehlt da der Vergleich, ich ziehe ja nur jetzt Kinder groß. Aber ein Kind zu haben, ist an sich schon ein Akt des Optimismus. Wir brauchen in der heutigen Zeit Optimismus und müssen immer versuchen, Lösungen für Probleme zu finden. Wir dürfen nicht aufgeben. Das ist alles, was man tun kann.
Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ist das Thema Krieg auch an uns Europäer näher herangerückt. Besprechen Sie das auch mit Ihren Kindern?
Ja, wir hatten viele Gespräche dazu. Wie gerade wahrscheinlich Kinder überall haben meine Kinder auch viele Fragen dazu, was in der Welt vor sich geht.
Kinder zu haben ist ein Akt des Optimismus
Wie schwer ist es, das den Kindern zu erklären?
Es ist schon schwer, es Erwachsenen zu erklären. Aber wir haben von der Schule, auf die meine Kinder gehen, gute Richtlinien bekommen. Meine Kinder sind neun und fünf Jahre alt. Eine altersgerechte Sprache ist wichtig. Aber es ist auch wichtig, die Kommunikationskanäle offen zu halten. Wenn Kinder Fragen stellen, ist es die Aufgabe von Eltern, darauf einzugehen, auch wenn man keine Antwort hat. Und bei dem, was derzeit in der Welt passiert, habe ich oft keine Antworten. Ich wünschte, ich hätte sie (lacht). Kindern gleichzeitig den Ernst der Lage vor Augen zu führen und dafür zu sorgen, dass sie sich dabei okay fühlen, ist eine schwierige Aufgabe.
In Ihrer neuen Serie „Black Doves“ führt Ihre Figur Helen ein Doppelleben, ist gleichzeitig Spionin und Killerin und liebevolle Ehefrau und Mutter. Wie haben Sie den Zugang zu dem ambivalenten Charakter gefunden?
Ich konnte mich sehr leicht mit ihr identifizieren. Alle Eltern sind eine bestimmte Person für ihre Kinder, und bestimmte Teile der eigenen Persönlichkeit werden beiseitegeschoben. Für dein Kind bist du eine Person, und für deinen ältesten Freund oder deinen Mann oder deine Arbeitskollegen bist du eine ganz andere Person. So habe ich Helen gesehen. Sie treibt das, was wir alle jeden Tag tun – für verschiedene Leute verschiedene Menschen sein – auf die Spitze: Sie ist eine Undercover-Spionin, die Menschen ermordet, aber sie ist auch großartig im Umgang mit ihren Kindern.
„Black Doves“: Wut und Rache treiben Helen an
Was Helen nach dem Mord an ihrem Geliebten antreibt, sind Wut und Rache.
Ja, aber sie liebt auch ihren Mann. Das hat mir gefallen. Als ich die Rolle bekam, war der erste Gedanke: Ihr Ehemann ist offenbar nur ein Job für sie, weil sie ihn ausspioniert. Aber ich glaube nicht, dass man mit jemandem Jahre zusammenbleibt und Zwillinge mit ihm hat, wenn es nur ein Job ist. Ich fand es spannend, dass das eine Frau ist, die ihren Mann und ihre Kinder liebt, gleichzeitig in jemand anderen verliebt ist, mit dem sie eine Affäre hat, und außerdem so mörderisch wütet, dass ihr ganzes Leben jeden Moment explodieren könnte. Das hat Spaß gemacht an der Rolle.
Wut und Rache sind oft männlich konnotiert. Brauchen Frauen mehr Wut?
Weibliche Wut ist immer noch ein Tabu. Es ist sehr schwierig, weibliche Wut auf der Leinwand zu zeigen. Man wird schnell dafür verurteilt. Deshalb fand ich es spannend zu zeigen, wie diese Wut und Rache Helen antreiben und aus ihr herausbrechen.
Benötigt es mehr ambivalente und komplexe Frauenrollen in Filmen und Serien?
Im Moment gibt es eine ganze Reihe interessanter, komplexer weiblicher Charaktere. Vor zehn Jahren wäre es noch viel schwieriger gewesen, die zu finden. Ich liebe diese interessanten Frauenrollen, weil sie der Realität entsprechen. In einem Film oder einer Serie sieht man das auf extremere Weise. Ich will natürlich nicht, dass die Leute einen mörderischen Amoklauf verüben und Regierungsgeheimnisse verkaufen wie in der Serie. Aber es macht Spaß, Emotionen auf eine sehr extreme Art und Weise zu erforschen, die viele Menschen im Kleinen auch haben. Ich sehe gerne zu, wie die Figuren all diese schwierigen, manchmal gegensätzlichen Gefühle haben, weil wir alle Gegensätze in uns tragen. Das ist es, was das Leben interessant macht.
Sie haben vor einigen Jahren Drehbücher kritisiert, in denen Frauen entweder auf den ersten fünf Seiten vergewaltigt werden oder nur dazu da sind, die liebende Freundin oder Ehefrau zu sein. Hat sich das also verändert?
Ich denke schon. Es wird natürlich immer Drehbücher geben, in denen seltsame weibliche Figuren und Motive vorkommen, die nichts mit dem echten Leben zu tun haben. Das ist auch in Ordnung. Es ist nur wichtig, dass es auch das Gegenteil gibt, nämlich vollwertige weibliche Figuren, die verschiedene Seiten von sich zeigen und komplex sind. In den letzten zehn Jahren, vor allem im Streaming-Bereich, hat man viele Serien mit interessanten, komplizierten und starken Frauenfiguren gesehen.
Wie oft bekommen Sie noch solche einseitigen, von Ihnen kritisierten Rollen angeboten?
Mittlerweile nur noch sehr selten. (lacht) Ich denke, die Leute wissen, dass ich das nicht mache.
Welchen Einfluss hatte Ihrer Meinung nach die #MeToo-Bewegung auf die Weiterentwicklung weiblicher Charaktere in der Filmindustrie?
Ich weiß nicht, ob es direkt davon beeinflusst wurde oder ob die Entwicklung schon vorher angefangen hat. Aber ich denke, dass #MeToo auf jeden Fall ein Anstoß dafür war, dass es mehr komplizierte Frauengeschichten gibt. Es wäre interessant herauszufinden, ob es seitdem einen großen Schritt nach vorne gegeben hat. Ich selbst hatte in meiner Karriere unglaublich viel Glück in der Hinsicht. Ich habe überwiegend komplizierte, seltsame und herrliche Kreaturen gespielt. Ich habe natürlich auch viele Drehbücher abgelehnt, bei denen die Charaktere nicht interessant waren. Aber ich bin unglaublich dankbar für meine Karriere. Ich musste nie eindimensionale weibliche Figuren spielen.
Keira Knightley (39) ist eine britische Schauspielerin. Sie wurde durch den Überraschungserfolg „Kick It Like Beckham“ und die „Fluch der Karibik“-Reihe bekannt. In der Netflix-Spionage-Serie „Black Dove“ ist sie zum ersten Mal in einer Streaming-Serie zu sehen.