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„Schreiben, was kommt“Was bringt die Literatur der Zukunft?

Lesezeit 5 Minuten
Die beiden Professorinnen sind in einer Bibliothek der Kunsthochschule für Medien Köln. Sie lehnen an einem hölzernen Tresen, hinter ihnen sind Regale mit Büchern.

Monika Rinck und Kathrin Röggla lehren an der KHM Literarisches Schreiben.

Zum ersten Mal treffen sich in Köln alle großen deutschsprachigen Schreibinstitute. „Schreiben, was kommt“ wagt einen Blick in die Glaskugel der Literatur.

Was bringt die Literatur der Zukunft? Wer schreibt sie und welche Themen werden im Vordergrund stehen? Um die Wege zu erkennen, die der Literaturbetrieb einschlägt, lohnt sich ein Blick dahin, wo der literarische Nachwuchs aufwächst: zum Beispiel in der Kunsthochschule für Medien in Köln.

Die KHM bietet nun eine besondere Gelegenheit, um die neuesten Entwicklungen im Literaturbetrieb zu beobachten. Zusammen mit dem Kölner Literaturhaus und den Schreibinstituten in Hildesheim, Leipzig und Wien veranstaltet sie ein Symposium zur Poetik der Gegenwart: „Schreiben, was kommt.“

Für „Schreiben, was kommt“ kommen die großen Schreibinstitute nach Köln

„Es ist einzigartig, dass sich die Schreibinstitute so zusammen in einer Stadt treffen“, sagt Kathrin Röggla. Die Autorin und Böll-Preisträgerin ist Professorin für Literarisches Schreiben an der KHM und mit Monika Rinck in der Planung für „Schreiben, was kommt“ aktiv. Neben Workshops, die sich in erster Linie an Studierende richten, gibt es auch Konzerte, Performances und Diskussionen, zum Beispiel über KI, die ästhetische Forschung und darüber, wie die Literatur auf politischen Verwerfungen der Gegenwart reagieren kann. Die Veranstaltungen finden im Stadtgarten und im Filmhaus statt.

Die KHM bietet den Schwerpunkt Literarisches Schreiben seit dem Wintersemester 2017/2018 an. „Viele wissen vermutlich gar nicht, dass man in Köln Schreiben studieren kann“, so Monika Rinck, die ebenfalls Literarisches Schreiben an der KHM lehrt. „Ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen, das zu machen, früher gab es das aber auch nicht in der Weise wie heute.“ Mittlerweile kommen schon so manche Nachwuchsautorinnen und -autoren aus der Hochschule. Tina Ilse Maria Gintrowski gewann 2024 das Dieter-Wellershoff-Stipendium der Stadt Köln, Jennifer de Negri gewann den Literaturpreis Irseer Pegasus und Lisa Roy war bei der lit.cologne mit ihrem Roman „Keine gute Geschichte“ für den Debütpreis nominiert.

Wie läuft so ein Studium an der KHM ab?

Doch wie sieht so ein Studium überhaupt aus? Darüber kann Fatima Khan berichten. Sie studiert seit 2022 Mediale Künste mit dem Schwerpunkt Literarisches Schreiben an der KHM. Sie kam dabei schon mit besten Voraussetzungen an die Hochschule: Sie initiierte 2018 mit der „q[lit]*clgn“ das erste feministische Literaturfestival Deutschlands und kuratiert und moderiert seitdem Literaturveranstaltungen. Zuvor hat sie den Studiengang „Antike Sprachen und Kulturen – Klassische Literaturwissenschaft“ und Germanistik studiert. „Ich trage 3.000 Jahre europäische Literaturgeschichte in mir.“

Trotzdem hatte sie sich lange nicht den Studiengang an der KHM zugetraut. „Irgendwann habe ich auf Instagram einen Text veröffentlicht und ein Lektor eines großen Verlages hat mir daraufhin eine Nachricht geschrieben. Er meinte: Schreibst du an etwas Längerem? Wenn ja, schick mir das.“ Das habe ihr gezeigt, wie gut sie bereits mit der Literaturszene vernetzt ist. „Ich habe gemerkt: Es ist eigentlich alles da. Ich muss mir nur noch selbst eingestehen, dass ich das schon mein Leben lang möchte.“

Die Hochschule bietet den Schwerpunkt „Literarisches Schreiben“ an

Für das viersemestrige postgraduale Diplomstudium, das sie angetreten ist, muss man sich mit einem Projekt bewerben, zum Beispiel mit einem Roman. „Man bekommt dann auch 7.000 Euro Projektgeld, um das zu bewerkstelligen. Ich habe letztes Jahr eine Recherchereise nach Italien gemacht und plane noch zwei Reisen.“ Das Geld ist aber an bestimmte Zwecke gebunden. Man kann dafür Bücher kaufen, aber keine Lebensmitteleinkäufe oder Miete zahlen. Im Verlauf Ihres Studiums belegte sie Seminare bei Monika Rinck, Nadja Küchenmeister und Kathrin Röggla, zum Beispiel über bestimmte Textgattungen oder die Figur des „Ich“ in fiktionalen Texten. In Kolloquien bringen Studierende ihre Texte mit, um darüber zu sprechen, wie in einer Textwerkstatt.

Das Schreibstudium bringt Fatima Khan aber auch in einen Konflikt. Der literarische Kanon war bisher bürgerlich, weiß und männlich dominiert. „Auch an diesen Institutionen wurden und werden größtenteils Menschen aus diesen Milieus angenommen. Insofern wurde lange eine bestimmte Art von Literatur herangezüchtet, auch wenn sich das langsam ändert.“ Sie müsse sich die Frage stellen, welche Kritik sie annimmt und inwieweit sie dem Feedback vertraut, das sich auch aus einer Prägung speist, die sie kritisch sieht. „Mir geht es darum, meine eigene Stimme zu finden.“

Wie sieht die Literatur der Zukunft aus?

Und wie sieht die Literatur der Zukunft nun aus? Fatima Khan sieht einen Wandel, der sich nur langsam vollzieht. „Es sollen endlich die Menschen zu Wort kommen, deren Geschichten bisher nicht erzählt worden sind: Menschen aus der Arbeiterschicht, nicht-weiße und queere Frauen und Personen. Gleichzeitig darf diese Literatur nicht nur auf Aspekte wie Identität reduziert werden, sondern muss auch auf ästhetische und intellektuelle Bezugspunkte hin rezipiert werden.“

Und welche Entwicklungen sehen die Professorinnen? Was KI angeht, sind die beiden Professorinnen eher skeptisch. Für Kathrin Röggla und Monika Rinck wird Mehrsprachigkeit eine größere Rolle spielen. Gemeinsam haben sie die Vision, dass Literatur stärker in die Stadt ausgreift, „zum Beispiel mit einer Lunch Lecture“. Da würde man den Menschen die Literatur in die Stadt bringen. Natürlich mit Verpflegung. „Aber die Stullen müssen gut sein.“

Groß ist auch der Wunsch, dass sich die Zusammenarbeit der Institute in Hildesheim, Leipzig, Wien und Köln auch mit solchen Events fortsetzt. Findet „Schreiben, was kommt“ also nächstes Jahr nochmal in Köln statt? „Zumindest nicht im nächsten Jahr“, sagt Röggla und lacht. „Der Ball liegt jetzt bei den anderen Instituten.“

Zur Veranstaltung

Schreiben, was kommt. 6. bis 8. Juni im Stadtgarten und im Filmhaus. Tagestickets für 16 Euro (ermäßigt 11 Euro), Tickets für Einzelveranstaltungen 6 Euro. Alle Infos gibt es hier.