Shahak Shapira im Interview„Comedians gehören keinesfalls in die Politik“
- Shahak Shapira hält es für ein alarmierendes Signal, dass es immer mehr Comedians in die Politik schaffen. Das beeinflusse Comedy zum Schlechten. Die Leute verlangten von ihr mehr, als sie leisten könne.
- Der in Israel und Sachsen-Anhalt aufgewachsene 31-Jährige fühlt sich oft unverstanden: „Ich habe das Gefühl, ich passe in diese Gesellschaft nicht so richtig rein, aber ich passe auch in keine andere."
- Er will nicht nach der Quotenpfeife tanzen und hat das Gefühl, nicht das große Mainstream-Publikum ansprechen zu können.
Herr Shapira, vor kurzem hätten Sie sich fast für „Die Partei“ als Kandidat für die OB-Wahl in Hannover aufstellen lassen. Es ist doch auffällig, dass es viele Comedians tatsächlich weit in der Politik gebracht haben.
Comedians gehören eigentlich keinesfalls in die Politik. Dass aber immer mehr das schaffen, ist ein alarmierendes Signal. Es beeinflusst auch Comedy zum Schlechten. Die Leute behandeln Politiker wie einen Witz und Comedians wie Politiker. Sie verlangen von Comedy mehr, als sie leisten sollte und kann. Sie suchen bei Comedians nach Antworten und einem moralischen Kompass, der dort nichts zu suchen haben sollte. Das verunstaltet Comedy.
Politiker wie Trump oder Boris Johnson wirken ja fast selbst schon wie Comedians.
Aber das Problem ist ja, dass die nicht finden, dass sie Comedy machen. Letztendlich ist es entscheidend, ob man die Dinge ernst meint, die man sagt, oder ob man das als Witz macht. Mir geht es bei Comedy ohnehin nicht darum, mich zu sehr mit anderen zu beschäftigen, sondern mit mir selbst, wie ich selbst die Dinge wahrnehme, wie sie auf mich wirken.
Wie viel muss man denn auf der Bühne von sich selbst preisgeben?
Es ist jedem selbst überlassen. Bei mir ist es manchmal zu viel. Das sage ich als jemand, der seine eigene Psychotherapie vor der Kamera gemacht hat. Aber man muss ein Stück von sich mitgeben als Comedian. Das ist das, was dich ausmacht. Es gibt viele Stand-up-Comedians, die sehr gut, aber nicht bereit sind, von sich etwas preiszugeben. Bei Comedy geht es immer darum, rauszufinden, wer man ist. Wie sagt man Dinge so, dass man der einzige ist, der sie so sagen kann? Ich bin immer noch dabei, das herauszufinden. Manches hängt von meiner Herkunft ab, manches von der Art, wie ich denke. Ich glaube, letzten Endes will man nur verstanden werden.
Fühlen Sie sich oft unverstanden?
Ich habe das Gefühl, ich passe in diese Gesellschaft nicht so richtig rein, aber ich passe auch in keine andere. Und ich stehe auf der Bühne und möchte dem Publikum erlauben, sich in meine Lage zu versetzen, um Empathie zu bekommen. Das ist ein normaler, grundmenschlicher Wunsch. Comedy hilft mir, das zu machen. Und es ist schön zu merken, dass man doch viele Ähnlichkeiten hat und die Leute in der Lage sind, meine Position nachzuvollziehen.
Wenn man viel von sich preisgibt, trifft einen Kritik doch vermutlich besonders, oder?
Kritik lässt mich nicht kalt. Sie macht mich schon sauer. Ist es schlimm, betroffen zu sein, wenn ich die Kritik nicht berechtigt finde? Es gibt berechtigte Kritik und es gibt halt auch Unsinn. Nicht jede Kritik ist fundiert.
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Was ärgert Sie denn besonders?
Ich hab einfach keinen Bock, als jüdischer Comedian wahrgenommen zu werden. Ich bin Atheist. Ich spreche viel über Israel, weil es Teil meiner Herkunft ist. Das ist wahr, das ist, was ich bin. Ich finde meine Perspektive ja auch sehr interessant. Ich mache zum Beispiel ein Stück über Terror. Weil ich da von einer Perspektive spreche, von der aus keiner in der deutschen Comedy sprechen kann.
Sie ärgern sich auch über manche Kritiken über die erste Staffel Ihre ZDFneo-Sendung „Shapira Shapira“?
Manche, ja. Ich halte einfach die Art, wie sich die Presse mit neuen Comedysendungen beschäftigt, für destruktiv. Erst wird eine Sendung total aufgebaut. Sofort in der ersten Folge muss es eine Revolution des Humors sein.
Aber Kritiker haben doch das Recht, das nicht lustig zu finden.
Klar, aber was ist diese Aussage wert? Ich finde so viele Dinge unlustig und schreibe trotzdem keine Artikel darüber. Geht Ihnen diese bescheuerte Humor-Kritik und diese Deutungshoheit darüber, was lustig ist und was nicht, nicht langsam auf den Sack? Ich finde das nur noch nervig. Man kann letztendlich Dinge nur lustig finden, wenn man überhaupt unterhalten werden möchte. Ich bin der Headautor meiner Sendung. Das gibt mir völlige Kontrolle über alles, was super ist, aber auch Nachteile hat. Leute, die nicht geschrieben haben, was sie machen, sind dann vielleicht auch nicht so betroffen. Ich gebe eben alles von mir. Deshalb nehme ich eben auch vieles persönlich und reagiere empfindlich, wenn ich das Gefühl habe, man würde meiner Arbeit unrecht tun.
Die Quoten waren ja auch nicht so richtig gut.
Joa. Wen juckt’s? „Bauer sucht Frau“ hat geile Quoten, aber ich würde trotzdem keine Dorfschönheiten aus Brandenburg daten, um mitzuhalten. Das Internet ist uns wichtiger als irgendwelche Einschaltquoten, und es ist keine gesunde Einstellung, nach der Quotenpfeife zu tanzen. Ich habe ohnehin nicht das Gefühl, dass ich das große Mainstream-Publikum anspreche, mit dem, was ich mache. Auch wenn ich es will. Aber ich muss gestehen, dass ich die Comedy, die wirklich die Massen in Deutschland anspricht, oft nicht verstehe. Vielleicht liegt es auch an mir, weil ich aus einer anderen Kultur komme. Ich glaube aber, dass es Raum und Bedarf für etwas Neues gibt, und ich möchte gerne Teil davon sein.
Sie stehen auch mit einem englischsprachigen Programm auf der Bühne. Unterscheidet sich deutscher Humor von dem anderer Nationen?
Der deutsche Humor unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht. Beim englischsprachigen Publikum erlebe ich eine Leichtigkeit, die ich beim deutschsprachigen vermisse. Das deutsche Publikum muss man manchmal ans Comedyziel tragen, im wahrsten Sinne zum Lachen bringen. Das kann manchmal ermüdend sein. Allerdings ist es bei uns im Studio und bei meinen Shows auch überhaupt nicht so.
Zur Person
Shahak Shapira (31) wuchs in Israel auf und zog im Alter von 14 Jahren mit seiner Familie nach Sachsen-Anhalt. Er lebt in Berlin und arbeitet als Comedian, Autor und Musiker. Im April lief die erste Staffel seiner Stand-Up- und Sketch-Comedy „Shapira Shapira“ bei ZDFneo. An diesem Dienstag, 23.15 Uhr, startet die zweite.