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Auch Landliebe macht blindSimone Niewegs Bilder in der Photographischen Sammlung

Lesezeit 3 Minuten
Eine Schubkarre steht auf einer Wiese vor zwei blauen Wassertonnen.

Die Fotografin Simone Nieweg zeigt in Köln ihre Garten- und Naturbilder: „Landschaft mit Gemüsebeeten und Schubkarre“.

Warum wird man mit Bildern langweiliger Gärten und Landschaften berühmt? Simone Nieweg gibt in ihrer Kölner Ausstellung eine überzeugende Antwort.

Auf den Bildern Simone Niewegs gibt es nichts, was es auf dem Land nicht an jeder Biegung oder hinter jeder Mulde zu sehen gäbe. Da stehen Pfirsich- und Walnussbäume etwas krumm in Reih und Glied herum, eine Schubkarre schmiegt sich auf einem Gemüsebeet an zwei blaue Wassertonnen und eine dösige Morgensonne müht sich redlich, am Rande eines Ackers ein Blumenfeld zu wärmen. Auf schöne Landschaften wartet man bei Nieweg vergeblich, sie richtet ihre Kamera grundsätzlich nur auf jene Randgebiete der Natur, in der ein nicht gerade verschwenderischer Gestaltungswille sprießt.

Simone Nieweg wird für ihre methodische Besessenheit bewundert

Trotzdem begeistern sich Fotoenthusiasten für Niewegs Bilder von Landschaften und Gärten, die sie, nach dem Vorbild ihrer Lehrer Bernd und Hilla Becher, stets in einen milchigen, die Details sanft umschmeichelnden Lichtschein taucht. Sie bewundern die methodische Besessenheit, mit der Nieweg ihrem Thema folgt und in den menschlichen Spuren in Feldern, Kleingärten und Ackerfurchen eine Topographie des stadtnahen Landlebens entdeckt. Verglichen mit den skulpturalen Industriebauten der Bechers sind Niewegs Motive zudem auf geradezu masochistische Weise undankbar; dass die Düsseldorferin in Farbe fotografiert, macht ihre Bilder nur gewöhnlicher.

Jetzt steht man in der Photographischen Sammlung in Köln und sieht sich von Simone Niewegs im Ausstellungstitel versprochenen Pflanzungen, Feldern und Ackerland umzingelt. Mit einer gewissen Erleichterung nimmt man dabei zur Kenntnis, dass die kleingärtnerische Saat in Argenteuil bei Paris nicht anders aufgeht als im Südharz oder in rheinischen Dörfern wie Holzheim oder Willich. Auf der Suche nach agrarischen Allerweltslandschaften, den kleinen, privat bewirtschafteten „Flecken Erde“, ist Nieweg mittlerweile bis nach Hollywood gereist. Aber letztlich wirken die Ortsangaben unter ihren teils auf „Supersize“-Format aufgezogenen Bildern so austauschbar wie die Bilder selbst.

Allerdings geht es hier auch gar nicht um unverwechselbare Naturschönheiten. Die überlässt Nieweg souverän der Sehnsuchtsindustrie, während sie auf ihren menschenleeren Bildern mit den zum oberen Bildrand gerutschten Horizonten das Handwerkliche in der Landliebe entdeckt. Sie arbeitet in Serien, reiht Aufnahmen von kleinen Ackerfluren, Bäumen, Gemüse oder Gartenhütten aneinander, die sie nach mehr als 30 Jahren im Feld leicht zu beweiskräftigen Sammlungen zusammenfassen kann. Gerade weil keine selbst gezimmerte Wellblechlaube der anderen gleicht und kein Strauch dem anderen, findet man das alles am Ende beinahe paradiesisch.

Gelegentlich werden Niewegs Aufnahmen mit impressionistischer Malerei verglichen. Auch deren Schöpfer suchten das Besondere im Alltäglichen und erreichten so eine Schnappschussqualität, die der Fotografie von Natur aus innewohnt. Gleichwohl lassen sich heute die allerwenigsten Fotografen von maroden Gartenhäuschen oder einer Fallobstwiese vor Baumfragment bezaubern. Nieweg bleibt hingegen dem Schrebergarten ihrer Oma treu. Sie macht eine Kunst daraus, das, was vor der eigenen Haustür liegt, nicht aus den Augen zu verlieren.

Eine Kastanie ohne Laub steht in der Landschaft.

August Kotzschs Aufahme einer Edelkastanie entstand etwa 1865. Sie ist derzeit in der Photographischen Sammlung in Köln zu sehen.

Einer der geistigen Urgroßväter dieser Kunst war August Kotzsch (1836-1910), dessen Albuminabzüge die Photographische Sammlung in einer Kabinettausstellung zeigt. Kotzsch lebte als professioneller Fotograf in einem Dorf bei Dresden, dessen Alltag die Hauptrolle in seinen Bildern spielt. Man sieht kleine Gehöfte, Bauern und Bäuerinnen bei der Arbeit oder in die Brust geworfen mit ihrem Vieh, ortsübliche Landschaften, Gärten und Gemüse. Seine Pflanzenporträts vor grauem Grund weisen bereits auf Karl Blossfeldts botanische Studien voraus, während seine Aufnahmen von Gestrüpp vor Gartenlaube die Nieweg’schen Arbeiten als Vollendung einer reichen Tradition erscheinen lassen.


„Simone Nieweg – Pflanzungen, Schuppen, Ackerland. Von der Arbeit in der Natur“, Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, Köln, Do.-Di. 14-19 Uhr, 8. September 2023 bis 21. Januar 2024. Der Katalog zur Ausstellung kostet 34 Euro.