Skandal-KabarettistinWarum Lisa Eckharts Roman öder als jede Dorfkindheit ist
- Nach dem Streit um ihre Ausladung von einem Literaturfestival findet sich Lisa Eckhart in den Bestsellerlisten wieder.
- Doch „Omama“ hält nicht, was die Debatte verspricht. Das Buch liest sich eher wie ein Kommentar-Track zu einem Roman.
- Unsere Rezension.
Köln – Die Autorin ist verstopft. Kaum, dass sie die Welt, beziehungsweise ihren Roman, betreten hat. „Offenbar sah ich nicht ein“, interpretiert sie aus 27-jähriger Ferne das eigene Säuglings-Ich, „von der ausreichend unwürdigen Existenz eines uteralen Mitessers sogleich mit der nächsten Unzumutbarkeit des menschlichen Daseins konfrontiert zu werden – jener, fortan tagtäglich zu koten, die herrlichsten Speisen zu Stuhl zu entstellen und in Scham zurückgezogen aus meinem Leib zu exorzieren.“
Worauf die Mutter ihrer Mutter ein Stück Seife in Zäpfchenform schnitzt und... ein fast 400 Seiten starker Erguss folgt, der sich durch keinen auktorialen Schließmuskel bremsen lässt.
Die Autorin heißt Lisa Eckhart. Was insofern verwirrend ist, als „Lisa Eckhart“ eigentlich nur als Bühnenfigur der österreichischen Kabarettistin Lisa Lasselsberger existiert. Wer also schreibt hier eigentlich? Klar ist nur, dass der Debütroman einer Lisa Lasselsberger kaum das Maß an Erregung ausgelöst hätte, welches „Omama“ nun auf die vorderen Ränge Spiegel-Bestsellerliste katapultiert hat.
Es geht nicht ohne die Vorgeschichte: Das Hamburger Harbour Front Literaturfestival hatte die Jungautorin zuerst ein-, dann aus-, dann wieder eingeladen. Nach der ersten Einladung hatten sich zwei andere Autoren geweigert, zusammen mit Eckhart aufzutreten, mit Verweis auf Äußerungen der Kabarett-Figur, die sie als antisemitisch empfanden. Dazu mussten sie nicht mal besonders empfindlich sein: Eckhart löckt lustvoll gegen jeden guten Geschmack, bedient sich dazu freimütig aus der Mottenkiste rassistischen und sexistischen „Humors“ und verweist anschließend darauf, dass es sich ja um Satire handele.
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Als ihr dann noch der Auftrittsort absagte, mit dem raunenden Hinweis, man könne nicht für die Sicherheit der Autorin garantieren, hatte Deutschland endlich seine große Cancel-Culture-Debatte. Die sich auch von der Enthüllung nicht mehr aufhalten ließ, dass keine reale Bedrohung existierte.
Wäre all das nicht gewesen, man müsste über „Omama“ nicht allzu viele Worte verlieren. Lasselsberger ist sprachlich hochbegabt, kein Zweifel, aber das ändert nichts daran, dass es sich bei „Omama“ weniger um einen Roman als um einen Kommentar-Track zu einem Roman handelt. Eigentlich will sie die – fiktional aufgepimpte – Geschichte der Großmutter erzählen. Nicht derjenigen mit dem Seifenzäpfchen, die ist nur vier Tage nach ihrer einzigen Heldentat gestorben, sondern Helgas, der Oma väterlicherseits. Die wiederum gilt ihren Eltern als hässliche Nachgeburt ihrer hinreißend dummen Schwester.
Wir begegnen Helga kurz nach Kriegsende. Der Russe kommt und alles, was sich die spätere Omama wünscht, ist von den sexuell ausgehungerten Soldaten vergewaltigt zu werden. Da haben wir ihn: den „bösen“ Humor der Skandal-Kabarettistin. Er entpuppt sich als reichlich banal, geprägt von dem Freiheitsdrang nietzscheanischer Pubertierender, jetzt einfach mal alles Unsagbare sagen und alle Werte umwerten zu wollen. Da muss man durch. Um es hinter sich zu lassen. Die Autorin aber suhlt sich in einer rechthaberischen Bosheit, die mit jeder Seite enervierender wirkt.
Heiliger Dorfdepp
Dabei sind die Vignetten von heiligen Dorfdeppen, aufgeblasenen Bürgermeistern und zündelnden Feuerwehrhauptmännern, die Eckhart am weiteren Schicksal der Omama aufreiht, durchaus gelungen, ihr Slapstick-Witz erinnert an das gallische Dorf von Goscinny und Uderzo. Leider fällt Eckhart dann immer wieder ein, dass sie viel lieber Elfriede Jelinek wäre und ihren Landsleuten sprachspielend unbequeme Wahrheiten hinter die Ohren schreiben möchte. Im Gegensatz zur Nobelpreisträgerin hat sie aber nichts zu sagen. Bestenfalls gelingen ihr nette Stand-up-Sottisen wie „Wenn sich die Schönheit vom Lande mal aufhübscht, bleibt von der Schönheit nicht viel übrig, aber umso mehr vom Land“. Schlechtestenfalls landet sie bei jener Art reaktionärer Bauernschläue, die den deutschen Durchblicker-Humor zwischen Dieter Nuhr und Mario Barth prägt: „Früher war alles besser, weil man wusste, wie schlecht alles war.“
Männer sind Schweine, Frauen auch. Die Welt bleibt, wie sie immer war, und das beweise ich, in dem ich jetzt zehnmal hintereinander „Neger“ schreibe. Das ist öder als jede Dorfkindheit.
Lisa Eckhart: „Omama“, Zsolnay, 384 Seiten, 24 Euro