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So war der „Tatort“Kommissare mit der Impulskontrolle eines Dreijährigen

Lesezeit 3 Minuten
ARD/SR TATORT: DER FLUCH DES GELDES, am Sonntag (28.01.24) um 20:15 Uhr im ERSTEN.
Leo hat eine Wette verloren: (v.l.n.r.) Betty Henschel (Susanne Bormann), Taleb Hamsa (Omar El-Saeidi), Dino Callas (Daniel Zillmann), Hauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov)

Leo hat eine Wette verloren: (v.l.n.r.) Betty Henschel (Susanne Bormann), Taleb Hamsa (Omar El-Saeidi), Dino Callas (Daniel Zillmann), Hauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov)

Aus Saarbrücken kam mal wieder ein „Tatort“, der lieber ein Tarantino-Film wäre. Unsere Kritik.

Nichts geht mehr: im saarländischen „Tatort“ „Der Fluch des Geldes“ flirren die Roulettekessel wie weiland in Martin Scorceses Las-Vegas-Epos „Casino“. Doch vor der überambitionierten Spielothek herrscht architektonische 80er-Jahre-Ödnis. Es grüßt die westdeutsche Provinz. Kriminalhauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) versucht hier, eine Viererbande von Glücksspielern zu unterwandern, die er verdächtigt, durch rücksichtsloses Fahren den Tod einer alten Dame verursacht zu haben.

Wie Hölzer nach einem Streit mit seinem Kollegen und Kindheitsfreund Adam Schürk (Daniel Sträßer) zum Beinahe-Zeugen des Unfalls wurde und wie schnell er von dem Quartett ins Vertrauen gezogen wird, das sich die Zeit mit gegenseitigen Verdächtigungen vertreibt, strapaziert die Glaubwürdigkeit des Krimis. Der will diesmal eher ein Thriller sein und Drehbuchautor Hendrik Hölzemann erfüllt die üblichen „Tatort“-Konventionen – die Zusammenfassung für die Staatsanwaltschaft und Menschen, die zu spät eingeschaltet haben, die persönliche Motivation des Ermittlers – mit maximaler Wurstigkeit.

Grober Unfug mit kindischen Wetten

Und der Thriller-Teil? Zieht erst ganz zum Ende ein wenig an, wenn aufgedröselt wird, wer wen wie betrogen hat. Hölzemann lässt die scheinbar Schwächste des Quartetts mit einem dicken Batzen Geld davonkommen. Was okay ist. Aber wie egal dies dann den beiden Kommissaren ist, da muss man schon schlucken. Vor allem, weil Leo Hölzer in den vorangegangenen 80 Minuten Kopf und Kragen riskiert hat, um die Unfallfahrer zu überführen. Und das auf dümmstmögliche Weise, mit der Impulskontrolle eines Dreijährigen.

Offensichtlich befinden wir uns in einer Parallelwelt, in der sich Ermittler wie die verlorenen Jungs aus „Peter Pan“ benehmen, oder wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn nach der Hot-Chip-Challenge. In der eine Spielsüchtige mit Kinderwunsch (Susanne Bormann), ein übergewichtiger Einbrecher (Daniel Zillmann), ein hitzköpfiger Kontrollfreak (Omar El-Saeidi) und eine gleichgültige Heroin-Schnupferin (Jasmina Al Zihairi) beste Freunde sind und sich die Zeit mit kindischen Wetten – Wer kann am längsten die Luft anhalten? – zu hohen Einsätzen vertreiben.

Das bleibt grober Unfug, bis am Ende die einzelnen Motivationen und Handlungsfäden zum tödlichen Ausgang verknüpft werden. Schnallen Sie sich besser an.

ARD/SR TATORT: DER FLUCH DES GELDES, am Sonntag (28.01.24) um 20:15 Uhr im ERSTEN.
Hauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov,re.) ermittelt auf eigene Faust. Die erste Spur führt ihn ins Spielcasino.
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Hauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov, r.) ermittelt auf eigene Faust im Spielcasino.

Der Kontrollfreak setzt der Heroinbraut den goldenen Schuss. Aber nur, weil ihn seine Lebensgefährtin dazu aufgefordert hat, als Liebesbeweis für eine gemeinsame Zukunft mit Kind. Ihre Schwangerschaft wiederum ist das Ergebnis einer Liebesnacht mit dem Einbrecher. Denn der Kontrollfreak ist unfruchtbar und der übergewichtige Einbrecher in die scheinbar Unerreichbare verliebt. Kommen Sie noch mit?

Den vorgetäuschten Drogentod hat die Schwangere als Beweis für die Polizei mit dem Handy aufgenommen, Rache für Jahre voller Schläge. Vom verliebten Samenspender lässt sie sich das Wetteinsatzgeld direkt ans Flughafen-Gate bringen, wo sie ihm Schlafmittel in den Kaffee streut und lieber alleine boardet. Den größten Anteil des Geldes wiederum hat Kommissar Hölzer selbst gestiftet hat, es stammt aus dem letzten Bankraub des kriminellen Vaters vom Kollegen Schürk. Der nimmt's mit Humor. Und das sollten die Zuschauenden besser auch tun. Die Unfalltote ist da längst vergessen.

„Tatort“-Folgen, die eigentlich lieber ein Tarantino-Film sein wollen, bilden längst ein eigenes Subgenre. Oft enden sie wie hier in einem seltsamen Zwischenreich. Wenn man das Kriminalistische zum Fenster hinauswirft, müsste es schon ein bisschen spannender, lustiger, durchgeknallter sein. Und wenn man seinen Protagonisten die Stress-Daumenschrauben ansetzt, sollten die psychologisch nachvollziehbare Entwicklungen durchmachen. Stattdessen will uns Hölzemann glauben machen, dass sich Omar El-Saeidis Frauenschläger plötzlich willentlich für das ungeborene Kind opfert, das gar nicht von ihm stammt. Oder dass sich Susanne Bormanns fragile Spielsüchtige im Nachhinein als krimineller Mastermind entpuppt.

Schlicht eine Unverschämtheit ist, wie die weibliche Hälfte des Saarbrücker Kommissar-Quartetts, gespielt von Brigitte Urhausen und Ines Marie Westernströer, mit Telefondienst und gelegentlichem Quengeln abgespeist werden. Ein Vorschlag zur Güte: Feuert die aufgekratzten Bübchen und lasst die Frauen ermitteln.