Der Tod einer Gutachterin führt die Freiburger Ermittler im neuen „Tatort“ in eine forensische Klinik – und zu einer dysfunktionalen Familie.
So wird der „Tatort“Dieser Krimi aus der Forensik funktioniert anders
Es ist ein interessanter Schauplatz, an den der neue Schwarzwald-„Tatort“ führt – aufgrund der Pfingstfeiertage allerdings erst am Montagabend in der ARD. Anders als der Titel „Letzter Ausflug Schauinsland“ vielleicht vermuten lässt, geht es nicht auf den bei Touristen beliebten Freiburger Hausberg „Schauinsland“.
Stattdessen steht eine forensische Klinik im Mittelpunkt. Dort werden verurteilte Straftäter mit psychischen Erkrankungen untergebracht und begutachtet. Klingt scheinbar gefährlich. Ist es an manchen Stellen auch. Und doch wirkt das Klinikleben überraschend friedlich. Es wird gekocht, gehandwerkt, der Rasen gemäht, zusammen Zeit verbracht: ein „Kindergarten für Erwachsene“, wie es im „Tatort“ heißt.
„Tatort“: Viele Verdächtige und noch mehr Trubel
Aber die vermeintliche Ruhe der Klinik wird jäh gestört – nämlich durch die Freiburger Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner). Sie haben die Psychiaterin und Gutachterin Dr. Lisa Schieblon nahe des besagten Schauinsland-Berges erdrosselt im Kofferraum ihres Autos gefunden. Merkwürdig ist jedoch: An der Leiche lassen sich keine Kampfspuren finden.
Die ersten Ermittlungen der Kommissare ergeben: Die Tote hatte zuletzt an einem Gutachten gearbeitet, um den seit vielen Jahren in der forensischen Klinik inhaftierten Gewalttäter Hansi Pagel (Rüdiger Klink) freizusprechen. Schieblon war der Überzeugung, von Pagel gehe keine Gefahr mehr aus. In ihrem Auto fanden die Ermittler einige Haare von eben jenem Pagel. Ein Hinweis? Der Verdächtige bestreitet jede Schuld, wird beim Verhör aggressiv und muss vom Klinikpersonal ruhig gestellt werden. Doch es stellt sich den Kommissaren ohnehin die Frage, wieso Pagel jemanden umbringen sollte, der für seine Freiheit kämpfte?
Das Gutachten von Schieblon stieß, wie Tobler und Berg erfahren, allerdings auf wenig Gegenliebe in Pagels Umfeld. Die Oberärztin der forensischen Klinik, Gisela Tausendleben (Ulrike Arnold), widerspricht der Diagnose der Gutachterin vehement. Und auch Hansi Pagels Ex-Frau Andrea (Angelika Richter) und Sohn Leo (Anton Dreger) waren wütend auf die Tote. Sie haben an der Persönlichkeitsstörung und den Gewalttaten des Vaters sichtlich gelitten und möchten, dass Hansi nie wieder zur Familie zurückkehrt.
Sind die Kommissare auf der richtigen Spur? Der Fall verschärft sich, als Hansi Pagel plötzlich beim Handwerken zusammensackt und in Lebensgefahr schwebt. Und eine Telefonnummer in den Unterlagen der Toten wirft dann ein ganz neues Licht auf den Fall.
Vielschichtiger Krimi zwischen Schwarzwald-Idylle und skurrilem Klinikalltag
Obwohl der „Tatort“ mit düsteren Bildern startet, kann Regisseur Stefan Krohmer (Drehbuch: Stefanie Veith) die Atmosphäre der Schwarzwald-Region ebenso gelungen in Szene setzen wie die forensische Klinik. Dieser Krimi funktioniert anders, kommt mit vielen Akteuren und Handlungssträngen daher und schafft es außerdem, die psychischen Erkrankungen der Inhaftierten weder despektierlich noch klischeehaft zu erzählen.
Erwähnt werden muss dabei insbesondere die Rolle des emotional anfälligen und unbeholfenen Zimmergenossen von Hansi Pagel: Milan Vujicic (Bekim Latifi), der im Krimi mehrmals panisch um „Hilfe“ schreien wird. Außerdem sieht er ein Echsenwesen, das ihn bedroht (er nennt es „Drache“). Schräg? Definitiv. Aber passt in eine psychiatrische Einrichtung. Und irgendwie auch zu diesem rätselhaften „Tatort“.