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Stadt Köln kürzt bei Kulturförderung„Eine Katastrophe mit Ansage“

Lesezeit 9 Minuten
Nicola Benedetti, italienische Violinistin auf dem Acht-Brücken-Eröffnungskonzert 2023

Nicola Benedetti, italienische Violinistin auf dem Acht-Brücken-Eröffnungskonzert, im Jahr 2023

Dem Acht-Brücken-Festival, der Akademie der Künste der Welt und vielen Initiativen und Festivals der freien Szene droht das Aus, der Eintritt in die Museen soll teurer werden.

Seit Monaten spekuliert die Kölner Kulturszene, wer auf der Streichliste des Kulturdezernenten steht; jetzt haben die Betroffenen wenigstens Gewissheit. Stefan Charles leistet seinen Betrag zum städtischen Sparprogramm, das eine drohende Überschuldung verhindern soll. Bei der Vorstellung des Haushaltsplanentwurfs hatte Stadtkämmerin Dörte Diemert eine Zukunft skizziert, in der auch die Schätze der Kölner Museen nicht mehr den Bürgern, sondern den Gläubigern der Stadt gehören.

Acht Brücken

Das prominenteste Kulturopfer ist das Festival Acht Brücken. Zum 15. soll es im kommenden Mai stattfinden, 450.000 Euro sind als Betriebskostenzuschuss für 2025 eingeplant, für 2026 hingegen ist keine städtische Unterstützung geplant. „Es ist äußerst bedauerlich, dass sich die Stadt Köln von Acht Brücken trennen will“, sagt Louwrens Langevoort, Gesamtleitung und Geschäftsführer der Achtbrücken GmbH und Intendant der Kölner Philharmonie. Das Festival spiele eine bedeutende Rolle in der zeitgenössischen Musikaufführung - und -bewahrung und sei zu einer international bekannten Marke geworden. „Gerade Köln mit seiner besonderen Beziehung zur zeitgenössischen Musik braucht so ein Festival. Wir hoffen, dass alle diese Argumente in der politischen Diskussion aufgegriffen werden.“ Ein Drittel des Budgets kam bisher von der Stadt, nun müssen die Verantwortlichen prüfen, wie es mit den Förderungen durch das Land NRW und die Kunststiftung NRW verhält, wenn die Stadt Köln ihren Zuschuss streicht.

Akademie der Künste der Welt

Auch der Kölner Akademie der Künste der Welt, die von der Stadt aktuell mit 981.000 Euro gefördert wird, droht das Aus. Offenbar soll die Akademie im kommenden Jahr abgewickelt werden (es stehen für 2025 noch 380.000 Euro bereit), 2026 sinkt die Fördersumme auf null Euro. Bei der Akademie heißt es auf Anfrage, man sei „schockiert über den Umfang der Kürzungen“ und werde das konstruktive Gespräch mit Politik und Verwaltung suchen. Zwar finanziere sich die Akademie auch durch Drittmittel und eine Landesförderung. Gleichwohl sei man durch die Einsparung in der Existenz bedroht.

Gegründet wurde die Akademie 2012 von der Stadt Köln auf Anregung des Autors Navid Kermani. Sie soll die kulturelle Vielfalt der Stadt darstellen und für internationalen Austausch sorgen, als Mitglieder wurden unter anderem Rosemarie Trockel, Walid Raad, Liao Yiwu und Galit Eilat gewonnen. Allerdings war die mit großen Ambitionen (und einem Jahresbudget von einer Million Euro) gestartete Akademie zunächst vor allem mit sich selbst beschäftigt; erst nach Personal- und Strukturwechseln konnte der Betrieb aufgenommen werden. Unter Ekaterina Degot als künstlerische Leiterin bekam die Akademie mit dem Academyspace einen festen Ort und gründete mit der „Pluriversale“ ein Festival für die Themen Migration, Globalisierung und Identität. In der freien Kulturszene war die auskömmlich finanzierte Akademie gleichwohl stets umstritten, und auch in der Stadtgesellschaft, so eine oft geäußerte Kritik, sei sie mit ihren Veranstaltungen niemals angekommen.

Freie Szene in Aufruhr

In großer Sorge ist auch die Freie Szene. Verheerend seien die Ankündigungen, ist von vielen Seiten zu hören. „Der Entwurf des Doppelhaushalts 2025/2026 sieht eine Steigerung der Ausgaben für Kultur insgesamt vor. Allerdings sehen wir bei der freien Kulturszene eine Verminderung der Förderung um mehr als 20 Prozent“, sagt Bettina Fischer für den geschäftsführenden Vorstand KulturNetzKöln e.V. „Wenn dieser Haushalt bestätigt wird, diese überproportionale Verminderung der freien Szene wird eine Vielzahl von Kölner Kulturangeboten aller Kultursparten die Kürzungen nicht überleben – und die so lebendige und vielseitige freie Kulturszene Kölns, auf die diese Stadt mit Recht immer Stolz sein konnte, ist Vergangenheit. Eine Katastrophe mit Ansage. Wir fordern Verwaltung und Politik auf, dieses mittlere Erdbeben von der freien Szene abzuwenden.“

Kinder- und Jugendbuchtag vor dem Aus

Eng wird es in allen Sparten, etwa in der Literatur. Dort entfällt etwa der Zuschuss für die Gemeinschaftsprojekte der Literaturszene Köln e.V. in Höhe von 30.000 Euro für 2023 und 2024 ab 2025 vollständig. „Die Literaturszene Kölns hat sich in den letzten Jahren großartig entwickelt, viele neue Strukturen und Veranstaltungsformate sind entstanden, junge Schreibende haben sich auch deshalb für Köln entschieden“, sagen die Vorstandsvorsitzende Ute Wegmann und Bettina Fischer als Leiterin des Literaturhauses. Die Szene sei – auch dank der Förderungen seitens der Stadt – gewachsen, habe sich vernetzt und sei sichtbar geworden. Die nun im Haushaltsentwurf vorgeschlagenen Kürzungen von mehr als 18 Prozent seien eine harte Zäsur. „Wenn das so bestätigt werden sollte, wird es eine Reihe von Veranstaltungen künftig nicht mehr geben können: Für den außerordentlich erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchtag bedeuten die geplanten Kürzungen das Aus und die Crime Cologne ist massiv gefährdet. Die Vielfalt der Angebote, bei denen man Literatur – auch aus Köln – begegnen kann, wird schrumpfen. Wir wollen alles tun, um das abzuwenden“, so Wegmann und Fischer.

Große Sorge in der Musikszene

Auch die sehr vielfältige Musikszene jenseits von Acht Brücken ist in Aufruhr. Janning Trumann, Direktor der Cologne Jazzweek, muss erst einmal verkraften, dass nach einer Förderung von jeweils 250.000 in 2023 und 2024 ab 2025 kein Geld mehr eingeplant ist. Die Jazzweek hat Kölns Jazzszene neue Impulse gegeben, auch der Jazzpreis konnte nach Köln geholt werden. Nun muss Trumann, wie viele andere, darauf hoffen, wie im vergangenen Haushalt Geld aus der Kulturförderabgabe (KFA) zu erhalten. Ob das gelingt, ist aber unsicher, langfristige Planungen seien so nicht möglich, zumal das Geld aus der KFA immer im selben Jahren abgerufen werden müsse, betont er: „Dieser Entwurf ist ein Armutszeugnis. Ich hätte mir von dem Dezernenten gewünscht, dass er deutlich macht, was förderwürdig ist. Das ist ein Haushalt ohne Schwerpunkte und ohne Perspektiven.“ Selbst wenn er – und viele andere – noch Geld aus der KFA erhalten, sei er im Prinzip planungsunfähig, da selbst im besten Fall erst im Frühjahr feststehe, wie viel Geld sie bekommen: „Gute Arbeit und erfolgreiche neue Projekte werden nicht gewürdigt. Es ist frustrierend.“

Sun-Mi Hong bei der Cologne Jazzweek 2024

Sun-Mi Hong bei der Cologne Jazzweek 2024

Thomas Gläßer von der Initiative Freie Musik (IFM) ist ebenfalls alarmiert: „Wir wissen, dass wir es mit schwierigen Rahmenbedingungen zu tun haben. Aber es ist dennoch bedauerlich, dass es der Kulturverwaltung erneut nicht gelungen ist, die von der Politik - vor allem vom Gestaltungsbündnis aus Grünen, CDU und Volt - unter anderem über die Kulturförderabgabe in den letzten Jahren beherzt gesetzten Impulse zur überfälligen Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Strukturen der freien Szene in ihren Haushaltsentwurf zu übernehmen.“ Die IFM arbeite überaus erfolgreich und werde auch von anderen Städten zu Rate gezogen „und wird gleichzeitig von der überlasteten Verwaltung, der sie an vielen Stellen Arbeit abnimmt, um 50 Prozent gekürzt. Gleichzeitig fehlten zirka 400.000 Euro für die Umsetzung des seit 2020 in einem aufwändigen Dialog zwischen Szene und Kulturverwaltung entwickelten neuen Musikförderkonzepts der Stadt, das unter anderem Festivals, Reihen und Ensembles mehr Planungssicherheit bringen solle. Noch schlimmer trifft es die in den letzten Jahren erfolgreich gestarteten Festivals Cologne Jazzweek, Orbit, Shalom und Oluzayo, das Spitzenensemble Concerto Köln sowie die Kölner Gesellschaft für Neue Musik und den Stadtmusikverband - die allesamt auf Null gesetzt wurden“, so Gläßer.

„Wir reiben uns verwundert die Augen bei so wenig messbarer Wertschätzung für die Leistungen der freien Szene, vor allem angesichts der zeitgleich satten Aufwüchse unter anderem bei den Zuschüssen der Bühnen, auch wenn diese selbst sehr unter dem Opern-Debakel leiden, oder des Gürzenich-Orchesters“, so Gläßer. Nun müsse leider wieder die Politik richten, wozu die Verwaltung nicht in der Lage gewesen sei: „Tatsächlich benötigt werden für die freie Musikszene gegenüber dem Haushaltsplanentwurf zusätzliche 1,1 Millionen EUR für 2024 beziehungsweise 1,5 Millionen EUR, wenn auch wichtige Perspektivprojekte wie die Wiedereröffnung des Weltkulturerbes WDR Studio für Elektronische Musik und ein innovatives Festival für Globale Musik nicht weitere zwei Jahre aufgeschoben werde sollen.“

Klubkomm fürchtet um Lebensqualität in der Stadt

Manuel Moser, Vorstandsmitglied des Vereins für Darstellende Künste Köln, betont ebenfalls die heftigen Einschnitte für die Freie Szene: „Ich bin Grund-Optimist. Ich habe immer Hoffnung, aber ich muss ehrlich sagen, mich hat das auch heute durchaus geschockt. Dass da ganze Festivals und Projekte wegfallen, ist aus unserer Sicht überhaupt nicht akzeptabel.“ Der Verein arbeite jetzt intensiv daran, noch etwas zu verändern: „Aber im Moment ist das eine Katastrophe.“ Dabei lägen die Ausgaben der Freien Szene zusammengenommen im Promillebereich. „Wir retten nicht den Haushalt der Stadt Köln. Trotzdem wird überproportional an der freien Szene gespart. Genau davor haben wir gewarnt, genau das darf eigentlich nicht passieren.“

Laut Haushaltsentwurf soll 2026 auch die Förderung des Zentralarchivs für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (Zadik) auslaufen. Das Institut widmet sich seit 1992 der Erforschung des Kunsthandels und bringt regelmäßig Bände zu prägenden Figuren vor allem der rheinischen Kunstgeschichte heraus. Die Finanzierung des von Kölner Galeristen gegründete und vom Bundesverband der Kunsthändler unterstützten Zadik war stets prekär; 2020 fand sich mit der Universität zu Köln ein rettender Hafen. Das Zadik ist also nicht in der Existenz bedroht; trotzdem dürfte die Streichung von 131.000 Euro einen Schlag ins Kontor darstellen.

Die Eintrittspreise in die Museen steigen

Auf einen weiteren Umzug darf sich das Römisch-Germanische Museum freuen, das 2019 ein Interim im Belgischen Haus bezog. Der bis 2026 abgeschlossene Mietvertrag wird offenbar nicht verlängert. Stattdessen soll das RGM ins Kulturzentrum am Neumarkt gegenüber ziehen, der Heimat von Rautenstrauch-Joest-Museum, Schnütgen Museum und Volkshochschule. Welche Räume das dritte Museum im neuen Bunde beziehen soll, konnte die Stadt am Donnerstag nicht sagen. Stattdessen erhofft sich das Kulturdezernat durch die „kurzen Wege“ höhere Besucherzahlen aller drei Museen. Offenbar traut die Stadt ihren Kulturbesuchern nicht einmal zu, eine Straße zu überqueren. Die Eintrittspreise der Kölner Museen sollen laut Auskunft der Stadt um 1,50 Euro pro Karte steigen. Gleichzeitig sollen die Museen bei höheren Eintrittspreisen mehr Besucher anlocken. Im Kulturdezernat erhofft man sich ab 2029 eine Steigerung der Eintritte auf zwei Millionen pro Jahr; 2023 waren es 736.895. Diese Beinahe-Verdreifachung soll durch eine „strategische und strukturelle Zusammenarbeit“ sowie „eine gemeinsame Marketingstrategie“ der Häuser gelingen.

Große Hoffnungen hatte Kulturdezernent Stefan Charles in ein Zentraldepot der Kölner Museen gesetzt. Es sollte nicht nur die aktuellen konservatorischen Probleme lösen, sondern im Idealfall als Schaulager nach Basler und Rotterdamer Vorbild eine neue Attraktion darstellen. Aus diesen Plänen wird auf absehbare Zeit nichts; stattdessen sollen die Schätze der Museen weiterhin dezentral gelagert werden, aber dafür günstiger als bisher.

Ein ähnliches Schicksal droht der Kunst- und Museumsbibliothek, die 2025 aus ihrem Stammgebäude ausziehen muss und deren Buchbestände danach wohl auf Jahre hinaus provisorisch gelagert werden. Bruno Wenn, Vorsitzender des Kölner Kulturrats, zeigte sich „zutiefst schockiert“ über den Entwurf, zum einen, weil der Kulturrat keine institutionelle Förderung mehr erhalten soll, zum anderen, weil die Kultur in Köln maßgeblich von der freien Szene geprägt werde und diese nun überproportional beschnitten werde: „Das ist eine existentielle Bedrohung.“