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Neue Veranstaltungsreihe von „stimmen afrikas“Taugt Herkunft noch als Kategorie für die eigene Identität?

Lesezeit 4 Minuten
Zu sehen ist die Autorin Lubi Barre. Sie hat lockige, hellbraune Haare und trägt ein beiges Hemd.

Die Autorin Lubi Barre kommt für eine Literaturreihe von „stimmen afrikas“ nach Köln

Eine Literaturreihe von „stimmen afrikas“ beleuchtet ein neues Konzept von Identität. Die Autorin Lubi Barre kommt dafür nach Köln.

Man braucht einen Globus, um Lubi Barres Geschichte nachzuverfolgen. Geboren wurde sie in Paris, sie wuchs aber in Somalia auf und ging dort auf eine arabische Schule. Dann zog sie mit ihren Eltern wegen eines Bürgerkriegs nach Paris, wo sie eine amerikanische Schule besuchte. Nach einem Jahr dort ging es weiter in die USA. Und jetzt lebt die Autorin in Hamburg.

Ein bewegtes Leben für bewegte Zeiten, und damit steht sie nicht allein. In einer globalisierten Welt wird Herkunft für immer mehr Personen zu einer unscharfen Kategorie für das eigene Selbst. Müssen wir Identität also umdenken? Die Literaturreihe „Stimmen Afrikas“ widmet sich dieser Frage mit der Veranstaltungsreihe „Wings with Roots – Dynamic Belongings“, die vom 25. bis zum 27. Juni in Köln stattfindet. Mit dabei sind neben Lubi Barre der Philosoph und Professor an der New York University Kwame Anthony Appiah, die Autorin Fatin Abbas, die Journalistin Liz Shoo und die KHM-Professorin und Künstlerin donna Kukama.

Lubi Barre lebte in Frankreich, Somalia, den USA und Deutschland

Für Lubi Barre war das Umherziehen durch die Weltgeschichte auch mit Schwierigkeiten verbunden. „Ich habe mit neun Jahren angefangen, Tagebuch zu schreiben. Ich kann also nachlesen, vor welchen Herausforderungen ich stand. Ich schrieb, wie dieses ganze Umherziehen mich traurig machte und dass ich dabei war, einige Dinge zu verlieren. Aber mein junger Verstand kannte nicht die Ausmaße dessen, was das bedeuten würde“, sagt die Autorin im Gespräch mit dieser Zeitung.

Trotz dieser Herausforderungen war der Schritt heraus aus der eigenen Kultur wegweisend für sie. „Als ich jung war, war Identität ein Gefängnis. Somalisch zu sein hieß, homogen zu sein. Religion und Kultur sind dort so eng miteinander verwoben.“ Sie habe sich nicht damit identifizieren können, was sie dort vorfand, hatte aber auch nicht die Worte, um zu verstehen, was ihr fehlte. „Ich denke, dass viele heranwachsende Menschen ihre Identität von ihrer Familie vermittelt bekommen. Das macht es komplex und sehr schwierig herauszufinden, wer man wirklich ist.“

Stimmen Afrikas beschreibt das Konzept dynamischer Identitäten

Obwohl sie schon Somali sprach und Arabisch lernte, fand sie ihre Stimme erst mit dem Englischen. „Ich konnte meine eigene Sprache innerhalb des Englischen schaffen.“ Sie begreift Englisch als eine dehnbare Sprache, die sich Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen nicht verschließt. Sie wurde zu ihrer Schreibsprache. „Das Schreiben hat mir sehr geholfen, all diese Komplexitäten zu erforschen. Dieser Ausdruck in der Literatur war mein größtes Geschenk.“

„stimmen afrikas“ engagiert sich dafür, Autorinnen und Autoren vom afrikanischen Kontinent und der Diaspora eine Bühne zu bieten. Christa Morgenrath, Initiatorin und Leiterin von „stimmen afrikas“, spricht dabei ausdrücklich nicht von afrikanischer Literatur, sondern von Literaturen. Schließlich könne man nicht die Werke über einen Kamm scheren, die in 54 Ländern des Kontinents auf 2.000 unterschiedlichen Sprachen entstehen. Sie legt zudem besonderen Wert auf den Austausch mit Menschen aus der afrikanischen Community. „Wir arbeiten zum Beispiel seit einigen Jahren mit der Theodor Wonja Bibliothek zusammen, die in ihren Räumen eine eigene Veranstaltung mit Fatin Abbas anbietet.“

„Wings with roots“ geht auf ein Buch von Kwame Anthony Appiah zurück

Die Idee, mit einer Veranstaltungsreihe den Blick auf dynamische Identitäten zu werfen, geht zurück auf Kwame Anthony Appiahs Buch „Rethinking Identity: The Lies that Bind“. Darin untersucht der Philosoph, wie aussagekräftig Kategorien wie Herkunft, Religionszugehörigkeit, Geschlecht, Nationalität, Hautfarbe oder Klasse für die Identität einer Person sind. „Er erläutert dies unter anderem anhand seiner eigenen Biografie“, sagt Morgenrath. Kwame Anthony Appiah hat eine britische Mutter und einen ghanaischen Vater, er lebt und lehrt aber in den USA. „Als international renommierter Professor ist er viel in der Welt unterwegs und stellt fest, dass seine Identität für andere oft schwer lesbar ist. Das ist beispielhaft für zahllose Menschen, die in unseren globalisieren Gesellschaften mit falschen Zuschreibungen konfrontiert sind.“

Natürlich weist nicht jeder einen Lebenslauf mit drei verschiedenen Heimatorten vor. Umso spannender dürfte der Einblick sein, den die Autorinnen und Autoren bei „Wings with roots“ liefern können. Christa Morgenrath ist überzeugt: „Literatur kann uns dahin mitnehmen, wo wir nicht von selbst hinkommen.“ Und dass die Veranstaltungsreihe in Köln stattfindet, passt nach Ansicht von Lubi Barre ganz hervorragend. „Köln ist bunt und vielfältig. Es ist eine der interessantesten Gegenden Deutschlands überhaupt, ein wahrer Schmelztiegel der Vielfalt. Die Leute dort werden mich verstehen.“

Zur Veranstaltung

„Wings with Roots“, eine Veranstaltungsreihe von „stimmen afrikas“, 25. bis zum 27. Juni. Alle Informationen gibt es hier.