Stormzy im Kölner PalladiumAusrasten mit dem König des Grime
- Der britische Grime-Rapper Stormzy ist am Freitagabend nach drei Jahren Pause wieder in Köln aufgetreten.
- Es wurde ein Abend voller Energie und Ekstase.
- Doch nicht nur seine Musik macht Stormzy zum derzeit bekanntesten und erfolgreichsten Rapper Englands.
Köln – Gute Manieren hat er. Jedenfalls dauert es gerade mal drei Lieder bis Stormzy, der derzeit bekannteste und erfolgreichste Rapper Großbritanniens, zu einer Lobeshymne für sein Publikum ansetzt. „Danke, dass ihr euch Karten gekauft und Zeit genommen habt, um heute hier hinzukommen. So viele Leute. Wow!“, sagt der 26-Jährige. Weil die Nachfrage so hoch war, wurde der Auftritt aus dem benachbarten Carlswerk Victoria ins Palladium verlegt. Die Halle ist dennoch ausverkauft und die Lobhudelei des Musikers, der eigentlich Michael Ebenazer Kwadjo Omari Owuo Jr. heißt, klingt im Gegensatz zu anderen seiner Phrasen („Cologne, I love you!“) tatsächlich authentisch.
Köln erwidert die Liebe. Stormzy wird an diesem Abend mit frenetischem Applaus willkommen geheißen, als der 1,96 Meter große Hüne die Bühne betritt – mit breitem Grinsen und extra langsamen Schritten, vielleicht auch, um die „Stormzy“-Rufe, die den ganzen Abend ständig wiederkehren werden, noch ausgiebiger zu genießen. Jeder Boxer könnte die Einlaufzeremonie übernehmen: Scheinwerfer-Gewitter, Lichter flackern oben, an den Seiten, weiß, orange, blau, unten, gefühlt überall. Aus den Lautsprechern hämmert begleitet von computergenerierten Bläsern der massive Bass von „Big Michael“, dem Eröffnungslied seines Mitte Dezember veröffentlichten Albums „Heavy Is The Head“.
Um das live und in seiner vollen Brachialität zu präsentieren, ist der aktuell regierende Grime-König aus Croydon im Süden Londons neben Konzerten in Berlin, Hamburg und Mainz nach Köln gereist. Grime ist ein eigenartiger Musikstil aus Großbritannien, der sich allerlei Elementen von Jungle, Garage, Hip Hop und Dancehall bedient, und diese in meist sehr düsteren, aggressiv klingenden und schnellen, energiegeladen Beats mit oftmals erdrückendem Bass fusioniert.
Rasanter Aufstieg
Wo Grime läuft, da ist die Extase oft nicht weit. Das erklärt auf der einen Seite den rasanten Aufstieg Stormzys in die Herzen von Jugendlichen, an die Chartspitzen und auf die Titelseite des Time-Magazins: Bis auf einige R'n'B-artige Balladen („One Second“, „Blinded By Your Grace") und nachdenklichere Stücke („Crown“) geht Stormzys Musik immer nach vorne und animiert die Zuhörer zum kollektiven Ausrasten. Und so springt und tanzt auch in Köln die „Energy-Crew“ – so nennt der Rapper den Abend über seine Zuschauer – was das Zeug hält. Bierbecher und eine Jacke fliegen durch die Luft, weiter hinten zieht hier und da der Duft von verbranntem Marihuana Richtung Empore, auf der einige Erwachsene mit ihren Teenies verblüfft das Spektakel unter sich beobachten.
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Stormzy ist auch dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen: In seinen Texten, gespickt mit der harten Sprache der Straße, sowieso nicht. Ebenso wenig hält er sich aber auch in Interviews und Ansprachen zurück, in denen er immer wieder Partei für die Jugend, die Armen und die Benachteiligten ergreift, offen über Depression spricht und britische Politiker öffentlich kritisiert. So geschehen etwa bei den Brit Awards 2018, als Stormzy, der auch noch unter dem Spitznamen „The Problem“ (Das Problem) bekannt ist, in einem improvisierten Rap die damalige Premierministerin Theresa May fragte, wo denn das Geld und die Hilfe für den ein Jahr zuvor bei einer Katastrophe abgebrannten Grenfell-Tower geblieben sei. Auf dem Glastonbury Festival im vergangenen Jahr animierte der Rapper die Menge zu schmähenden Rufen gegen den damaligen Londoner Bürgermeister und späteren Brexit-auf-den-Weg-Bringer Boris Johnson („Fuck the Gouvernement and fuck Boris“).
In diesem Jahr hielt sich Stormzy bei den Brit Awards vor rund zwei Wochen zurück, als er wie schon 2018 den Preis als bester männlicher britischer Künstler abholte. Dass die Auszeichnung verdient ist und welche Strahlkraft der Brite hat, zeigt sich durchgehend bei seinem Auftritt am Freitagabend: Stormzy, der ohne aufwendiges Bühnenbild und nur mit einem DJ im Hintergrund auskommt, ist mit seiner scheinbar unerschöpflichen Energie einfach eine Erscheinung.
Und so steuert das Konzert in Köln nach rund einer Stunde seinem Höhepunkt entgegen, wenn Stormzy zur Freude vieler Menschen im Publikum sein durchgeschwitztes T-Shirt ablegt und seinen muskelbepackten Oberkörper zur Schau stellt. Passend dazu ballert „Big For Your Boots“ aus den Boxen, ein Lied, das wohl auf jeder Fitnesstudio-Playlist zu finden ist und all die Pumper dazu motivieren mag, sich eine solch definierte Brust anzutrainieren.
Wie auch das neue Album, endet der Abend mit „Vossi Bop“. Dann verlässt Stormzy glänzend vor Schweiß die Energy-Crew. Eine Zugabe bleibt aus und ist nach insgesamt 21 Liedern auch nicht notwendig. Der König muss weiter, um den Grime und die Ekstase auch noch an andere Orte zu bringen – wenn auch ein paar weniger als geplant. Alle ursprünglich angesetzten Termin in Asien wurden aufgrund des Coronavirus abgesagt.