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Kommentar

Streit über „sexy Jesus“
Warum dieses Bild noch eines der harmloseren der katholischen Kunst ist

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Der Jesus des Künstlers Salustiano Garcia Cruz soll für die Karwoche in Sevilla werben.

Der Jesus des Künstlers Salustiano Garcia Cruz soll für die Karwoche in Sevilla werben.

Um die Jesus-Darstellung des Künstlers Salustiano García Cruz ist ein hitziger Streit entbrannt. Als wäre dies der erste begehrenswerte Erlöser.

Ein Christusbild, das für die kirchlichen Feierlichkeiten der Karwoche im spanischen Sevilla werben soll, hat für erhitzte Diskussionen unter Gläubigen gesorgt. Der Generalrat der Bruderschaften der Semana Santa hatte das Werk beim örtlichen Künstler Salustiano García Cruz in Auftrag gegeben.

Jesus-Gemälde löst große Debatte in Spanien aus: warum eigentlich?

Der nahm seinen Sohn als Modell und gab sich selbst das künstlerische Ziel, keinen leidenden Sohn Gottes zu zeigen, sondern den Erlöser, der die Auferstehung nach dem Tode verspricht. Das lange Haar in der Mitte gescheitelt, die Hüfte nur notdürftig mit einem Lendenschurz berüscht: Dieser Jesus ist überirdisch schön, wie zum Anschwärmen gemacht.

Spanien, Sevilla: Auf diesem vom Consejo de Hermandades de Sevilla via AP veröffentlichten Foto ist das Plakat für die religiöse Oster-Karwoche in Sevilla 2024 abgebildet. Das Plakat des international anerkannten sevillanischen Künstlers Salustiano Garcia Cruz zeigt einen jungen, gut aussehenden, fitten und frisch aussehenden Jesus, der ein Leichentuch als Lendenschurz trägt. Es gibt keine Dornenkrone, kein leidendes Gesicht und nur zwei winzige Stichwunden an der Hand und am Brustkorb.

Der Sevilla-Jesus in seiner ganzen Pracht.

Über dieses Ziel ist der Maler in den Augen seiner Kritiker weit hinausgeschossen, sie finden seine Darstellung zu effeminiert, zu homoerotisch oder auch schlicht zu kitschig. Zumindest letzteres erscheint nicht allzu weit hergeholt: García Cruz' Erlöser ist näher an Jeremy Allen Whites aktueller Werbekampagne für einen bekannten Unterhosenhersteller als an Werken von Fra Angelico oder Leonardo, die Jesus ebenfalls als attraktiven Mann mit griechischen Idealmaßen zeigen.

Gut möglich, dass das Karwochen-Poster so manchen Betrachter vor ein ähnliches Dilemma stellt, wie Maria Magdalena in Andrew Lloyd Webbers Rockoper „Jesus Christ Superstar“: „Ich weiß nicht, wie ich ihn lieben soll.“

Andererseits reicht die Tradition, Christus in all seiner begehrenswerten Körperlichkeit zu zeigen, auch bis mindestens zur Renaissance zurück: Der richtende Jesus in Michelangelos Fresko des Jüngsten Gerichts in der Sixtinischen Kapelle etwa, erinnert doch eher an einen bodybuildenden Apoll. Und sein „Auferstandener Christus“ – in seiner unbekleideten ersten Fassung und mehr noch in der notdürftig bedeckten zweiten Fassung in der römischen Kirche Santa Maria sopra Minerva – hält das Kreuz, als würde er gleich daran ein Stangentänzchen wagen.

Und was ist schon der schlanke Zeigefinger, mit dem der katholische Posterboy auf sein winziges Wundmal, kaum ein Kratzer, unterhalb der rechten Brust verweist, gegen Caravaggios Barockgemälde „Der ungläubige Thomas“, in dem der zweifelnde Apostel die gut ausgeleuchtete Lanzenwunde des Wiederauferstandenen tief mit seinem Finger penetriert?

Man kann sich katholische Kunst kaum ohne schwules Begehren vorstellen, von Leonardos „Engel im Fleisch“ mit Erektion, der wie eine Vorzeichnung zu seinem wohl letzten Ölgemälde „Johannes der Täufer“ wirkt, bis hin zu den vielen Bildern des von Pfeilen durchbohrten, Adonis-haften Heiligen Sebastian, von Andrea Mantegna, Guido Reni oder dem Künstler mit dem sprechenden Beinamen Il Sodoma. Ein Blick in die Kunstgeschichte verrät also: Salustiano García Cruz' Jesus gehört zu den eher unverfänglichen Darstellungen im Rahmen der Kirche.