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Neues BuchSvenja Flaßpöhler widmet sich der zunehmenden Empfindlichkeit

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Die Philosophin Svenja Flaßpöhler hat ein neues, viel diskutiertes Buch über Debattenkultur geschrieben.

Köln – Ein bisschen klingt es wie ein weichgezeichneter Menschheitstraum, der endlich Realität wird: Da gewinnt ein etwas dröger Kandidat mit seiner gebetsmühlenartigen Forderung nach Respekt eine Bundestagswahl, da wird in Workshops und Seminaren Achtsamkeit vermittelt und selbst nüchterne Stadtverwaltungen entwickeln Leitfäden für einen einfühlsamen Umgang mit ihren Bürgerinnen und Bürgern. Der Wettbewerb um maximale Rücksichtnahme auf jedwede Besonderheit von geschlechtlicher Orientierung, sozialer und ethnischer Herkunft sowie sprachlicher Empfindlichkeit scheint die Überschrift über unserer Zeit zu sein. Soweit also alles gut auf dem Weg ins irdische Wohlfühl-Paradies?

Nein, widerspricht Svenja Flaßpöhler. Die streitbare Philosophin, die schon die #MeToo-Debatte mit steilen Thesen aufgemischt und ein feines Gespür für medienträchtige Aufreger-Themen hat, steigt jetzt mit einem langen Essay auch in den öffentlichen Diskurs um Identitätspolitik, Gendern und Political Correctness ein. „Sensibel – Über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren“ lautet der Titel des Buchs, das sich beherzt ins Getümmel des aktuellen Meinungsstreits wirft. Ihre Diagnose: Auch bei Sensibilität kann es ein Zuviel geben, das dann ins Gegenteil umschlägt.

Sachlicher Austausch von Argumenten bleibt oft auf Strecke

Der Wunsch, um immer kleinere Gruppen und Grüppchen einen Schutzzaun zu ziehen, ihnen jeweils einen unantastbaren Sonderstatus zu garantieren, eint eine Gesellschaft nicht, macht sie auch nicht gerechter, sondern trägt eher zur Spaltung bei. Dass Empfindlichkeit ein Sprengsatz für die Gesellschaft sein kann, zeigt die Debatte um die sogenannte gendergerechte Sprache: Während sie von der politischen Rechten, die gesellschaftliche Transformationsprozesse ohnehin eher argwöhnisch beäugt, als „Genderwahnsinn“ diskreditiert, reagiert die Linke extrem dünnhäutig, wenn ihre Vorstellung von Fortschritt hinterfragt wird.

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Svenja Flaßpöhlers neues Buch befasst sich mit der zunehmenden Sensibilität unserer Gesellschaft.

Auf der Strecke bleibt dann der sachliche Austausch von Argumenten, der das Ziel hat, am gemeinsamen Fundament zu arbeiten. Ähnliche Verwerfungen ist bei den Themen Identitätspolitik, MeToo und Politische Korrektheit zu beobachten, wie die Turbulenzen um den früheren SPD-Spitzengenossen Wolfgang Thierse gezeigt haben. Sein Appell, über Partikularinteressen nicht das Gemeinsame aus dem Blick zu verlieren, handelte dem ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und Bundestagsvize nicht nur einen heftigen Shitstorm in den sozialen Medien ein, sondern auch eine öffentliche Distanzierung seiner Parteifreunde Saskia Esken und Kevin Kühnert.

Mit zunehmender Empfindlichkeit wächst auch Konfliktpotenzial

Mit ihrem Buch versucht Svenja Flaßpöhler, das zweischneidige Phänomen Sensibilität nun philosophisch und menschheitsgeschichtlich einzuordnen – und damit der aktuellen Diskussion etwas von ihrer gelegentlich hysterischen Überreiztheit zu nehmen. Sie schildert unter Rückgriff auf Norbert Elias` berühmtes Werk „Über den Prozess der Zivilisation“ die Entwicklung der menschlichen Sensibilität, der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen als eine großartige Erfolgsgeschichte. Bei ihrem spezifischen Streifzug durch die Philosophie macht sie bei Rousseau und Judith Butler ebenso halt wie bei Nietzsche, sie zitiert Freud und Ernst Jünger – alles eingängig und so, dass es die Geschichte der Empfindlichkeit gut illustriert.

Diese kulturelle Errungenschaft, auf andere Rücksicht zu nehmen und deren Gefühle zu respektieren, sieht Svenja Flaßpöhler allerdings zunehmend gefährdet: „Im Kampf um Anerkennung unterdrückter Gruppen spielt Sensibilität eine wichtige Rolle. Aber sie kann auch vom Progressiven ins Regressive kippen. Über diese Dialektik müssen wir nachdenken, um die gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden.“ Das gut Gemeinte, so der Befund, bewirkt das Gegenteil des Beabsichtigten. Wer einschlägige Wortmeldungen in Behörden und Hochschulen, im Freundeskreis und Betrieben erlebt, kann der Autorin kaum widersprechen.

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Mit einer zunehmenden Empfindlichkeit wächst eben auch Konfliktpotenzial. Wann wird eine Berührung zur Belästigung, was darf man sagen, ohne andere zu verletzen, bin ich transfeindlich, wenn ich Geschlecht für etwas Biologisches halte? Diese Streitfragen muss eine Gesellschaft behandeln, aber sie darf darüber nicht zerbrechen, fordert Flaßpöhler. Dafür brauche es aber ergänzend zur Empfindlichkeit auch eine schützende Widerstandskraft, die sog. Resilienz, die verhindert, dass sich Menschen beleidigt in Schmollecken zurückziehen oder ausgegrenzt werden.

Wir sollten also beides stärken, das Gefühl für Verletzungen ebenso wie die Widerstandskraft gegenüber Zumutungen. „Die Resilienz ist nicht die Feindin, sondern die Schwester der Sensibilität. Die Zukunft meistern können sie nur gemeinsam.“