Super-RTL-Chef Claude Schmit im Interview„Disney+ ist keine direkte Konkurrenz“
- Seit Beginn der Corona-Pandemie verzeichnet der Kindersender Super RTL einen Zuwachs seiner Reichweite.
- Die eingebrochenen Werbeeinahmen seit Beginn der Krise und der Start von Disney+ könnten dennoch zu Risiken werden.
- Trotz allem ist Claude Schmit zuversichtlich, dass der Sender sich auch mit neuen Inhalten absetzen kann.
Herr Schmit, aufgrund der Corona-Pandemie sind viele Kinder zurzeit zu Hause, sie können ihre Freunde nicht treffen. Sind das nicht paradiesische Zeiten für den Chef eines Kindersenders?
Ja, was die Reichweiten anbelangt, liegen wir mehr als 25 Prozent über dem Vorjahr. Von daher kann man sich grundsätzlich nicht beklagen. Aber wir freuen uns natürlich dennoch nicht über Corona. Und das ist ja auch nicht nachhaltig. Wir gehen davon aus, dass die Reichweite danach wieder zurückgeht.
Die entscheidende Frage für Sie ist ja, ob Sie die gestiegene Reichweite auch kapitalisieren können.
Nur teilweise. Bei allen Unternehmen bricht der Umsatz ein, alle sparen natürlich als Erstes bei der Werbung. Es ist die Ausnahme, dass mehr Werbung geschaltet wird, weil Kinder jetzt mehr gucken. Im April liegen wir bei minus 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir haben eine neue vorsichtige Prognose fürs ganze Jahr gemacht und werden umsatztechnisch bei voraussichtlich minus 20 Prozent liegen. Das ist schon sehr viel.
Wie bedrohlich ist das?
Es ist eine Größe, mit der wir noch leben können. Wir haben Glück, dass unser Geschäft vor allem am Ende des Jahres stattfindet. Wir haben 2019 im vierten Quartal mehr als 40 Prozent unserer Erlöse gemacht, und wir hoffen, dass wir im Herbst schon wieder auf der Spur nach oben sind.
Wie läuft die Arbeit in Corona-Zeiten?
Alle Mitarbeiter arbeiten im Home-Office. Ich bin überrascht und froh, wie gut das funktioniert. Trotzdem ist es natürlich eine Herausforderung, und auch wir müssen geplante Produktionen verschieben. Darunter ist ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt, die Nachrichtensendung „Täglich Toggo“ für Kinder, die wir bald starten wollten. Ein neues tägliches Format unter diesen fast unmöglichen Bedingungen zu produzieren würde der Sache nicht gerecht. Also kommt die Sendung fürs Fernsehen später. Wir werden die Marke aber auf unseren digitalen Plattformen schon aufbauen.
Im Toggo Radio, das bald starten soll, auch?
Ja, genau. Wir starten Ende Mai den ersten deutschlandweiten Kinder- und Familiensender im Radio. Und da ist eine tägliche Nachrichtenschiene vorgesehen. Wir nehmen nur erst mal vom Bewegtbild im Linearen Abstand und begeben uns auf non-lineare Plattformen.
Es ist interessant, dass Sie auf Radio setzen. Das bringt man ja eher nicht mit Kindern in Verbindung, wenn es um Innovationen geht.
Die Idee kam von den Kollegen von RTL Radio. Wir haben uns in den vergangenen Jahren immer mal wieder ein wenig damit beschäftigt, uns aber bisher nie getraut, weil wir keine Radioexpertise haben. Die haben wir jetzt mit den total motivierten Kollegen aus Berlin und arbeiten schon jetzt prima zusammen. Hier geht es um digitales Radio, das auch sehr oft schon in Autos benutzt wird. Da haben wir den ganz wichtigen Moment zwischen Aufstehen, Frühstücken und Zur-Schule-gefahren-Werden. Das sind Stoßzeiten fürs Radio. Wir glauben zudem daran, dass die Speaker-Devices wie Alexa auch von Kindern vermehrt genutzt werden.
Wie soll das Radioprogramm denn inhaltlich aussehen?
Den Musikanteil überlassen wir den Kollegen von RTL Radio. Für uns geht es um die Wortbeiträge. Es wird eine große, mehrstündige Morgen-Show geben. Da können wir dann wieder unser Programm integrieren. Dann gibt es Nachrichten, und wir haben sehr viele Hörspiele im Programm, die wir bereits in unserer Toggolino App anbieten und sehr gut von den Nutzern angenommen werden.
Sie konzentrieren sich auf den Ausbau der non-linearen Angebote. Wird es irgendwann gar kein lineares Kinderfernsehen mehr geben?
Das glaube ich nicht. Es wird ein wichtiger Bestandteil unseres Portfolios bleiben. Es wird an Bedeutung verlieren, aber es wird nicht verschwinden. Wir gehen davon aus, dass die Reichweiten im Linearen sinken werden, dafür aber im Onlinebereich steigen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Erlöse diesem Trend folgen werden. Das Wichtige für uns ist, dass es in der Summe mehr geben wird. Die Kinder nutzen ja mehr Video als früher. Sie sehen viel non-linear. Deshalb ist es wichtig, auf diesen Plattformen stattzufinden.
Super RTL wird diese Woche 25 Jahre alt. Zum 15. Geburtstag haben Sie sich über die Zukunftsthemen geäußert, damals ging es um Gaming und 3D. Was ist davon geblieben?
3D ist nicht mehr das große Thema. Aber Gaming ist für uns extrem wichtig. Das ist im Onlinebereich noch vor dem Bewegtbild die treibende Kraft. Wir haben jetzt eine eigene Gaming-Abteilung, die für unsere Inhalte und Plattformen Spiele produziert. Wir werden das entsprechend auf allen Plattformen anbieten.
Welche Entwicklung der vergangenen 25 Jahre war am wenigsten abzusehen?
Wir haben am Anfang natürlich erst mal Anlaufverluste generiert, auch wenn wir uns im Zuschauermarkt schnell etablieren konnten. Denn Marktführer im Kinderfernsehen klingt schön. Wenn man damit aber kein Geld verdient wie wir damals, ist das keine Perspektive. Und weil wir unsere Erlösquellen ausweiten mussten, kamen wir aufs Internet. Das war vor mehr als 15 Jahren. Wir wollten spezielle Angebote im Internet machen, die nicht über Werbung, sondern über Abos laufen. Das haben wir unseren Gesellschaftern vorgestellt, die sagten: „Ihr seid verrückt. Niemand bezahlt Geld für Videoangebote im Internet. Und erst recht nicht im Vorschulbereich“ Wir haben fest daran geglaubt und deshalb den Toggolino Club gegründet. Und damit Geld verdient.
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Vor fünf Jahren, zum 20. Geburtstag, haben Sie das VoD-Angebot Kividoo gestartet. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Plattform?
Die Entwicklung ist in Ordnung, aber das genügt uns nicht. Wir sind dabei, andere Ideen in diese Richtung zu entwickeln. Die sind aber noch nicht spruchreif.
Kividoo wird es also irgendwann nicht mehr geben?
Wir haben zu viele Marken, mit denen wir jonglieren. Der Gedanke war damals, eine Nicht-Toggo-Plattform zu starten, um andere Anbieter, hauptsächlich die Öffentlich-Rechtlichen, an Bord zu kriegen. Das ist aber nur bei der Hälfte der Intendanten auf positive Resonanz gestoßen, deshalb ist es nicht zustande gekommen. Und das wird sich auch nicht ändern. Disney hat gerade erst Disney+ gestartet und steht damit auch nicht zur Verfügung. Also werden wir uns wahrscheinlich im Laufe des Jahres von Kividoo verabschieden und mal bei unserem Nachbarn im Hause TV NOW anklopfen.
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Der größte Einschnitt in der Super-RTL-Geschichte war, als Ihr Gesellschafter Disney 2014 seine Inhalte aus Ihrem Programm abzog. Waren Sie immer sicher, dass Ihr Sender das überstehen wird?
Hätte ich dafür meine Hand ins Feuer gelegt? Nein. Mir war nicht klar, was mit uns geschehen würde. Wer ist Super RTL im Vergleich zu Disney? Wenn man einen Partner wie Disney als Programmlieferanten verliert, ist das schon schlimm genug. Wenn der sich dann noch mit einem eigenen Sender gegen einen aufstellt, wird es richtig eng. Da haben wir uns schon gefragt, wie das weitergehen wird. Wir hatten wahnsinniges Glück, dass wir mit Dreamworks Animation sehr schnell einen großartigen Nachfolger gefunden hatten, mit dem wir diese Lücke prima füllen konnten. Wir sind mehr als stolz, dass wir immer noch die Nummer eins in Deutschland sind. Wir liegen im laufenden Jahr bei 20,7 Prozent, Disney bei 13,6 Prozent in der Kinderzielgruppe.
Welche Auswirkungen hat der Start von Disney+ auf Super RTL?
Schwer zu sagen. Für uns ist das keine direkte Konkurrenz, sondern eher für Netflix. Die werden sich mehr bekriegen. Natürlich kann jedes Kind, das Disney+ schaut, uns in der Zeit nicht gucken. Aber wir haben viele Inhalte wie die TOGGO Show und bald die Nachrichten, die die anderen Anbieter so nicht haben. Von daher können wir unsere eigenen Duftmarken setzen.
Sie sind Deutschlands dienstältester Senderchef. Wo liegt der Reiz des Jobs nach so vielen Jahren?
Ich habe dieses Unternehmen aufgebaut, von daher ist meine Bindung etwas Besonderes. Manchmal ertappe ich mich sogar bei dem Gedanken, es sei meins, was natürlich nicht stimmt. Wir haben ja zwei Gesellschafter, die zu jeweils 50 Prozent beteiligt sind. Wir gehören damit weder nur in den Disney-Konzern, noch nur in die RTL-Group. Diese unternehmerische Freiheit, wie ich sie nenne, ist fantastisch. Wir waren und sind immer relativ frei in der Gestaltung und mit unseren Geschäftsideen, mit denen wir auch immer Geld verdient haben. Und es zum Glück immer noch tun – natürlich abgesehen von der ungewissen Corona-Zeit. Außerdem gibt es nichts Schöneres und Anspruchsvolleres als Kinderunterhaltung. Ich war vorher in der Stahlindustrie. Das ist eine ganz andere Welt.