Choreograf Serge Aimé Coulibaly inszeniert mit „C La Vie“ eine Tanzaufführung, die viele Fragen hinterlässt.
Tanzaufführung „C La Vie“Gewaltige Bühnenpower ohne dramaturgischen Feinschliff
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Tänzer bei der Tanzaufführung „C La Vie“
Copyright: Sophie Deiss
„C la vie“, so ist das Leben, verheißt dieser Tanz. Also wie jetzt genau? Wird dieser Titel nun wie ein resignativer Stoßseufzer ausgesprochen, ein abgeklärtes „Shit happens“? Oder vielleicht doch eher gesungen wie ein süßlich-schwärmerischer Chanson mit versöhnlichem Lächeln? Man wird, so viel sei gespoilert, am Ende der Performance auch nicht schlauer sein. Aber vielleicht die Ahnung haben, dass im Kürzel „C“ doch eher Übles steckt.
Glutrot leuchtet der kreisrunde Tanzboden wie eine blutgetränkte Arena. Und offenbar ist hier die Gummimatte auch viel zu heiß, um jemals still zu stehen. Jedenfalls wird an diesem Abend knapp 80 Minuten lang durchgetanzt, nachdem zunächst ein mysteriöses Maskenwesen allein auf die Bühne trippelt, sich selbst mit den Händen auf den nur von ein paar dünnen Goldketten verzierten nackten Bauch klatscht und dann die Arme hebt, als wäre es von Erschießung bedroht. Wird hier aus einem Ritual ein politisches Statement? Wird aus der afro-folkloristischen Abstraktion europäisch-sozialkritisches Tanztheater?
Ästhetische Traditionslinien wurden verquirlt
Der Eindruck, dass an diesem Abend diverse ästhetische Traditionslinien heftigst verquirlt worden sind, ist vermutlich das Einzige, das wirklich klar ist. Und nahe liegt. Denn Choreograf Serge Aimé Coulibaly stammt aus Burkina Faso, kam als Tänzer nach Belgien zu Alain Platel und war einer der unvergesslichen Stars in dessen Erfolgsproduktion „Wolf“. Später tanzte Coulibaly auch bei Sidi Larbi Cherkaoui.
Dann gründete er 2002 seine eigene Kompanie, das „Faso Danse Théȃtre“, mit der er durch Europa tourt, auf große Festivals wie der Ruhrtriennale eingeladen wird und nun auch im Depot 1 des Kölner Schauspiels gastierte. Und tatsächlich beherrscht es Coulibaly wie Platel und Cherkaoui in seinen Stücken eine gewaltige Bühnenpower zu entfalten: Live-Musik, Videoeinspielungen, ein interessantes Bühnenbild, entfesselter Tanz. Aber anders als bei den Kollegen fehlt es dann doch am dramaturgischen Feinschliff.
„C la vie“ befasst sich mit Unterdrückung und Protest
So lässt sich mehr erahnen als erkennen, dass sich „C la vie“ wie schon frühere Stücke Coulibalys mit der Geschichte der Schwarzen befasst. Mit Unterdrückung und einem sich langsam steigernden Protest. Aber auch mit der Orientierungslosigkeit in der Vielzahl der kulturellen Codes, die sich in die Körper seiner überwiegend schwarzen Performerinnen und Performer eingeschrieben haben.
Im Sekundentakt wechseln zur grandiosen Live-Percussion Elemente des afrikanischen Tanzes – wie die Shuffel-Bewegungen mit flachen Füßen über dem Boden oder die pumpenden Brustkörbe – mit zeitgenössischen Formationen und seltsam theatralen Gesten. Videoeinspielungen deuten Menschenmengen an. Dann eine Sturmflut, eine Feuersbrunst, im Tornado stürzende Bäume. Auf der Bühne davor tanzen die Performerinnen und Performer noch voller Energie - aber wohin und wozu eigentlich, scheint uns Coulibaly zu fragen, wenn doch die Apokalypse naht? „C la Vie“ – eine „catastrophe“ ist das Leben?
Nächste Vorstellung bei Tanz Köln: „Ophelia's got Talent“ von Florentina Holzinger im Depot 1, vom 28. - 30.03.2025