So war der „Tatort“ aus BremenTrauma der Kommissarin hat überraschende Auflösung
Der Bremer „Tatort: Liebeswut“ war ein Psychothriller mit allem Drum und Dran – Gewalt, Selbstmord, teuflischen Charakteren, misshandelten Kinder. Keine leichte Kost am Sonntagabend.
Der Fall
Eine Mutter, die vermeintlich Selbstmord begangen hatte, zwei junge Töchter, die plötzlich verschwunden sind, und viele Menschen im Umfeld, die sich durch auffälliges Verhalten verdächtig machten. Die Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) mussten im Bremer „Tatort: Liebeswut“ schnell handeln, um die vermissten Kinder noch lebend aufzufinden. Doch die Verdächtigen starben einer nach dem anderen: der Hausmeister (Dirk Martens), der mit seinen pädophilen Neigungen kämpfte, erhängte sich in der Turnhalle; der ekelerregende Nachbar, Gernot Schaballa (Aljoscha Stadelmann), wurde in eine Falle gelockt und kam durch einer Explosion ums Leben. Immer mehr gerieten die eigenen Verwandten der Kinder in den Verdacht, die Mädchen entführt zu haben.
Die Auflösung
Und tatsächlich: Der ach-so-fürsorgliche Großvater der Kinder, Burkhard Dobeleit (Thomas Schendel) hatte die Mädchen in seinem Keller eingesperrt. Warum? Weil er die Kinder weder seiner eigenen Tochter noch dem Vater der Kinder anvertrauen wollte. Er hielt sich für „von Gott auserwählt“, verriet seine Frau Sybille Dobeleit (Ulrike Krumbiegel) und wollte daher die Kinder in seine Obhut nehmen, egal um welchen Preis. Im Kellerlabyrinth der Dobeleits trafen Burkhard und Moormann schließlich in einer höchst dramatischen Szene aufeinander, an dessen Ende die Kommissarin ihr Gegenüber aus Notwehr erschoss. Die Kinder blieben, soweit man das nach dem Trauma einer Entführung sagen kann, unversehrt.
Das Thema
In diesem Bremer „Tatort“ ging es um Liebe und Krankheit, und wie die Liebe krank machen kann. „Die falsche Dosis Liebe, die reißt uns alle in den Abgrund.“ Liv Moormann legt eine doch sehr pessimistische Wahrnehmung der Liebe an den Tag. Wir erfahren in dieser Folge aber auch, warum. Sie kämpft mit ihrem eigenen Kindheitstrauma, dessen Erinnerungen vor allem durch Schaballa hervorgerufen werden. Sie selbst sowie die Zuschauer haben jeden Grund, anzunehmen, dass der Mann aus ihren Erinnerungen sie als Kind missbrauchte. Es ist schwer mitanzusehen, was die Flashbacks bei Moormann auslösen. Umso größer und gelungener ist der Effekt, als sich herausstellt, dass es die eigene Mutter war, die die kleine Liv misshandelte, und dass der Mann mit dem Eis sie nur vor ihrer Mutter zu beschützen versuchte.
Für „Tatort“-Fans
„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.
Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.
Zu wenig Liebe, wie bei Liv und ihrer Mutter, zu viel „Liebe“, wie bei Burkhard zu seinen Enkeltöchtern, und auch die falsche Liebe, wie beim Hausmeister Joachim Conradi. Dieser „Tatort“ scheut sich nicht, das zerstörerische Potenzial der Liebe zu zeigen, und das geht unter die Haut. Immerhin dürfen sich die Zuschauer an der fürsorglichen, wenn noch etwas distanzierten Beziehung zwischen Moormann und Selb erfreuen – ein kleiner Lichtpunkt in diesem sonst so düsteren Fall.
Fazit
Der „Tatort: Liebeswut“ tobt sich im Psychothriller-Genre voll aus. Die Figuren sind überzeichnet, schwer einzuordnen, schwer zu durchschauen. Schaballa sticht in dieser Hinsicht besonders hervor, da er sowohl durch die gelungene Inszenierung als auch durch die wahnsinnig überzeugende schauspielerische Leistung Stadelmanns Ekel, Unbehagen und Angst beim Zuschauer hervorruft – genau die Emotionen, die auch Liv Moormann bei seinem Anblick spürt. Im Vergleich etwa zu Jaqueline Deppe (Milena Kaltenbach) wirkt der kindliche, überzeichnete Charakter Schaballas jedoch glaubhaft. Nur dadurch ist es möglich, dass wir am Ende sogar Empathie für den Mann im dreckigen Unterhemd mit dem ständig tropfenden Eis empfinden.
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Was dem ein oder anderen in diesem „Tatort“ fehlen mag, ist eine logische Struktur. Ja, man kann dem Fall folgen, trotz Flashbacks und der etwas irritierenden Szenen, in denen einzelne Figuren langsam heran gezoomt werden, während Blätter aus dem nichts vom Himmel fallen. Aber wenn Burkhard Dobeleit vor den Augen der Kommissarinnen innerhalb weniger Sekunden unbemerkt durch eine, wie sich herausstellt, sehr schwer zu öffnende Falltür im Garten fliehen kann, ohne dabei ein Geräusch zu machen, muss man sich doch fragen, ob Martina Mouchot (Drehbuch) und Anna Zohra Berrached (Regie) nicht noch ein wenig länger über die Glaubwürdigkeit dieser und ähnlicher Szenen hätten nachdenken sollen.