Das beliebte „Tatort“-Ermittlerduo tummelt in fremden Internet-Welten, um den Mord an einer „Momfluencerin“ aufzuklären.
So war der „Tatort“ aus MünsterThiel und Boerne liefern hohe Gag-Dichte im Sonntagabend-Krimi
Der Fall im „Tatort“ aus Münster
„Momfluencerin“ Evita Vogt hat ein gut funktionierendes Geschäftsmodell daraus gemacht, selbstironische Internet-Videos aus ihrem Leben als Mutter zu posten und Vätern und Müttern den Druck zu nehmen, perfekt sein zu müssen. Sie hat zahlreiche Werbepartner, musste sich sogar ein Büro anmieten, weil das Ganze zu Hause überhandnahm.
Vogt wird in ihrem Haus gefunden, sie baumelt an einem Stromkabel um den Hals an der Decke. Alles sieht nach Selbstmord aus, doch die Ermittler zweifeln. Boerne und seine Assistentin Haller finden heraus, dass die Frau schon tot war, als sie an das Kabel gehängt wurde. Todesursache: Ersticken.
Neidische Nachbarin steht im Fokus der „Tatort“-Ermittler
Im Fokus der Ermittler stehen die Nachbarin, die neidisch ist, weil ihr Yoga-Channel nicht funktioniert, die Social-Media-Konkurrentin „Busy Bine“, der Anschmachter „Lonesome Dad“ – und natürlich der Ehemann, der nur zögernd damit herausrückt, dass die Beziehung nicht mehr so dolle war.
Während sich Boerne und Thiel in diese für sie völlig fremden Social-Media-Welt begeben, sucht Staatsanwältin Klemm (Mechthild Gross) einen oder eine neue Sensibilitätsbeauftragen für die Ermittlungsbehörde – was im Umfeld von Karl-Friedrich Boerne durchaus angebracht scheint. Zur Wahl stehen Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Assistent Mirko Schrader (Björn Meyer), die anderen fallen – selbstredend! – aus.
Und so wird sich in dieser Folge aus Münster wild gekabbelt über Sexismus, Genderfragen, moderne und überholte Männlichkeit, Männer- und Frauenrollen, jeder bekommt sein Fett weg. Haller nennt Schrader Tucke, Schrader Haller Schlumpf, Boerne nimmt sich ohnehin jeden vor, und auch Thiel steigt eifrig ein.
Die Auflösung für den „Tatort“ aus Münster
Schön nacheinander: „Busy Bine“ hat gar kein Kind und wollte einfach nur auf der Momfluencer-Erfolgswelle mitschwimmen, die Nachbarin war einfach nur missgünstig, auch der Hinterherschmachter hat nichts mit dem Tod von Evita Vogt zu tun. Es war der Ehemann, der mit dem Erfolg der Gattin nicht zurechtgekommen ist, der, wie er sagt, wieder gebraucht werden wollte. Und dem klar war, dass er wegen des Ehevertrags im Falle einer Scheidung, und die war ja wohl am Horizont zu sehen, kein Geld von der wohlhabenden Gattin bekommen würde.
Die Influencerin litt an einem seltenen Gendefekt, der durch eine Schwangerschaft, eine Geburt, aber auch durch Hormone und allergene Stoffe sozusagen aktiviert werden kann. Der Gatte hat nun seiner Frau gezielt Stoffe verabreicht, die den Defekt getriggert haben, und ihr jene Medikamente vorenthalten, die im Notfall helfen können. Erst schwoll ihr Gesicht zu, dann die Atemwege, und damit war es das.
„Tatort“ aus Münster: Das war ganz gut
Zu viel Klamauk und Gewitzel, zu wenig Fokus Kriminalfall, keine Entwicklung der Figuren – all diese Kritikpunkte hört man immer wieder über die Münsteraner Ermittler – was man ihnen aber praktisch nie vorwerfen kann ist, dass sie nicht unterhalten, dass sie öde sind. Der aktuelle Fall war obendrein aber auch sehr ordentlich erzählt.
Und: Es macht einfach Spaß, Prahl und Liefers beim gemeinsamen Spiel zuzuschauen. Auch wenn der eine wohl für immer der angeprollte Hamburger und der andere der bornierte Schnösel sein ist, ist diese Gegensätzlichkeit ja auch der Witz.
Apropos: Witze und Sprüche (zugegeben: auch komplett überflüssige) wurden in „Magic Mom“ praktisch von allen gemacht – und vor allem auch über alle: Frauen, Männer, Queere, Jugendliche, ganz normale Nachbarinnen. Irgendwie hat es jeder abbekommen.
Schön auch einzelne Sätze wie dieser, bei dem sich sicher viele Frauen angesprochen fühlen: „Da draußen gibt es jede Menge Frauen, die anderen Frauen erklären, wie sie ihr Leben auf die Reihe kriegen können.“ Und „Busy Bine“ sagt, was mindestens in der Autorin dieser Zeilen etwas zum Klingen bringt: „Kinder sind das It-Piece des Lebens.“
„Tatort“ aus Münster: Das war ausbaufähig
Der ein oder andere Witz weniger hätte es absolut sein dürfen, man muss nicht in wirklich jedem Satz einen Gag unterbringen. Und: Die kleinen Social-Media-mäßigen-Erzählfilmchen mit Boerne als Protagonisten hätte ich nicht gebraucht, das war albern und zu viel Spielerei.