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Theater der KellerBei diesem „Reichsbürger“ kann es einem mulmig werden

Lesezeit 3 Minuten
Menschen mit Kopfhören stehen vor einer Statue von Konrad Adenauer.

„Der Reichsbürger“ der Kölner Theatergruppe „the beautiful mind“

Die Kölner Aufführung des Theaterstücks „Der Reichsbürger“ ist ein anstrengendes Erlebnis. Das muss auch so sein.

Das Theater ist ein Ort der Begegnung. Es muss ja nicht immer ein nettes Aufeinandertreffen sein. Im Stück „Der Reichsbürger“ bekommt das Publikum die Gelegenheit für zirka 75 Minuten in die Welt der Reichsbürgerszene einzutauchen. Christian S. heißt der Agitator in eigener Sache, der sich den Zuschauern zunächst nur als sonore, sympathische Stimme aus dem Kopfhörer vorstellt. In der Inszenierung der Kölner Theatergruppe „the beautiful mind“ beginnt Regisseur Stefan Hermann die Koproduktion mit dem Theater der Keller und dem Haus der Architektur mit einem 20-minütigen Audiowalk. Programmatischer Startpunkt der Kölner Aufführung ist Sankt Aposteln am Denkmal von Konrad Adenauer, jenem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, die von den Reichsbürgern nur als fremdbestimmte Firma gesehen wird.

2018 feierte das Theaterstück „Der Reichsbürger“ seine Uraufführung

2018 feierte das Theaterstück „Der Reichsbürger“ der Autoren Annalena und Konstantin Küspert in Münster seine Uraufführung. Mittlerweile ist die damals noch von vielen Beobachtern belächelte Bewegung der Reichsbürger ein ernstzunehmender Faktor in der wachsenden Menge an Organisationen, die vehement die demokratische Grundordnung und die Verfassung dieses Staates ablehnen. Von den Krisen des Ukraine-Krieges und der Pandemie-Querdenker-Bewegung war beim Verfassen des Textes noch ebenso wenig bekannt, wie von den Wahlerfolgen der AFD im Osten. Spätestens seit diesen Fällen und der aufgedeckten Verschwörung des Prinz Reuß werden Reichsbürger längst nicht mehr als eine verschrobene Randerscheinung verwirrter Einzelpersonen angesehen, sondern als ernsthafte Bedrohungen für den Staat und seine Bürger.

Michael Meichßner in der Titelrolle des Solostückes, der das Publikum nach zurückgelegter Wegstrecke im Josef-Haubrich-Hof in Empfang nimmt, kommt allerdings zuerst einmal keinesfalls gefährlich daher. Ein wenig mulmig wird es dem Publikum dennoch, als der freundliche Mann in leger-nachhaltiger Funktionskleidung die Tür des Kubus verschließt und in dem geschlossenen weißen Raum nun vor Ort mit seinem Frontalvortrag fortfährt.

Provokant und nicht ohne Geschick werden Probleme und Themen angeschnitten

Provokant und nicht ohne Geschick werden Probleme und Themen angeschnitten, bei denen das Selbstverständnis unserer demokratischen Ordnung infrage gestellt werden. In einer toxischen Melange werden Sehnsüchte nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung gegen staatliche Verordnungen ausgespielt. Statt im Sinne des Gemeinwohls und des Gesellschaftsvertrages am demokratischen Funktionieren des Staates mitzuwirken, ist es halt leichter den Staat als Gegner auszumachen, der die persönliche Freiheit einschränkt.

Jede Menge Honigfallen werden im Laufe der propagandistischen Prozedur aufgestellt. Der Vormärzpoet Georg Büchner wird ebenso beschworen wie die Rückkehr zum ökologischen Umgang mit der Natur. Allerdings hier mit „Blut und Boden“–Prämisse, denn in den paradiesischen Biotopen der Reichsbürger haben nur „biodeutsche Bürger“ Zutritt.

Michael Meichßner gelingt es in einer schauspielerischer Tour-de-force die Mechanismen dieser perfiden Rhetorik und Demagogie dar- und bloßzulegen. Dass dabei gegen Ende der Reichsbürger die freundliche Maske fallen lässt und als Aggressor dem Publikum gegenübertritt, wirkt allerdings wie ein Bruch. Ein wenig mehr subtile Auseinandersetzung mit der Thematik darf man dem Zuschauer ruhig zutrauen. Dafür wäre vielleicht im Gegenzug der ein oder andere Hinweis auf Argumentationshilfen und Aufklärung in Bezug auf Reichsbürger im Nachgang des Stückes sinnvoll.


Nächste Aufführungen: 8. und 9. November, 20 Uhr, Treffpunkt und Ausgabe der Kopfhörer: Konrad Adenauer-Denkmal an der Rückseite von Sankt Aposteln Ecke Apostelstraße / Gertrudenstraße