Der Hausherr inszeniert selbst: Heinz Simon Kellers erkundet in „Do not Touch!“ die unsichere Zukunft des Theaters.
Theater der KellerWenn auf der Bühne plötzlich die Gesetze des Kunstmarkts gelten

Szene aus „Do not Touch!“ im Theater der Keller
Copyright: Oliver Stroemer
Kunst kann auch Kapitalismus. Wenn wie in „Do not Touch!“ ein geldgieriger Galerist das Theater für eine Vernissage mietet, dann herrschen auf der Bühne plötzlich die Gesetze des Kunstmarktes. Regisseur Heinz Simon Keller hat gemeinsam mit der Dramaturgin Joelle Anouk Kannapin den Text zu diesem Theaterabend entwickelt, der die Kunst mit den Mitteln des Schauspiels unter die Lupe nimmt.
Matthias Lühn spielt mit wohligem Gusto den versierten Kunsthändler, der sich mit der Vernissage im Theater ein lukratives Geschäft verspricht. Susanne Seufert soll dazu als etablierte Kunstdiva Lea das Kaufobjekt liefern. Gegen die Geschäftigkeit des Galeristen opponiert Ruben Fritz als rebellische technische Hilfskraft aus dem Theater und Celine Hambach komplettiert als von den Launen ihrer Chefin Lea geplagte Assistentin Sabine das Bühnenquartett.
Kunstbanause, aber dafür ein Ohr mehr als van Gogh
Bevor die vier allerdings in ihre Rollen schlüpfen und den generationenübergreifenden Diskurs über die Kunst ins Rollen bringen, wird es auf der Bühne ganz persönlich. In vier Monologen schildern die Schauspieler ihren ganz eigenen Weg auf die Bretter, die für sie die Welt bedeuten. Berührendes aus den Biografien des Quartetts und allgemeine Gedanken zur Kunst gehen hier eine dynamische Verbindung ein, die das Stück ebenso unter Spannung halten, wie die stimmige Auswahl der insgesamt zehn Songs.
Von Radiohead („Creep“) bis Rio Reiser („Ich bin müde“) reicht die Auswahl der Revue. Live gekonnt am Keyboard begleitet von Gleb Tchepki überzeugen alle Akteure auf der Bühne mit ihren ganz eigenen Interpretationen der Stücke. Ob mit Power wie bei Celine Hambachs Performance von „Stop This Flame“ von Celeste, oder mit verschmitzter Komik, wenn Ruben Fritz im Song von ok.danke.tschüss davon singt, dass er vielleicht ein Kunstbanause sei, aber dafür „ein Ohr mehr habe als Vincent van Gogh“. Gekonnt wechselt hier die Tonalität des Stückes zwischen dem kraftvollen Pathos großer Gesten und der ausgelassenen Freude am Schauspiel.
Der inhaltliche Diskurs erinnert mitunter an Michel Houellebecqs „Karte und Gebiet“, wenn die Ethik des Kunstmarktes zur Debatte steht, aber auch „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde lässt grüßen, denn das eigentliche Kunstwerk scheint seltsam unwirklich und wandelbar zu sein. Dafür hat Lucie Hedderich ein Bühnenbild kreiert, in dem im Hintergrund ein Spiegelkubus thront. Je nach Licht spiegeln sich hier der Saal und die Schauspieler wider oder der Blick ins Innere wird freigegeben, wo ein einzelner Stuhl darauf wartet, dass das Bild mit Leben gefüllt wird. Projektion und Selbstreflexion halten sich dabei die Waage.
Greifbarer als das Kunstwerk, das mal als „Goldenes Kalb“ hofiert und dann wieder als des „Kaisers neue Kleider“ daherkommt, ist der Blick auf die eigene Zukunft im Theater. Gleich mehrmals lässt die Regie im Stück das Licht ausgehen. Der Stromausfall als Menetekel der drohenden Kürzungen im Kulturbereich, die auch für das Theater der Keller gravierende Folgen haben könnten. „Spielt, spielt, sonst seid ihr verloren“ möchte man dem Ensemble, frei nach Pina Bausch, zurufen, damit der langanhaltende Applaus des Premierenpublikums nicht zum Abgesang wird.
Nächste Termine: 8.2. 19.30, 9.2. 18 Uhr, 21. + 22.2. 20 Uhr, Theater der Keller