Tom Cruise wird 60Mit diesem Gesicht lässt sich die dümmste Ideologie verkaufen
Köln – Zwischen dem ersten und dem zweiten „Top Gun“-Film liegen 36 Jahre, die an Tom Cruise, Held beider Filme, zwar nicht spurlos, aber für alle männlichen Altersgenossen beschämend gut vorüber gegangen sind. Ist am Scientology-Hokuspokus vielleicht doch etwas dran? Seine Leseschwäche habe Ron. L. Hubbards Science-Fiction-Religion schließlich auch geheilt, erzählt Cruise gerne, und wer, wie kürzlich das Herrenmagazin „GQ“, beim Mysterium seiner scheinbar ewigen Jugend lediglich an viel Sport, Faltencremes und eine ausgewogene Ernährung denkt, hat vom Halbgötterstatus eines Hollywood-Stars nun wirklich nichts verstanden.
Tom Cruise ist der lebende Beweis dafür, dass man es schaffen kann
Was ist also das Geheimnis von Tom Cruise, des größten Filmstars unserer Zeit? Es gibt wahrlich bessere Schauspieler, sogar besser aussehende, aber keinen, der dem neuen, in den Jahren der Reaganomics geformten Idealtypus des selbstgemachten Manns so nahe kommt. In Cruise verschmilzt die leicht verlogene, etwas glatte, aber auch unwiderstehliche Naivität des All-American-Boys mit dem ur-amerikanischen Glauben daran, dass man es schaffen kann, wenn man nur will. Mit harter Arbeit ist alles möglich und Cruise der lebende Beweis dafür. Er gibt dem Erfolgsstreben ein Gesicht, mit dem sich noch die dümmste Ideologie verkaufen lässt.
An seinen frühen Filmen haben sich die Kritiker die ohnehin stumpfen Zähne ausgebissen. „Lockere Geschäfte“ war ein feuchter Jungstraum mit leichten Mädchen, „Top Gun“ blankpolierte Werbung für Mackertum und Militär und „Die Farbe des Geldes“ eine Orgie in Aufschneiderei – was allerdings auch perfekt zu Cruises Rolle als Billardass passte, das seine Unsicherheit hinter Gockelhaftigkeit verbirgt. „Die Farbe des Geldes“ führte Cruise erstmals mit einem seriösen Regisseur zusammen – Martin Scorsese erkannte im jungen Darsteller den Typus seiner Zeit.
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Es folgten prestigeträchtige Filme mit Regisseuren wie Barry Levinson, Oliver Stone, Sydney Pollack, Cameron Crowe und Stanley Kubrick – meist spielte Cruise den ehrgeizigen Heißsporn, der eine dramatische Lehrzeit absolviert, um als besserer Mensch daraus hervorzugehen. Cruise stürzte sich mit Haut und Haaren in diese Rollen (für Scorseses Billardfilm lernte er reihenweise Trickschüsse) - und blieb dabei doch immer der Scientologe, zu dem ihn Mimi Rogers, seine erste Ehefrau, bekehrt hatte.
Mit Anfang 40 erfand sich Cruise noch einmal neu – als Star eines Actionkinos mit Anspruch und Zugpferd für strauchelnde Autorenfilmer wie Robert Redford und Michael Mann. Zuvor hatte er in Paul Thomas Andersons Episodenfilm „Magnolia“ einen Bühnenprediger gespielt, der seinen monströsen Vaterkomplex hinter frauenfeindlichen Parolen versteckte. Hier blitzte die Möglichkeit auf, dass Cruise gewillt war, in die Abgründe seiner Leinwand-Person zu blicken. Aber diesem Moment folgte nur noch ein Kurzauftritt im Fettanzug als mittlerweile geradezu harmlos erscheinende Harvey-Weinstein-Parodie.
Ein führender Scientologe prophezeite im Jahr 2007, Tom Cruise werde eines Tages wie Jesus Christus bewundert werden. So weit ist es noch nicht, aber seine Heldennatur kommt dem schon recht nahe, was in Hollywood als Erlöserfigur gilt. Er spielte den Hitler-Attentäter Stauffenberg in „Operation Walküre“, er rettet als James-Bond-Verschnitt in Serie die Welt und er bot gleich zwei Mal erfolgreich einer Außerirdischen-Invasion die Stirn.
Sein Auftritt in Steven Spielbergs „Krieg der Welten“ zeigt, wie stilsicher Cruise seine Heldenrollen mittlerweile wählt. Sie haben Charakterfehler und menschliche Unzulänglichkeiten. Aber wenn es darauf ankommt, verhärten sie sich auf ihren Wesenskern: Opferbereitschaft, Leidensfähigkeit, Unzerstörbarkeit.
Auf die Produktionshölle folgte der Eintritt in Scientology
Hier treffen sich Geschäftswelt und Religion - Cruises Kircheneintritt erklärt sich vielleicht am plausibelsten mit einem Aufenthalt in der Produktionshölle. Am Anfang seiner Karriere steckte seine Karriere fest, mehrere Projekte kamen nicht über das Planungsstadium hinaus. Das sollte ihm nicht mehr passieren, und so suchte er nicht nur die Nähe erfolgreicher Regisseure, er wurde seit dem ersten „Mission Impossible“-Film auch sein eigener Produzent. Wie jeder Selfmade-Man erlöst Cruise vor allem sich selbst.
So liegt das Erfolgsgeheimnis von Tom Cruise wohl darin, dass er uns vergessen lässt, was hinter seinem strahlenden Lächeln steckt. Man sieht nicht den Scientologen (Cruise hat früh begriffen, welches Kassengift L. Ron Hubbard ist) und nicht das Hollywood-Produkt. Man sieht einen scheinbar ewigjungen Mann, der geschafft hat, wovon wir anderen nur träumen. An diesem Sonntag wird er 60 Jahre alt.