Top Ten der AuktionenDas ist die teuerste Kunst des Jahres
Köln – Es ist selbstredend nur Zufall und dem schwer durchschaubaren Spiel von Angebot und Nachfrage geschuldet. Aber letztlich will es doch passend erscheinen, dass das teuerste Kunstwerk des Coronajahres 2020 ein Bild menschlichen Leidens ist. Es stammt von Francis Bacon, dem britischen Großmeister ausgewischter Identitäten und amputierter Leiber, der in seinem „Triptychon inspiriert von der Orestie des Aischylos“ (1981) drei Mal das Innere eines Menschen nach außen kehrt. Das mittlere Gemälde „zeigt“ den König Agamemnon, mutmaßlich nachdem seine Ehefrau ihn aus Rache dafür ermordete, dass er ihre Tochter den Göttern opferte; die äußeren Bilder zeigen die nicht weniger blutigen Folgen dieser Tat. Freilich sind es keine Illustrationen des antiken Texts, sondern in doppelter Hinsicht frei schwebende Darstellungen seelischer und leiblicher Qualen.
Auch die Superreichen sehnen sich nach bunten Fluchten
Bacons Triptychon wurde im Juni bei Sotheby’s für 75 Millionen Euro versteigert – für einen Betrag, der selbst dann unter den Erwartungen lag, wenn man ihn nicht mit dem neunstelligen Rekorderlös eines anderen Bacon-Werks vergleicht. Wenig überraschend war 2020 auch für den internationalen Kunstmarkt ein schwieriges Jahr, wobei die Auktionshäuser deutlich besser durch die Krise kamen als die Mehrzahl der Galerien. Während letztere den Ausfall ihrer wichtigsten Verkaufsplattformen, der Kunstmessen, verkraften mussten, sind Käufe auf Distanz (über Telefon oder Internet) im Auktionshandel seit langem an der Tagesordnung – zumal hier anders als in Galerien vornehmlich mit „sicheren“ Werten gehandelt wird. In Krisenzeiten sind Sammler offenbar weiterhin bereit, ihr Geld auf moderne Klassiker oder die Alten Meister einer bekannten Privatsammlung zu setzen, wie das Kölner Kunsthaus Lempertz vorführte; junge, „erklärungsbedürftige“ Kunst lässt sich dagegen, so der Kölner Galerist Thomas Rehbein, im Online-Schaufenster nur schwer verkaufen.
Die zehn teuersten Kunstwerke von 2020 erklären sich dem westlichen Betrachter überwiegend von selbst – wobei der boomende Kunstmarkt in Asien hier vermehrt für Ausnahmen von der Regel sorgt. Auf Platz zwei der Teuersten-Liste findet sich eine Papierrolle des chinesischen Meisters Wu Bin, entstanden im Jahr 1610. Sie zeigt zehn Ansichten eines zerklüfteten Steins und sorgte bereits 1989 bei Sotheby’s für Aufsehen, als sie für einen siebenstelligen Betrag verkauft wurde. Jetzt wechselte sie in Peking für ein Vielfaches, nämlich 63 Millionen Euro, den Besitzer.
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Ren Renfa dürfte den meisten westlichen Sammlern ebenfalls kaum geläufig sein; in seiner chinesischen Heimat sind seine Naturansichten aus der Yuan-Dynastie Klassiker. „Fünf betrunkene Prinzen reiten heim“ rangiert auf Platz fünf der weltweiten Kunstverkäufe, eingerahmt von westlichen Stars wie Roy Lichtenstein (Platz 3), David Hockney (4), Cy Twombly (6) und Mark Rothko (8).
Der Trend zum Bewährten hält an, auch wenn die Nachfrage im Hochpreissegment eher dünn war. Im Übrigen sehnen sich offenbar auch die Superreichen im Coronajahr nach bunten Fluchten – David Hockneys Ausflug in den „Nichols Canyon“ spricht jedenfalls dafür.