Der US-Regisseur William Friedkin („The French Connection“, „Der Exorzist“) ist mit 87 Jahren gestorben. Eine Würdigung.
Toter Hollywood-RegisseurWie William Friedkin gleich zweimal das Kino veränderte
Jahre später verriet William Friedkin einem Interviewer, dass er die berühmte Autoverfolgungsjagd in „The French Connection“ („Brennpunkt Brooklyn“, 1971) zum Rhythmus von Santanas „Black Magic Woman“ geschnitten hat. Aber im fertigen Film hört man keine Musik, nur das Rattern der Hochbahn, die der Killer eines französischen Heroinkartells gekidnappt hat, und das Quietschen der Reifen des braunen Pontiac, in dem Gene Hackmans Drogenermittler Jimmy „Popeye“ Doyle die Bahn mit 150 Kilometern pro Stunde verfolgt, das dringliche Hupen, mit dem er sich freie Bahn zu schaffen versucht und das Geräusch von Metall auf Metall, wenn er mit anderen Autos oder Gegenständen kollidiert: die Sinfonie einer Großstadt am Rande des Nervenzusammenbruchs.
Der Killer erschießt auf seiner Flucht einen Polizisten, zuvor hatte er bereits eine junge Mutter mit einem Schuss getötet, der eigentlich Doyle galt. Doch der handelt nicht weniger rücksichtslos, fährt in seiner Raserei beinahe eine Frau mit Kinderwagen um. Die Verfolgungsjagd gilt bis heute als die beste der Filmgeschichte. Nicht zuletzt, weil der Zuschauer spürt, dass manche Zusammenstöße wohl eher nicht geplant waren, dass die Filmcrew hier mit dem eigenen Leben und auch mit dem Leben einiger unbeteiligter Passanten spielt.
Angeblich hatte Friedkin einen Verantwortlichen der Betreibergesellschaft des New Yorker ÖPNV mit einem Bestechungsgeld von 40.000 Dollar überredet, alle Regeln zu ignorieren. Sie funktioniert so gut, weil sie die Besessenheit von Hackmans Anti-Helden widerspiegelt, aber auch die Besessenheit seines Regisseurs.
Am Montag ist William Friedkin in seinem Haus in Los Angeles gestorben, er wurde 87 Jahre alt. Obwohl er seine größten Erfolge bereits Anfang der 1970er feierte, hatte der Sohn jüdischer Einwanderer aus der Ukraine bis zuletzt gedreht. Sein letzter Film „The Caine Mutiny Court-Martial“ mit Kiefer Sutherland und Jason Clarke soll im September beim Filmfestival in Venedig Premiere feiern, das Friedkin vor zehn Jahren einen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk verliehen hatte.
Gene Hackman handelte sich eine Klage wegen Amtsanmaßung ein
Mit dem mehrfach Oscar-prämierten „The French Connection“ hatte Friedkin den Polizeifilm für immer verändert. Es war weniger die heute ikonische Verfolgungsjagd, die damals so revolutionär wirkte, als das schäbige Klein-Klein der Ermittlungen, die ihr vorangehen. Willkürliche Razzien, nächtliche Überwachungen, alltägliche Brutalität. Das alles gehörte zum schonungslosen Realismus, dem sich Friedkin verpflichtet fühlte: Die Originalschauplätze, an denen gedreht wurde, die moralische Ambiguität seiner Protagonisten, die akribische Vorbereitung – Hackman handelte sich eine Klage wegen Amtsanmaßung ein, als er einen Polizisten, den er zu Recherchezwecken auf Streife begleitete, bei einer Festnahme half.
Friedkin selbst hatte sich in den Jahren zuvor einen Namen mit TV-Dokumentationen gemacht. In „The People vs. Paul Crumb“ porträtierte er einen Mörder im Todestrakt, in „The Thin Blue Line“ zeigte er Polizisten im Kampf gegen eskalierende Verbrechensraten.
Sein nächster Film würde sogar noch einflussreicher werden: „The Exorcist“ („Der Exorzist“, 1973), die Geschichte eines von einem Dämon besessenen 12-jährigen Mädchens und den katholischen Priestern, die ihn ihr austreiben wollen, gilt noch immer als das Nonplusultra des Horrorfilms, mit Schockeffekten, die unerreicht bleiben. In Testvorstellungen flohen Zuschauer aus den Kinosälen, andere fielen in Ohnmacht. Während der unfallträchtigen Dreharbeiten raunte die Crew bald von einem Fluch, der über dem Film läge, als hätte Friedkin selbst den Teufel heraufbeschworen. Tatsächlich war es seine kubrick‘schen Akribie, die die Beteiligten an ihre körperlichen und geistigen Grenzen brachte.
Aber der fertige Film wurde zu einem der größten Blockbuster der 1970er Jahre und zum ersten Horrorfilm, der für einen Oscar nominiert wurde. Friedkin hatte das Genre vom Kandelaber-Schmu transsylvanischer Schlösser befreit und das Böse in den amerikanischen Alltag geholt, wo es sich im Zuge von Vietnam-Krieg, Watergate-Skandal und dem großen Kater nach den Umwälzungen der 60er Jahre genüsslich breit machte.
An diese beiden frühen Meisterwerke konnte der Regisseur nie mehr anknüpfen, sein nächster Film, „Sorcerer“ („Atemlos vor Angst“, 1977), eine aufwendige Neuverfilmung von Henri-Georges Clouzots Klassiker „Lohn der Angst“, wurde zum teuren Flop. Eine Woche zuvor war „Star Wars“ in die Kinos gekommen, Friedkins durch und durch pessimistisches Menschenbild war plötzlich nicht mehr zeitgemäß. Er selbst hielt „Sorcerer“ immer für seinen besten Film und Jahrzehnte später finden sich immer mehr Kritiker und Kollegen, die dieser Einschätzung zustimmen.
Tatsächlich fand Friedkin regelmäßig zu alter Form zurück, etwa mit dem Noir-Thriller „Leben und Sterben in L.A.“ (1985) oder dem schwarzhumorigen Krimistück „Killer Joe“ (2011), das auch Matthew McConaugheys zweiten Karriere-Frühling einleitete.
Ellen Burstyn, die im „Exorcist“ die geplagte Mutter der besessenen Regan gespielt hatte, schrieb jetzt im Fachmagazin „Deadline“ die schönste Würdigung des Regisseurs: „Mein Freund Bill Friedkin war ein Original; klug, kultiviert, furchtlos und äußerst talentiert. Am Set wusste er, was er wollte, er würde alles tun, um es zu bekommen, und er war in der Lage, es loszulassen, wenn er etwas Besseres sah. Er war zweifelsohne ein Genie.“