Horrorfilm „Nope“Wie uns Jordan Peele erst lachen, dann fürchten lehrte
New York – Als der New Yorker Regisseur Jordan Peele 2017 mit dem Horrorfilm „Get Out“ einen beispiellosen Erfolg feierte – mit einem Budget von 4,5 Millionen Dollar spielte der Film mehr als 255 Millionen Dollar ein –, schien der gleichsam aus dem Nichts zu kommen: Zwar war Peele kein Unbekannter, doch kannte man ihn vor allem als eine Hälfte des Comedy-Duos, das er mit Keegan-Michael Key bildete. Deren Show „Key & Peele“ lief von 2012 bis 2015 auf Comedy Central.
Einen Großteil der Sketche findet man auf Youtube, einige ihrer Charaktere sind bis heute fest in der amerikanischen Populärkultur verankert, etwa Keys „Wut-Übersetzer“ für Barack Obama, der das Innere des stets gefasst wirkenden US-Präsidenten nach Außen krempelte. Obama setzte ihn schließlich sogar selbst für seine Rede beim White House Correspondents Dinner ein. Ebenso Peeles extrem übergewichtiger Nerd Wendell Sanders oder seine extrem übergriffige Dauerverlobte Meegan.
Das alles qualifiziert noch nicht zum Horror-Auteur. Für „Get Out“ wurde Peele unter anderem mit dem Oscar für das Beste Original-Drehbuch ausgezeichnet. Er war der erste afroamerikanische Gewinner in dieser Kategorie. Auch sein zweiter Film „Us“ wurde zum mit Preisen überhäuften Kassenerfolg und Nummer Drei, „Nope“, der an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft, setzte zumindest in den USA diesen Doppelerfolg bei Publikum und Kritik fort.
Ein Millionenpublikum abseits der Superhelden-Filme
Hier gilt Peele längst als große Hoffnung des Autorenfilms: Wer außer ihm dreht heutzutage noch durch und durch originelle und explizit politische Filme, die ein Millionenpublikum abseits der Superhelden-Franchises finden?
Schaut man sich einige „Key & Peele“-Folgen einmal genauer an, entdeckt man aber die inhaltlichen und stilistischen Fäden, die sich durch Peeles gesamtes Werk ziehen. Der Witz und das Unheimliche genießen ja schon bei Freud den gleichen VIP-Zugang zum Unbewussten.
Sketche wie „Baby Forest“, in dem Peeles Kopf auf dem Körper eines Kleinkindes montiert ist und mit den Manierismen des Schauspielers Forest Whitaker die Nerven seines Babysitters zerrüttet, kann man ebenso gut als Horrorkurzfilm betrachten.
Spaß-Hommage an Stanley Kubrick
Andere wiederum sind klassische Hommagen ans Genre, wie etwa der Sketch („Continental Breakfast“) über den Handlungsreisenden, der das höchst durchschnittliche Frühstücksbuffet seines Hotels als solchen Luxus wahrnimmt, dass er unfähig ist, seine Unterkunft jemals wieder zu verlassen und im Schlussgag sein Ebenbild auf einem historischen Foto des Frühstücksraums entdeckt, wie Jack Nicholson in „The Shining“.
Vor allem jedoch sind Jordan Peeles Themen im Prinzip die gleichen geblieben, das Unbewusste, das er an die Oberfläche zwingt – ob durch Lachen oder Schrecken – ist ein kollektives. Immer wieder haben Key und Peele in ihrer Show das volatile Verhältnis zwischen den Ethnien in den USA, vor allem selbstredend das zwischen Schwarz und Weiß, in schmerzhaft lustiger Weise offengelegt.
Söhne weißer Mütter und schwarzer Väter
Beide sind Söhne weißer Mütter und schwarzer Väter und damit gewissermaßen zweisprachig aufgewachsen. Das „doppelte Bewusstsein“ mit dem der schwarze Philosoph W.E.B. DuBois das Joch der Afroamerikaner beschrieben hat, „sich selbst immer nur durch die Augen anderer wahrzunehmen“, bei Key und Peele funktioniert es in beide Richtungen – und wird so vom Unterdrückungs- zum Aufklärungsinstrument.
Das in Jordan Peeles Filmen zu gnadenloser Schärfe poliert wird: In „Get Out“ führt er den versteckten Rassismus der gut verdienenden, linksliberalen Weißen an den Küsten der USA vor und schenkt den Marginalisierten der Trump-Ära eine Metapher für ihre bedrückende Ohnmachtsgefühle: „the sunken place“ (die deutsche Synchronisation übersetzt das mit „der versunkene Bereich“).
In „Us“ zeigt Peele die vergessenen Konsequenzen eines privilegierten Lebens: Jeder gut situierte Oberflächenbewohner hat hier einen zombieartigen Doppelgänger im Untergrund – die orangen Overalls dieser Doubles erinnert wiederum an die skandalös hohe Zahl schwarzer Inhaftierter in den USA.
In „Nope“ überschreitet der Filmemacher nun zum ersten Mal die Grenzen des Horror-Genres, ohne dabei seinen grimmigen Humor zu verlieren. Der Film, in dem ein unbekanntes Flugobjekt eine Ranch heimsucht, auf der Pferde für Hollywoodfilme trainiert werden, wagt sich weit in Science-Fiction-, Western- und Thriller-Gefilde vor. Und erzählt auf diese Weise sowohl von Hollywoods vergessener schwarzer Geschichte, vom Verlangen, ebenfalls auf der Leinwand repräsentiert zu werden, als auch von der Ausbeutung und Leere hinter dieser Bildersucht.
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Das alles aber in den spektakulären Imax-Panoramen des Christopher-Nolan-Kameramannes Hoyte van Hoytema und mit zahllosen Verweisen auf Steven Spielbergs frühe Wunderjahre. „Nope“ ist ein Film, den man mindestens zweimal sehen muss, einmal, um die Fingernägel in die Kinositzlehnen zu krallen und sich vor dem Unheimlichen zu fürchten – und dann, um endlich zu verstehen und umso befreiter aufzulachen.
„Nope“ läuft ab Donnerstag in den deutschen Kinos