Der österreichische Sender „Auf 1″ wird von Björn Höcke gefeiert und zeigt bei „Querdenker“-Demonstrationen Flagge. Bisher wurde er vor allem über Telegram verbreitet – nun ist er im Satellitenfernsehen. Was ein Stuttgarter Mediziner damit zu tun hat – und wofür er jetzt verantwortlich ist.
Auf Umwegen zur LizenzTV-Kanal „Auf1“: Wie kommt ein Verschwörungssender ins Fernsehen?
Anfang August in Berlin. Drei Jahre nach ihren ersten Großdemonstrationen in der deutschen Hauptstadt wollen es die „Querdenker“ rund um den Stuttgarter Michael Ballweg noch einmal wissen. Sie haben zu einer Art Revival geladen. Zu einer Demo gegen Corona-Impfungen und für Frieden – oder zumindest das, was sie unter Frieden verstehen. Gegen die Nato, gegen eine militärische Unterstützung der Ukraine. So viele Menschen wie drei Jahre zuvor kommen dabei nicht mehr zusammen.
Ein paar Tausend sind es immerhin noch. Am Rande der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor steht auch ein blauer Transporter des Senders „Auf 1“, der aus Oberösterreich angereist ist. „Folgen Sie der Wahrheit“ steht in großen Lettern auf dem Heck des Transporters, und: „Genug von Klima-Lüge? Corona-Lüge? Kriegs-Lüge?“.
TV-Sender „Auf 1“ versteht sich als „Alternativmedium“
Mit Wahrheit im herkömmlichen Sinn, mit überprüfbaren Fakten, hat die Arbeit des rechten „Alternativmediums“ wenig zu tun. „Auf 1“ ist längst zu einer festen Größe unter den Hofberichterstattern der Pandemieleugner, Verschwörungsideologen und Rechtsextremen geworden. In Österreich wie in Deutschland.
Der Sender tritt regelmäßig bei Demonstrationen auf – sowohl als „Berichterstatter“ als auch als Werber in eigener Sache, mit seinem blauen Transporter und mit Werbematerialien, auf denen etwa die antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählung vom „Great Reset“ verbreitet wird. AfD-Rechtsaußen Björn Höcke bewirbt den Kanal unermüdlich auf seinem Telegram-Account.
„Großangriff aufs Medienkartell“
Bislang verbreitete der Sender seine Inhalte vorzugsweise in den sozialen Netzwerken. Auf Telegram folgen ihm allein mehr als 240.000 Menschen. Nun aber ruft Chefredakteur Stefan Magnet einen „Großangriff aufs Medienkartell“ aus: Sein Sender habe jetzt einen Programmplatz im „echten Fernsehen“ und sende täglich sechs Stunden auf einem Satellitenkanal.
Wie konnte das passieren? Bislang hatten die deutschen Medienaufsichtsanstalten keine Handhabe gegen das Programm, konnten nicht prüfen, ob und wie journalistische Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Von der Berliner Landesmedienanstalt hieß es vergangenes Jahr auf ZDF-Anfrage, man beobachte den Sender zwar, aber für ein Angebot aus Österreich sei man nicht zuständig.
Magnet ist ein 39-jähriger umtriebiger Unternehmer mit einer gut dokumentierten rechtsextremen Jugend und besten Verbindungen in die österreichische Politik, vor allem in die FPÖ. Um eine eigene Sendelizenz in Deutschland bemühte er sich nicht.
„Auf 1“ nutzt die Rundfunklizenz von „SchwarzRotGold TV“
Stattdessen sendet „Auf 1″ nun auf dem Kanal des Senders „SRGT TV“, der bis vor kurzem noch „SchwarzRotGold TV“ hieß. Ein baden-württembergischer Arzt hat im Juli 2021 eine Rundfunklizenz bei der Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart beantragt und bekommen – nach eigener Darstellung hauptsächlich, um Rechtssicherheit für seinen Youtube-Kanal zu erhalten. Dort veröffentlicht Wilfried Geissler Videos über „Impfschäden“, „Wie die Freimaurer Stuttgart kontrollieren“ und ein Interview mit AfD-Chefin Alice Weidel. Seine Verbreitung ist überschaubar: 5000 Menschen haben seinen Kanal abonniert, die meisten Videos haben weniger Aufrufe.
Geissler zeichnet nun für die deutschen Behörden verantwortlich für die Inhalte von Stefan Magnet und seinem Alpenkanal. Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland teilt die Landesanstalt mit: „SchwarzRotGold TV ist für die Einhaltung der Vorgaben des Medienstaatsvertrags verantwortlich – auch bei der Verbreitung von fremdproduzierten Inhalten. Als Medienaufsichtsbehörde für Baden-Württemberg kontrolliert die Landesanstalt die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bei den in Baden-Württemberg lizenzierten privaten Rundfunkprogrammen und wird sich in diesem Rahmen auch mit den aktuellen Änderungen im Programm von SchwarzRotGold TV befassen.“
„Auf 1″ tritt zwar als vermeintlich journalistisches Medium auf. Mehrere seiner Mitarbeiter sind aber eindeutig in der Ecke des äußerst rechten Aktivismus verortet. Seit Sommer 2022 beschäftigt AUF1 Martin Müller-Mertens als Hauptstadtkorrespondenten in Berlin. Müller-Mertens hatte zuvor als Videoredakteur für das rechtsextreme und vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtete „Compact-Magazin“ gearbeitet.