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Uraufführung im Schauspiel KölnAutor probt den Untergang der Menschheit, säuft auf der Bühne ab

Lesezeit 4 Minuten
Eigentum
(Let's Face It We're Fucked)
Eine Komödie von Thomas Köck
Regie: Marie Bues
 
Regie: Marie Bues
Bühne: Heike Mondschein
Kostüme: Amit Epstein
Musik: Kat Kaufmann
Licht: Michael Frank
Video: Camille Lacadee
Choreographie: Mason Manning
Dramaturgie: Sarah Lorenz

Szene aus „Eigentum (Let's Face It We're Fucked)“ am Schauspiel Köln

Marie Bues inszeniert „Eigentum“, das neue Stück des gefeierten Dramatikers Thomas Köck im Depot 1 des Kölner Schauspiels. Unsere Kritik.

Vergangenen Donnerstag ist in den Kinos Gareth Edwards toller, oder wenigstens toll aussehender Science-Fiction Film „The Creator“ angelaufen. Der träumt von einer Welt, in der Menschen und Künstliche Intelligenzen – hier vertreten durch humanoide Roboter – in friedlicher Koexistenz einander ergänzen.

Nur einen Tag später folgt im Depot 1 die Uraufführung von Thomas Köcks neuem Stück „Eigentum“, einer Auftragsarbeit für das Kölner Schauspiel. Auch dort wird der KI nicht mit Skepsis begegnet, sondern mit offenen Armen.

Der Untertitel von Thomas Köcks Komödie: „Let‘s face it we‘re fucked.“

Ein Zusammenleben steht aber außer Frage, die Menschheit hat in „Eigentum“ ausgedient, die Maschinen lösen sie ab. Der ruppige Untertitel des Stücks, es sind die ersten, noch vor dem Vorhang gesprochenen Worte des Abends, sagt alles: „Let‘s face it we‘re fucked.“ Genau genommen scheitert der Mensch bei Köck nicht an seinen digitalen Nachfahren, sondern an seinem Verhältnis zur Welt. Solange wir die als Eigentum und Verfügungsmasse begreifen, argumentiert er, werden wir sie verlieren.

Eine nachvollziehbare, wenn auch nicht übermäßig originelle Einsicht. Doch der österreichische Dramatiker hat noch viel mehr zu sagen, Grundlegendes. Er spannt den weitest möglichen Bogen, um das, was mit unserer Spezies falsch läuft, beziehungsweise gelaufen ist – Sie erinnern sich: we‘re fucked – sprachlich und szenisch in den Griff zu bekommen. Aber es ist schwer zu fassen. Vielleicht hat es etwas mit dem Kausalzusammenhang von Techne und Telos zu tun, den die alten Griechen schon kannten, bevor sie die Philosophie erfanden.

Was, wenn die Menschheit nur am eigenen Untergang arbeitet?

Jetzt eröffnet am Ende von „Eigentum“ ein pubertierendes Cyborg-Kind in Gestalt des kupfern glänzenden und stimmverzerrten Yuri Englert seinen Zieheltern, das alles, wofür sie und die Generationen vor ihnen gearbeitet haben, konsequenzlos bleibt: „Was wenn all das verschwindet und niemanden hats interessiert.“ Die Technik war das Ziel, nicht das, was man mit ihr zu erreichen glaubte.

Oder so ähnlich. Denn warum die Maschine nun das Haus und der Körper ist, wie sie raunt, erschließt sich nur schwer. Und am ehesten noch aus dem Programmheft. Darin erzählt der Autor im Interview, dass er eigentlich eine schlichte Komödie über die völlig kaputte Wohnraumsituation schreiben wollte, „und dann ist mir etwas explodiert beim Schreiben“.

Der Abend führt von James Cooks Entdeckungsreisen bis in den Weltraum

Weshalb der Abend nun mit der parabelhaft gescheiterten Inbesitznahme einer Vulkaninsel durch den Entdecker James Cook beginnt, bevor er zum absurden Theater einer Hausbesichtigung wird, bei der immer mehr kaufwillige Paare versuchen, Wohnraum für sich zu reklamieren — und schließlich ein paar tausend Jahre in die Zukunft springt, auf eine Weltraumstation mit Vater, Mutter, Cyborg-Kind, die auf die zerstörte Erde hinabblicken.

Regisseurin Marie Bues arbeitet seit Jahren mit Thomas Köck zusammen, deswegen weiß sie bereits, dass man seine sprachmächtigen Beschreibungen am besten Sprache sein lässt und nicht mit großen Bildern dagegen arbeitet. Scheinbar hat sie auch eine Lösung gefunden, die disparaten Teile zusammenzufügen: Birgit Walter, Melanie Kretschmann und Jörg Ratjen leiten als süffig-mokantes Erzählertrio durch den Abend, ihr Text setzt sich unter anderem aus Nebenbemerkungen und Regieanweisungen Thomas Köcks zusammen.

Die sind oft interessanter als das Stück selbst, zumal wenn man sich wie Jörg Ratjen nicht nur mit den Worten des Autors empört, sondern auch über dessen Worte. In diesen Momenten des Haderns, des bewusst schlampigen Improvisierens und Gegen-den-Strich-Bürstens erwacht der Text endlich zum Leben.

Das Stück selbst dreht dagegen nur kurz einmal auf, wenn Katharina Schmalenberg als Maklerin auf einem E-Board hereingerollt kommt, nicht weniger als neun schwarze Designer-Handtaschen balancierend. „Da die Zimmer, dort die Tür, da die monatlichen Raten und nirgendwo ein Ausweg“, weist die Schmalenberg mit schmissigem Zynismus den Weg durch das klapprige Bühnengestänge, das ein bisschen an die minimalistischen Konzept-Skulpturen von Sol LeWitt erinnert, es steht ja für die ins Schwanken geratene Idee des Eigentums.

Der Stellungskrieg der einzelnen Parteien um jedes einzelne Zimmer fällt noch ganz vergnüglich aus, doch als Köck im letzten Kapitel versucht, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zur Großthese über so ziemlich alles übereinanderzulegen, mutiert die schlichte Komödie zur bedeutungshubernden Tirade ihres Autors. Es ist eine Qual. Auch Marie Bues fällt dazu nicht mehr ein, als ihre Darsteller inhaltsschwer die Bühne und ihre Erhebungen beschreiten zu lassen und Köck‘sche Pseudo-Geistesblitze mit albernen Soundeffekten zu unterstreichen.

Zum effektvollen Schluss machen sich die Bühnenarbeiter mit schwerem Gerät am Eigentum zu schaffen. Aber fürs Publikum kommt der Abriss eindeutig zu spät: We're fucked.


Regie: Marie Bues, Bühne: Heike Mondschein, Kostüme: Amit Epstein, Musik: Kat Kaufmann, Licht: Michael Frank, Video: Camille Lacadee, Choreografie: Mason Manning, Dramaturgie: Sarah Lorenz

Mit: Florence Adjidome, Alexander Angeletta, Ariel Cohen, Lara Berenike Dabbous, Yuri Englert, Ruben Fritz, Nina Karsten, Melanie Kretschmann, Justus Maier, Jörg Ratjen, Katharina Schmalenberg, Birgit Walter

Nächste Termine: 1., 15., 17., 28. Oktober, 9. 10, 14. November, Depot 1, 140 Minuten, eine Pause