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Urbäng!-FestivalSie laden Top-Produktionen aus der ganzen Welt nach Köln

Lesezeit 3 Minuten
Mouvoir: The breathing ritual

"The breathing ritual" von der Kölner Gruppe Mouvoir im Museum Ludwig

Das Kölner Urbäng!-Festival der performativen Künste wird 20 und bespielt zum ersten Mal die Alte Feuerwache.

Es könnte in der und mit der ganzen Stadt spielen, deshalb heißt es „Urbäng!“. Die Aufrappel-Vorstellung täte auch der Kulturpolitik vor Ort ganz gut. Die vier Tage des Festivals ab dem 12. Februar zeigen, was geht und eigentlich mehr: mit Tanz, Theater, Performance, Film, Konzert und Gesprächen, dazu Workshops, Bar, Party und Installationen. Organisiert wird das alles von den Künstlerinnen des Netzwerks Freihandelszone, das seit erstaunlichen 20 Jahren besteht und sich aus den Gruppen Mouvoir, Wehr51, A.Tonal-Theater und Futur3 zusammensetzt.

In diesem Jahr findet „Urbäng!“ zum ersten Mal im Februar statt und in der Alten Feuerwache. Eine Ausnahme: in Zukunft soll es wieder an seinen Stammtermin im Herbst und in das Orangerie-Theater zurückkehren. Bis 2016 hieß das Freihandelszonen-Festival noch ausgreifend „Globalize Cologne“. Der Impuls zum internationalen Fenster-Auf! ist aber geblieben und mit ihm der Anspruch an Kunst, nicht bequem zu sein. „Wir fragen uns“, sagt Jörg Fürst vom A.Tonal-Theater, „welche Fantasien wir den Kürzungsfantasien der Politik entgegensetzen können.“

Den Kürzungsfantasien der Stadt anderen Fantasien entgegensetzen

So macht gemeinschaftliches Atmen hier kein schönes „Omm“-Gebrumm, sondern das „Breathing Ritual“ am Festivalbeginn verspricht Aufregung. Die Choreografin Stephanie Thiersch, Leiterin von Mouvoir, baut eine Szene aus ihrem Stück „Archipel“ von 2020 neu: Statt des Norwegian Soloists‘ Choir keuchen, rufen, hauchen nun 40 Tänzerinnen, Tänzer und weitere Bürgerinnen die Komposition von Brigitta Muntendorf in die Kölner Luft. Es soll auch ein Aufruf sein, gegen Gewalt und auch für Solidarität mit prekär finanzierten Frauenhäusern.

Choreografie kann vieles sein. Bei „A Beginning #16161D“, inszeniert von Aurora Bauzà und Pere Jou aus Barcelona, das später am Eröffnungstag aufgeführt wird, verteilt sie gesungene Töne im tiefschwarzen Theatersaal. Sie lässt irgendwo mattes Licht werden, der Titel benennt so eine Farbe. Dann graue Blüten im Dunkeln, die als Finger erkennbar werden, vor Lämpchen gespreizt. Die Leuchten werden zur Lichtlinie, zu Noten, sie erschaffen an und mit den Gesichtern Bilder und Skulpturen-Büsten, alte christliche Kunstwerke. Die fünf Sängerinnen und Sänger bauen dabei ihre scheinbar körperlosen, wunderbar klaren Klänge und mehrstimmige Harmonien auf. Allegris legendäres „Miserere“ ist dabei. Perfekt. „Beseelt“ wäre ein altmodisches Wort dafür.

Die Klang-Licht-Performance, die vor einem Jahr in Darmstadt beim Spring-Forward-Nachwuchs-Festival beglückte, erinnert an früher Heiliges, ehrt es, hält Distanz, fragt: Gilt das noch? Was lebt?

Eine Punk-Version der Oper „Wozzeck“

Der „L’homme rare“ der Choreografin Nadia Beugré aus Cote D’Ivoire, der „seltene Mensch“ oder „Mann“, lebt in fünffacher Ausfertigung, nackt, schwarz und mit dem Rücken zum Publikum (15. Februar). Vorher befragt der afroamerikanische Tänzer und Choreograf Trajal Harrell seine eigene Selten- oder Besonderheit – und die des zeitgenössischen Tanzes – im Solo mit dem Gewinnertitel „Dancer of the year“.

Der Untertitel des diesjährigen Festivals könnte „Herzenssache“ lauten, meint Stephanie Thiersch. „Wir haben nicht nach Hypes geguckt, sondern nach Lieblingsstücken.“ Ihre Netzwerk-Kollegen laden Gastspiele aus Ungarn, Belgien und der Ukraine ein, darunter eine VR-Installation über ein Untergrundtheater und die Kraft von Imagination: „Necromancy“. Mit seinem „Wozzeck“ mischt das berühmte inklusive RambaZamba-Theater aus Berlin am 13. Februar den Opernkanon auf. In dem Pop-Punk-Puppenspiel lässt es seine Band 21 downbeat Alban Bergs Komposition zerrupfen.

Wer darüber nachdenkt, ob Köln und die Welt nicht mehr Urbängs brauchen, kann sich Argumente bei der Autorin Kathrin Röggla und dem Künstler Marcel Odenbach abholen, die in „Vor der Wahl?“ auch über Politik reden werden. „Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch“, sagt Rosie Ulrich von Wehr51. „Mit unserem Festival wollen wir Austausch ermöglichen, nicht nur unter Künstlern.“

Ab dem 12. Februar, 18.30 Uhr bis zum Sonntag in mehreren Räumen der Alten Feuerwache, Infos und Tickets finden Sie hier.