AboAbonnieren

Wallraf-Richartz-JahrbuchVon 100 Jahren Kunst in Köln

Lesezeit 3 Minuten
100 Jahre Wallraf-Richartz-Jahrbuch

100 Jahre Wallraf-Richartz-Jahrbuch

Die Freunde der Kölner Museen stellen die prachtvolle Jubiläumsausgabe des Wallraf-Richartz-Jahrbuches vor.

Der engagierte Bonner Kunsthistoriker Walter Cohen, ab 1906 in deutschen Museen tätig und ab 1920 schließlich im Kunstmuseum Düsseldorf, liebte die Alten Meister und brannte zugleich für die Gegenwartskunst, war Mentor für Künstler wie August Macke, Heinrich Nauen oder Erich Heckel. Nicht zuletzt seinem Netzwerk und Gespür für Qualität ist es auch zu verdanken, dass vor 100 Jahren unter seiner Redaktion der erste Band des Wallraf-Richartz-Jahrbuches mit Beiträgen zahlreicher namhafter Autoren erscheinen konnte.

Museumsdirektoren und Kuratoren wie Rudolf Hagelstange, Max Friedländer, Luise Strauss-Ernst und Rainer Budde schrieben darin zu den neuesten Forschungen über die vermeintlich gut bekannten Kunstwerke Wallrafs sowie die Neuzugänge der Sammlung des 19. Jahrhunderts. Bereits der zweite Band aus dem Jahr 1925 schloss auf Initiative von Cohen auch Beiträge zu zeitgenössischer Kunst – unter anderem zu Macke – ein.

Wallraf-Richartz-Gesellschaft wollte ein eigenes Jahrbuch

Initiiert hatte das Jahrbuch die zuvor zur Förderung des Museums gegründete Wallraf-Richartz-Gesellschaft – später „Freunde des Wallraf-Richartz-Museums“ und seit 1976 auch „des Museums Ludwig“. Bis heute finanziert der Verein die wissenschaftliche Publikation – und lädt nun anlässlich des Jubiläumsbandes zu einer Abendveranstaltung im Museum. Zu Gast sind auch zwei der Autoren dieses 85., mit Goldschnitt und rotem Leineneinband prächtig ausgestatteten Bandes, der sich „Köln und seiner Kunst“ widmet: Die Beiträge der beiden Kunsthistoriker stehen exemplarisch für die breite inhaltliche Vielfalt des Jahrbuches: Während Michael Rohlmann über das mittelalterliche Georgsretabel für Groß St. Martin schreibt, widmet sich Ulrich Blanché den Ursprüngen der Street-Art und Graffiti in Köln: „Neues von den Wilden der 1980er Jahre“.

Denn das Jahrbuch wird nicht nur als Kommunikationsmittel für neueste Erkenntnisse über die eigene Sammlung verstanden, sondern „nimmt zu allen Fragen der abendländischen Kunstgeschichte Stellung“, wie das Wallraf-Richartz-Museum schreibt. Anstelle von essayistischen standen von Beginn an traditionellere kunsthistorische Methoden wie Ikonografie und Stilkritik. Das Jahrbuch richtet sich jedoch trotz seines wissenschaftlichen Anspruchs auch an ein breiteres, kunstinteressiertes Publikum.

Auch wissenschaftliche Publikationen waren vor NS-Ideologien nicht sicher

Dass allerdings auch wissenschaftliche Methoden nicht vor der Instrumentalisierung für Ideologien sicher sind, zeigen die Jahrbücher, die während der NS-Zeit erschienen, als die Publikation zwischenzeitlich den Namenszusatz „Westdeutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte“ erhalten hatte. Zu aus heutiger Sicht äußerst problematischen Interpretationen kam in der Ausgabe von 1943 etwa der Kunsthistoriker Walther Karl Zülch, 1933 zum Kulturdezernenten der Stadt Köln ernannt. In seinem Beitrag zum Herrenberger Altar (1518 - 1521, Staatsgalerie Stuttgart) verschwimmen spätmittelalterlicher Antijudaismus und zeitgenössischer Antisemitismus auf erschreckende Weise. Auch auf dieses Kapitel der Geschichte des Jahrbuches blicken Herausgeber Marcus Dekiert und Redakteur Roland Krischel in ihrer Einführung zum Jubiläumsband kritisch zurück.

Nach der Zerstörung des damaligen Museumsbaus bei einem Luftangriff im Juni 1943, dauerte es noch knapp zehn Jahre, bis 1952 erstmals wieder ein Wallraf-Richartz-Jahrbuch erschien. Das sollte jedoch die einzige Unterbrechung in der nun 100-jährigen Geschichte des Erscheinens bleiben. Gaben einst noch viele Museen und ihre Fördervereine wissenschaftliche Jahrbücher heraus, so ist das Wallraf-Richartz-Jahrbuch heute eines der letzten seiner Art. Ab Ende der 1960er Jahre wurden darin, in Anlehnung an Walter Cohens Anfänge, auch wieder regelmäßig Beiträge zur modernen und zeitgenössischen Kunst –bis hin zu Graffiti in der diesjährigen Jubiläumsausgabe – veröffentlicht.


100 Jahre Wallraf-Richartz-Jahrbuch: Eine Erfolgsgeschichte!“, Veranstaltung im Rahmen der „KunstBewusst“-Reihe, 12. Dezember, 18 Uhr, Stiftersaal im Wallraf-Richartz-Museum, Obenmarspforten 40, Köln. Die Veranstaltung ist kostenlos.

Wallraf-Richartz-Jahrbuch: Köln und seine Kunst“ 85. Band, herausgegeben vom Direktor des Wallraf-Richartz-Museums sowie frühere Ausgaben können für 109 Euro direkt bei der Geschäftsstelle der „freunde“ unter 0221 25743-24 oder m.esser@kunstfreunde.koeln bestellt werden. Digital sind alle zwischen 1924 und 2017 erschienenen Ausgaben auf www.jstore.org erhältlich.