Die Wiener Band Wanda spielte vor 4000 Fans im Palladium. Die Zeit des Exzesses ist vorbei. Die Party geht weiter.
Wanda im Kölner PalladiumWas die Welt jetzt braucht, ist Amore
Die Setlist der Wiener Band Wanda beginnt am Dienstagabend im Palladium mit dem Trömmelche von den Räubern. Wanda darf das. Wanda darf auch ihren größten Hit „Bologna“, mit dem sie vor zehn Jahren auf alle moralischen und politischen Standortfragen mit „Amore!“ antwortete, als Opener spielen und dann nochmal als Zugabe.
Anderen Bands wäre das vielleicht schwer zu verzeihen, aber für „Amore!“ gibt es auch in Zeiten von Krieg, Populismus-Peaks und Demokratiekrise ein sehr hochprozentiges Ja (anders als für „Frieden!“, beispielsweise). Liebe muss der gemeinsame Nenner bleiben. Alaaf mag dazukommen.
Schwermut bleibt bei der Band um Sänger Michael Marco Fitzthum, der so wunderbar singschreien kann, wie das eigentlich nur Kurt Cobain konnte, weiterhin außen vor. Vorn wird gepogt, hinten geschmust, die Band verteilt Bierdosen und Köln-Bussis. Mischt Blues, Jazzeinlagen und Dub-Reggae in ihre eingängigen Hits wie „Bussi Baby“ oder „Meine beiden Schwestern“. Fitzthum kann es sich erlauben, auch mal eine Strophe nur „lalala“ zu singen („Schick mir die Post“) und seine Rolle als Chor-Dirigent eher routiniert abzuspulen – singt ja trotzdem jeder mit.
Stehen geblieben ist die Zeit nicht, seit die Band 2016 zum ersten Mal im Palladium aufgetreten ist. Vor der Halle steht ein Paar mit Baby und Freundin. „Müsste klappen, sie hat nur zweimal 20 Minuten geschlafen heute“, sagt der Vater, „ich krieg' sie schon ruhig“, beruhigt die Freundin, bevor das Paar hineinschwebt. Der 37-jährige Fitzthum ext keinen Whiskey mehr, er bleibt beim Wasser, in dem Song „Ich will Schnaps“ hat er ein „nie mehr“ eingepflanzt.
Dass man ängstlicher wird und einsamer, grausamer, kindischer, lächerlicher und verletzlicher mit den Jahren, hat Wanda schon vor zwei Jahren gewusst („Va bene“) – „Und es muss trotzdem alles weitergehen“ schreit der Fan-Chorus aus eigener Erfahrung mit.
Das Lebensliebeslied von Wanda ist nachdenklicher geworden
Das Lebensliebeslied von Wanda ist nachdenklicher geworden. Das aktuelle Album „Kein Ende nie“ erzählt nicht mehr von den Lebemännern, die das Rausch-Rock-Klischee mit Jägermeister und Kettenrauchen auf der Bühne gelegentlich etwas überstrapazierten, sondern davon, was Leben jenseits der Party bedeuten könnte. Der Tod des Keyboarders Christian Hummer im Herbst 2022 hat dazu beigetragen, dass Wanda sich nicht mehr nur in James-Dean’schem „Live fast, die young“-Schick ergeht. „Und Deine Angst vor dem Ende, ist so alt wie die Menschheit selbst, und wenn Du glaubst, dass es endet, bin ich da und halt Dich fest“, singt Wanda jetzt („Bei niemand anders“).
Die Transformation vom jugendlichen Rebellentum zu bestenfalls altersloser Schönheit ist ein Drahtseilakt für eine Party-Band. Offenbar gelingt sie bei Wanda: In der Halle tummeln sich Menschen zwischen 20 und Ende 60 – ähnlich wie im Leopoldistürberl in Wien, wo die Musiker der Legende nach so viel Schnaps vernichtet haben sollen, dass es ein Verbrechen gewesen sei. Wanda schafft das, weil die Band nicht nur Bussi-Baby-Gassenhauer draufhat, nicht nur ihre Generation und sich selbst besingt, sondern ein Gespür für gemeinsame Abgründe und Sehnsüchte hat. Wanda setzt nicht auf Ironie, nicht auf Provokation, nicht auf Politik, Wanda setzt auf Amore. Und die darf überstrapaziert werden, jetzt, immer, ohne Ende, nie.