Die österreichische Band gab nach Pandemie und Trauerfall endlich wieder ein Konzert in ihrer Lieblingshalle, dem Kölner Palladium.
Wanda im PalladiumSänger wundert sich: „So was gibt es nur in Köln“
Und wenn es am Ende gar keine Musik mehr braucht? Marco Michael Wanda geht am Bühnenrand in die Hocke. Er schaut ins Publikum, verwundert erst, dann hocherfreut. Rechts vor der Bühne des Palladiums hat sich ein Mosh Pit gebildet. Menschen rempeln sich lachend und schwitzend an. Dabei ist kein Ton zu hören. Die Band hält inne. Der Sänger hat sie und auch sich selbst nach der Wilden Wanda benannt, einer stadtbekannten Wiener Zuhälterin. Deren Markenzeichen war eine ausziehbare Stahlrute.
Wanda in Köln: Band und Sänger überzeugen mit Soft Power
Aber Wanda, Sänger wie Band, überzeugen mit Soft Power. So sehr, dass sie nur noch da sein müssen, schon fangen die Leute an zu tanzen. „Ein silent Mosh Pit“, kommentiert Marco, „so was gibt es auch nur in Köln.“ Und fragt sich, ob das jetzt etwa ein Meme sei? Er hätte ja kein Internet. Gut so (wenn es denn stimmt). Denn dafür weiß Wanda noch, was Präsenz bedeutet: die völlige Hingabe ans Hier und Jetzt. Die Feier der Vergänglichkeit.
„Wir sind verlor‘n“, singt Marco und im Palladium – der erklärten Lieblingskonzerthalle der Band – schallt es aus dem Saal und von den Galerien zurück: „Herrlich verlor’n.“ Die Welt ist falsch, „du bist es nicht“, heißt es weiter im Lied. Das stammt vom aktuellen, schlicht „Wanda“ betitelten Album der österreichischen Band, einem trotzigen Lebenszeichen nach zehn Jahren, die wie im Rausch verflogen waren, wilder als die Wilde Wanda.
Kurz zuvor hatte Schlagzeuger Lukas Hasitschka die Band verlassen. Es war einfach alles zu viel. Nur wenige Tage nach Veröffentlichung des Albums starb Keyboarder Christian Hummer. Nicht im Exzess, sondern nach langer, schwerer Krankheit. Die „lächerliche Zeit“ fordert hohe Tribute. Aber das zu wissen ist etwas anderes, als es dann wirklich zu erleben.
Marco Wanda spricht Köln in der zweiten Person, Singular an
Trauer lässt die Lebenswut nur umso heller leuchten. Marco wirft Bierdosen in die Menge. Verteilt billigen Bourbon in Plastikbechern. Ergeht sich in Mitsingspielchen mit dem Publikum, wie einst Freddy Mercury. Spricht Köln in der zweiten Person, Singular an, als wäre die Stadt sein Saufkumpan. Und ja, er trägt immer noch die berühmte speckige Lederjacke, die er vor Jahren für ein paar Euro auf einem Flohmarkt erstanden hat. Der Masterplan sieht wahrscheinlich vor, solange auf der Bühne zu stehen, bis sie auseinanderfällt.
Die gemeinsame Zeit im Palladium, sie vergeht wie im Flug. „Immer weiter brauche ich mehr und mehr und immer leichter wird es schwer und schwer“, reimt Marco, „und alles wirft mich aus der Bahn.“ Köln ist die letzte Station der lange verschobenen Tour und, wie Marco singt, „auseinandergeh‘n ist schwer“. Aber das macht es auch nochmal so schön.
„Nein, ich bereue nichts“, hat Édith Piaf gesungen, bevor die Band auf die Bühne ging, um diesem existenziellen Gefühl eine mitgröhlbare Form zu geben. Ihre besten Lieder schweben zwischen Chanson und Bierzeltschlager. „Wenn du mich liebst, gib mir Schnaps!“, fordert Marco. Der Mensch versteht sich im Erleben seiner selbst. Alkohol hilft dabei und befördert die Vergänglichkeit. Wenn es schon kein richtiges Leben im Falschen gibt, ein richtiges Sterben findet man allemal. Wanda haben den Schapsistenzialismus erfunden.
Zur Zugabe darf das gesamte Team auf die Bühne. Steht Arm in Arm und singt mit Marco: „Weil wir san eine Gang und wir halten z‘samm.“ Das ist Wandas „We Are the Champions“, ein Saufschlager, so blöd, dass er unwiderstehlich ist. Aber die schönste Stelle kommt immer dann, wenn Marco der Zeile „nach einer Schlägerei ins Spital“ den Turbo-Boost an Pathos verleiht und die Band mit ihm in allerschönster Kaputtheit aufzujubeln scheint.
Es folgen noch ausgedehnte Versionen von ihrer Nummer-Eins-Single „Columbo“ und von „1, 2, 3, 4“, erstere mit verschleppten Dub-Reggae-Passagen, letztere mit nun völlig ungehemmter Bierseligkeit. Dazwischen, kurz, heftig und auf den Punkt, Wandas erster Hit „Bologna“, ihre Grundsatzerklärung: „Wenn jemand fragt, wofür du stehst: Sag für Amore, Amore!“ Der Autor Rainald Goetz hat den Refrain am Ende seiner Rede zum Büchner-Preis gesungen. Als Antwort auf Frage „Wie wollen wir leben?“ Genau so, denkt man sich, als man aus dem Palladium strömt, herrlich verlor’n.