Marco Michael Wanda, Sänger der Wiener Band Wanda, über den hohen Preis des Ruhms – und wie die Musiker einen schweren Schicksalsschlag mithilfe von Therapie überstanden.
Marco Michael Wanda zum Tod seines Bandkollegen„Sitze ich zu Hause, denke ich nur an den Christian“
Mit seiner Band Wanda spielt der Wiener Marco Michael Wanda, bürgerlich Michael Marco Fitzthum, seit zehn Jahren in den großen Hallen Österreichs und Deutschlands. Seine Lieder feiern den Exzess, die Liebe, das schnelle Leben. Eine Pause gönnte sich die Band nicht.
Schlagzeuger Lukas Hasitschka wurde es schließlich zu viel, er stieg 2020 aus. Und dann starb im September 2022, wenige Tage vor Erscheinen ihres fünften, schlicht „Wanda“ betitelten Albums, Keyboarder Christian Hummer nach langer, schwerer Krankheit. Wie Wanda es schafften, trotzdem weiterzumachen, auch mithilfe von Therapeuten, erzählt Marco Michael Wanda im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Am 20. März tritt die Band im Kölner Palladium auf.
Marco Michael Wanda, als Sie Mitte der Zehner Jahre mit Ihrer Band die Kraft von „Amore“ beschworen, da stand Wanda für Schnaps und Exzess, für die Feier der Vergänglichkeit. Dabei hatten Sie doch durchaus einen Plan, verfolgten ehrgeizige Ziele?
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Marco Michael Wanda: Wir waren jetzt nicht unbedingt zielstrebige Menschen, oder eine zielstrebigere Band als andere. Aber wir haben gewusst, wenn es eine Chance gibt, dann nehmen wir die. Das habe ich mir schon als Teenager geschworen. Ich dachte: Mit mir in diesem Leben, das wird vielleicht kein gutes Ende nehmen, aber wenn es mir eine Chance hinlegt, dann greife ich zu. Das war so die Stimmung um 2014, 2015 herum. Für uns bot Deutschland dann diese Chance, als wir gemerkt haben, dass die Leute beginnen, das zu feiern. Da wussten wir: jetzt oder nie. Als Band hast du diese Chance nur einmal im Leben. Und wir haben sowas von zugepackt. Zehn verschwitzte Jungmännerhände, die mit aller Kraft diesen Traum greifen.
Jetzt haben Sie zum zehnjährigen Band-Jubiläum im vergangenen Jahr eine Platte namens „Wanda“ herausgegeben. Der eigene Name als Titel, das macht man entweder beim Debütalbum oder wenn ein Richtungswechsel ansteht.
Die Platte ist ein Abschluss, mit einer Zeit in unserem Leben, mit einer Lebenseinstellung und mit einer Art Musik zu machen. Diese Phase ist beendet. Das war zumindest die Theorie zur Platte. Aber die Theorie ist mit dem Ableben unseres Keyboarders Christian Hummer dann sowas von Realität geworden. Diese zehn Jahre sind vorbei, diese jungen Männer sind nicht mehr dieselben und einen von ihnen gibt es jetzt nicht mehr. Insofern ist das wirklich ein Schlussstrich geworden.
Beim ersten Hören wirkt die aktuelle Platte wie ein „Best-of“, später merkt man dann, dass es da Brüche gibt, dass Sie „ängstlicher, einsamer, grausamer, kindischer, verletzlicher“ geworden sind, wie es in einem Lied heißt.
Wir haben versucht, zurückzureisen in die Zeit der Anfangstage, dieses Gefühl noch einmal zu beleben. Und ob das gelungen, das kann ich nicht beurteilen. Wichtig ist mir einfach nur, dass das, was wir machen, weiterhin Menschen bewegt. Solange andere darin ihr eigenes Leben wiedererkennen, oder irgendeinen anderen Nutzen daraus ziehen können, so lange macht das Sinn. Mit welcher Art von Musik man dahin kommt, das fand ich nie so relevant.
„Einer nach dem ander‘n hört zum Rauchen und zum Saufen auf“, lautet die erste Zeile vom ersten Song. Damit meinen Sie dann irgendwann auch sich selbst?
Ja, das sind wahrscheinlich am Ende auch wir. Also wenn wir das hier nochmal zehn Jahre machen wollen, dann müssen wir auf jeden Fall etwas verändern. Wir lernen gerade, wie wichtig es ist, dass wir in unserem eigenen Leben aufräumen, damit diese Band überhaupt weiterlaufen kann.
Die schlimmste Zeit, sagen Sie, war die, in der Wanda auf dem Gipfel des Erfolges standen. Was war so schlimm daran, in Österreich einen Nummer-Eins-Hit zu haben?
Ja, das war so, das war so um 2017/18 herum. Da war für uns das Drama vorgezeichnet, denn da ist Christians Krankheit zum ersten Mal diagnostiziert worden. Gleichzeitig hatten wir diesen Riesenerfolg. Dieser Zug ist davor jahrelang einfach nur geradeaus gerauscht und wir haben uns nur festhalten können, um nicht runterzufallen, zum Abspringen war er zu schnell. Wir waren damals noch sehr jung, konnten mit dieser Geschwindigkeit überhaupt nicht umgehen – und dann diese furchtbare Diagnose. Es war entsetzlich und wir haben immer geschaut, dass wir das die Öffentlichkeit nicht spüren lassen. Das war das Einzige, worauf wir uns konzentriert haben. Wir wollten niemandem die Party vermiesen.
Und dabei haben Sie sich selbst vergessen?
Die Entscheidung, mit derselben Geschwindigkeit weiter zu rauschen, das war ein herzzerreißender Akt der Selbstaufgabe. Ob das so gesund war, weiß ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass die Menschen, die wir damals waren, eine andere Chance gehabt hätten. Das war damals die einzige Möglichkeit. Mit meiner heutigen Erfahrung würde ich mit so einer Situation ganz anders umgehen.
Welche Erfahrungen sind denn dazugekommen?
Die Erfahrungen haben sich über die Jahre summiert. Die Geschwindigkeit der ersten Jahre war einfach zu hoch angesetzt, das haben wir nach und nach begriffen. Andererseits kann man in einem Geschäft wie dem unserem nicht mit halber Geschwindigkeit fahren. Bis zur völligen Erschöpfung zu arbeiten, das ist part of the game, das gehört einfach dazu. Wir hatten anfangs fast schon reflexartig gelernt, je schneller unsere Geschwindigkeit und je höher die Intensität, desto mehr kommt auch von außen. Das lernt man quasi wie ein Hund, dass man dafür belohnt wird, dass man sich komplett kaputt macht. Diese Phase muss man halt irgendwie überstehen und das haben wir zum Glück, mehr oder weniger.
Stand auch die Option, die Band aufzulösen, im Raum?
Wir alle haben uns die ganze Zeit überlegt, es sein zu lassen, jeder für sich seine Weise. Wir haben aber nie darüber geredet. Ich hatte mehr als einmal für mich entschieden, dass ich das jetzt lasse. Ich hatte wirklich Angst, dass das zu etwas ganz, ganz schrecklichen führen könnte.
Dann hat der Albumtitel „Wanda“ ein heimliches Ausrufezeichen hinter sich, im Sinne von: Wir sind noch da!
Ja, es gibt uns noch, zum Glück. Jetzt wollen wir uns so schnell, wie möglich, so weit wie möglich von dem Punkt entfernen, an dem wir die letzten Jahre waren.
Wie stellt man das an?
Therapie! Also, da führt kein Weg daran vorbei. Das schafft ein unglaublich angenehmes Arbeitsklima, wenn man mit Freunden und Kollegen arbeitet, die auch in Therapie waren. Das ist eine ganz andere Gesprächskultur, eine ganz andere Achtsamkeit. Am Anfang hat man diesen Traum: Ja, ich werde Rockstar! Aber wenn das dann passiert, ist das einfach zu viel für das Nervensystem eines Menschen, diese permanente Erregung. Von 2013 bis 2020 waren wir ein einziger Nervenzirkus.
Gab es Entscheidungen, die Sie im Nachhinein bereut haben?
Ich kann nichts bereuen, weil ich nicht das Gefühl habe, ich hätte überhaupt etwas anders machen können. Man ist da halt irgendwie durch und hat geschaut, dass man das überlebt. Das war ja auch symptomatisch, dass Lukas Hasitschka, unser Schlagzeuger, genau am Anfang der Pandemie, also in der ersten Ruhephase, für sich entschieden hat: Fuck it, no way, da mache ich nicht mehr mit. Das hat den ersten großen Prozess der Reflexion in der Band in Gang gesetzt: Kann das sein, dass der recht hat und hier alles gegen die Wand knallt?
Als Ersatz haben Sie keinen Superdrummer per Inserat gesucht, sondern Euer altes Gründungsmitglied Valentin Wegscheider zurück in die Band geholt …
Ja, das ist ein großes Glück. Ich kenne keine Band-Biografie, in der so etwas passiert ist, dass ein wirklich guter Freund aus- und ein anderer guter Freund einsteigt. Das war ein Geschenk.
Hat das die Band-interne Dynamik verändert?
Sofort ja, weil Valentin ein sehr ruhiger, reflektierter und aufgeräumter Mensch ist.
Sie arbeiten auch schon wieder am nächsten Album?
Ja, Tag und Nacht. Das ist ein sehr intensiver, heilsamer Prozess. Es gibt viel zu arbeiten, an uns, an der Gruppe, an der Musik. Wenn ich zu Hause sitze, dann denke ich eigentlich die ganze Zeit nur an den Christian. Da wieder herauszufinden, das schaffe ich am ehesten noch im Studio.
Und die Songs hatten Sie alle schon geschrieben?
Das Material kam in wenigen Wochen, so rund um den Jahreswechsel. Da ist irgendwas passiert. Ich hätte am Tag zehn Lieder schreiben können. Es gab so viel in mir, das sich bewegt hat, so viel zu erzählen und aufzuarbeiten.
Eine Konstante in Ihren Liedern ist die Anwesenheit anderer Menschen. Es geht immer um Beziehungen und das nicht nur in der Zweivariante.
Das ist für mich die wichtigste Realität. Es gibt eine politische Realität, die ist wahnsinnig angespannt, es gibt eine Realität im Internet, die in Wahrheit nur dazu da ist, Menschen durch Empörung zu Klicks zu bewegen. Auf der anderen Seite wird von den Menschen unglaublich viel verlangt. Sie müssen immer die richtige politische Einstellung haben, sie müssen viel arbeiten für wenig Geld und dieses wenige Geld dann auch noch verkonsumieren und alles kaufen und alles haben. Da bleibt das Menschsein weitestgehend auf der Strecke. Deswegen stelle ich es in meinen Texten ins Zentrum. Die zwischenmenschliche Realität ist nämlich die wertvollste. Sie hält diese Gesellschaft zusammen.
Lassen Sie mich Ihnen zum Ende einen Satz vorlesen, den Sie mir vor acht Jahren in den Block diktiert hatten: „Wir sind nicht die lustigen Ösis, die kurz für ihre zehn Minuten Ruhm aufgeigen. Wir sind denkende, fühlende Männer auf der Suche nach Inhalt und Essenz. Wir bleiben für immer.“ Würden Sie das heute so noch unterschreiben?
Mein Gott, ich würde manchmal gern mit diesem Typ von damals ein Bier trinken. Ja, das würde ich heute immer noch so unterschreiben. Nur, dass ich etwas demütiger geworden bin: Also ob wir tatsächlich für immer bleiben werden, das weiß ich nicht mehr.
Das Album „Wanda“ ist bei Vertigo Berlin/Universal erschienen. Am 20. März spielen Wanda im Palladium in Köln.