Was hat mich bloß so ruiniert?Die große Abrechnung des Kunsthändlers Helge Achenbach
- Helge Achenbach gehörte zu den wichtigsten Figuren des deutschen Kunstbetriebs. Dann betrog er den Aldi-Erben Berthold Albrecht und musste dafür ins Gefängnis.
- Jetzt hat Achenbach seine Autobiografie „Selbstzerstörung” geschrieben und rechnet darin mit sich selber, dem Kunsthandel und der Welt der Manager und Unternehmer ab.
- Als Hauptgrund für seinen tiefen Fall muss ein Klassiker herhalten: Geld korrumpiert.
Köln – Schön ist Helge Achenbachs neues Zuhause nicht gerade und auch ziemlich einsam – freiwillig kommt aus dem nahen Düsseldorf wohl niemand so leicht hierher, ins Niemandsland zwischen Stromtrasse, Autobahnkreuz und Einflugschneise. Aber gerade deshalb könnte der kleine Künstlerhof eine ideale Zuflucht für den wegen Betrugs verurteilten Kunstberater sein, der zu seinen besten Zeiten einer der großen Strippenzieher der deutschen Kunstwelt war.
„Ich will das Machomäßige nicht mehr“, gab Achenbach, der frisch Resozialisierte, nach seiner Haftentlassung zu Protokoll, und dass es ihm nichts gebracht habe, die Reichen für die Kunst zu gewinnen. Erst die Gier der Multimillionäre habe ihn „abgefuckt“, so Achenbach, und letztlich zu seinem Betrug am Aldi-Erben Berthold Albrecht verführt. Dafür saß er im Gefängnis und verlor sein gesamtes Vermögen in Zivilprozessen.
Außer dem Achenbach, der seine Lektion gelernt hat, gibt es aber auch den Achenbach, der, wie er damals sagte, „immer noch eine unstillbare Sehnsucht nach Anerkennung“ in sich trägt. Der sich darüber freut, dass er nach einem Fernsehauftritt bei Markus Lanz körbeweise Post bekommt, und nur halb im Scherz durchrechnet, wie viele Bilder er malen müsste, um die Albrechts mit echten Achenbachs auszahlen zu können.
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Dieser Teil von Helge Achenbach hat jetzt einem Ghostwriter seine echte, mutmaßlich ungeschönte Autobiografie diktiert – nachdem sich die erste nach seiner Verhaftung als überholt erwiesen hatte. Sie trägt den passenden Titel „Selbstzerstörung“ und versammelt viele gute und weniger gute Gründe, warum aus einem eigentlich anständigen Kerl jemand werden konnte, der „Scheiße baut“.
Einige davon sind privater Natur: eine dominante, gefühlskalte Mutter, ein schwacher Vater, die frühe Erkenntnis, dass Frechheit siegt und Hochstapelei zum Geschäft gehört. Der Hauptgrund ist hingegen ein Klassiker der Sozialgeschichte: Geld korrumpiert.
Sollte all das stimmen, was Achenbach, ohne dabei Namen zu nennen, aus dem Kunstbetrieb berichtet, steht es vor allem um die Unternehmenskultur in Deutschland erschreckend schlecht. In den 80er Jahren wurde Achenbach reich und erfolgreich, indem er Kunst an große Unternehmen vermittelte, die ihre Empfangsräume und Vorstandsetagen mit einem Gemälde von Gerhard Richter oder einer Skulptur von Henry Moore schmücken wollten.
Einer dieser Vorstände verlangte laut Achenbach, dass seine als Galeristin arbeitende Ehefrau eine zweistellige Vermittlungsprovision erhält – ohne Gegenleistung, versteht sich. Andere Manager erwarteten Bilder zum Spottpreis „obendrauf“, ein Banker soll mit solchen Zugaben seine gesamte Sammlung bestückt haben. Als Achenbach nach seiner Haftentlassung vor hochgestellten Managern einen Vortrag über diese Berufskrankheit hielt, will er dafür viel Zuspruch erhalten haben – etwa vom ehemaligen Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen.
Aber auch Kuratoren und Galeristen kommen nicht ungeschoren davon. Achenbach berichtet von Verhandlungen am Rande der Moral, von einem Kurator, der sich seine Hochzeit von ihm finanzieren ließ, und von einer Galeristin, die sich viel Geld von ihm lieh und nie zurückzahlte. An die Theorie der schwarzen Schafe glaubt Achenbach jedenfalls nicht. An die des Sündenbocks hingegen schon. Mitunter lesen sich seine Bekenntnisse, als bestünde sein größtes Vergehen darin, dass er sich erwischen ließ.
Achenbach scheint einen ähnlich großen Groll gegen sich selbst zu hegen wie gegen die Kunstwelt, die ihn korrumpierte. Je nachdem, welches Kapitel man aufschlägt, überwiegt der eine Groll den anderen. Beim Betrugsfall Albrecht kommt beides zusammen: Man liest aufrichtiges Bedauern über den Verrat an einem Freund heraus, und dann rechnet Achenbach penibel vor, dass der durch ihn verursachte Schaden durch die Wertsteigerung der von ihm vermittelten Kunst mehr als aufgewogen wird.
An das Kölner Auktionshaus Van Ham geht der Vorwurf, es habe seinen Kunstbesitz unter Wert verkauft; sonst wäre er heute womöglich schuldenfrei und müsste nicht jeden zu viel verdienten Cent an die Aldi-Erben überweisen.
„Selbstzerstörung“ ist eine geradezu klassische Geschichte von Aufstieg und Fall, garniert mit pikanten Details und der nötigen Portion Selbsterkenntnis. Am Ende beharrt Helge Achenbach beinahe trotzig darauf, dass es ihm gut gehe, dass ihn die Kunst gerettet und er durch sie eine neue Aufgabe gefunden habe. Ein wenig klingt dies wie die Beschwörungsformel eines trockenen Alkoholikers, der nichts mehr fürchtet, als in alte Muster zurückzufallen.
Helge Achenbach: „Selbstzerstörung. Bekenntnisse eines Kunsthändlers“, Riva Verlag, 240 Seiten, 19,99 Euro.