Was mach' ich hier eigentlich?? Ich bin auf der Gamescom – holt mich hier raus
- In unserer Serie „Was mach' ich hier eigentlich?“ gehen unsere Kultur-Kritiker dorthin, wo es sie auf Anhieb nicht hinziehen würde, wo es ihnen vielleicht sogar persönlich wehtut. Dort werfen sie einen neugierigen Blick auf eine für sie fremde Welt.
- In dieser Folge: Anne Burgmer, die mit Computerspielen wirklich gar nichts am Hut hat, besucht die Kölner Gamescom.
- Und will zunächst auf dem Absatz wieder umdrehen: Es ist heiß, laut und alle reden unverständliches Zeug. Aber dann wird es doch irgendwie interessant.
- Ein etwas anderer Rundgang.
Köln – Super Mario und Luigi stehen für „Doom Eternal“ an. Das Ballerspiel, in dem man fiese Dämonen töten muss, hat eine Altersfreigabe ab 18 und macht einen ziemlich düsteren Eindruck. Die beiden Wartenden mit ihren farbenfrohen Kostümen passen da irgendwie nicht so recht ins Bild. Aber Gamer sind tolerant, das lerne ich schnell bei meinem ersten Gamescom-Besuch. Ob nun Cosplayer in bonbonfarbenen Fantasiekostümen oder vermummte Männer in Uniformen – schief angeschaut wird hier niemand. Eher macht man noch schnell ein Foto miteinander.
Eine Viertelstunde nur hat die Fahrt von Nippes über die Zoobrücke nach Deutz mit dem Fahrrad gedauert. Am Ende wartet das Tor in eine mir fremde Welt. Ich kann mit Computerspielen wenig anfangen. Im Alter von zehn Jahren gewann ich als Höhe- und Endpunkt einer sehr kurzen Fernsehkarriere in der RTL-Kinderspielshow „Klack“ ein Nintendo Entertainment System (NES). Das mitgelieferte Spiel hieß „Ice Climber“. Eine Freundin lieh mir „Tetris“ und „Super Mario Bros.“, darin war ich richtig gut. Meine Eltern schenkten mir zu Weihnachten das Fußball-Spiel „Nintendo World Cup“, bei dem der Gegner auf dem Rasen liegen blieb, wenn man ihn oft genug foult. Und vor ein paar Jahren spielte ich gegen mein damals 14-jähriges Patenkind Fifa auf der Playstation. Es war ein Desaster. Verglichen mit mir erwischte Brasilien im WM-Halbfinale 2014 einen richtig guten Tag.
Mehr Erfahrung in dem Bereich habe ich nicht. Und nun stehe ich also auf der größten Computerspielemesse der Welt. „Gemeinsam sind wir Games“ lautet das Motto in diesem Jahr. Selten habe ich mich irgendwo mehr als Außenseiter gefühlt. Ich hatte versucht, mich im Vorfeld zu informieren. Aber ich kenne die Entwickler und die Spiele nicht. Für mich sind das böhmische Dörfer.
Der erste Blick fällt auf Soldaten
Also beschließe ich, es einfach auf mich zukommen zu lassen. Mein erster Blick, als ich die Messe betrete, fällt auf Soldaten. Springerstiefel, Helme, Masken, Sturmgewehr-Attrappen, grimmiger Blick. Ich habe nichts gegen Computerspiele, aber der anhaltende Erfolg von Egoshootern befremdet mich. Ich kann mit Waffen nichts anfangen, und Krieg und Zerstörung möglichst realistisch nachzubilden, empfinde ich als beängstigend.
In der Entertainment Area haben die großen Studios teils eigene Welten erschaffen. Am Stand von „Monster Hunter World: Iceborne“ kann man sich mit äußerst fantasievoll kostümierten Monsterjägern fotografieren lassen. Bei „Age auf Empires II“ stehen Ritter und Spielleute auf der Bühne und trällern mit Laute und Trommel ein englisches Lied.
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Es ist heiß, irre laut, aus allen Ecken dröhnen Musik und die Stimmen aufgedrehter Moderatoren. Bei „League of Legends“ bleibe ich stehen. Das habe ich immerhin schon mal gehört. Auf der Bühne treten zwei Teams gegeneinander an, man kann ihr Spiel auf einem riesigen Monitor verfolgen. Ich verstehe fast nichts von dem, was der Moderator kommentiert, nur dass gerade irgendwer in einen Sternenhagel des Verderbens geraten ist. So fühle ich mich auch. Am Stand von „Ghost Recon Breakpoint“ warten die Fans geduldig drei bis vier Stunden, um 20 Minuten das Spiel testen zu dürfen. Sie sitzen auf Papphockern und Campingstühlen, spielen Karten, essen, reden. Fast alle tippen auf ihren Smartphones herum. Viele bestätigen das Bild, das ich von Gamern habe: Ein bisschen blass, den Energydrink in Reichweite. Und dem ein oder anderen würde man gern ein Deo in die Hand drücken.
Sieben Stunden warten, um ein Spiel zu testen
Viel Geduld braucht man auf der Gamescom. Aber die Stimmung ist bei fast allen Wartenden erstaunlich gut. Auf Monitoren kann man Szenen der Spiele sehen. An manchen Ständen schaut man den Gamern über die Schulter. Ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, selbst ein Spiel zu testen. Aber den Gedanken verwerfe ich nach kürzester Zeit. Bis ich verstanden hätte, wie diese Spiele funktionieren, vergingen vermutlich Stunden.
An manchen Ständen warteten Besucher bis zu sieben Stunden, um ein Spiel zu testen, erzählt mir ein Ordner. Besonders groß ist der Andrang am Mittwoch bei „Cyberpunk 2077“. Ein Paar versucht das Ende der Schlange zu finden, neben mir diskutieren Lennart, Jannis und Franzi aus Bochum, ob sie sich anstellen sollen oder nicht. Der Entwickler habe einen guten Ruf, das letzte Spiel sei super gewesen. Aber stundenlang warten, nur um eine Präsentation zu sehen? Denn selbst spielen kann man hier gar nicht. Die Drei entscheiden sich gegen die Warteschlange. Der Besuch lohnt sich dennoch, versichern sie mir. Hier könne man viele Spiele testen und vergleichen. „Das ist wie bei einer Weinprobe. Dort kann man von jedem Wein einen Schluck probieren“, sagt Jannis.
Auf dem Gamescom Campus begegnen mir dann echte Soldaten. Die Bundeswehr macht hier mit markigen Sprüchen („Nur wenn du deine Grenzen suchst, kannst du deine Stärken finden“) Werbung. Am Stand der Stadt Köln kann man sich vor dem Rheinpanorama fotografieren lassen. Aber niemand hat Interesse. Nach Abstechern ins Cosplay Village und die Merchandise Area, in der es vom Stofftier bis zum T-Shirt alles gibt, gerate ich in die Retro Area. Dort wird unter anderem „Pong“ und „Pac-Man“ gespielt. Und plötzlich sehe ich einen ungefähr Zehnjährigen vor einer NES-Konsole sitzen. Er scheint Spaß zu haben.