App zu StolpersteinenVirtuelles Wiederaufleben
Köln – Albert Kaufmann ahnte, welches Schicksal ihm bevorsteht. „Wenn Gott mir nicht beisteht, so wird dieses die letzte Nachricht sein, die Du von mir erhalten kannst“, schrieb der Kölner 1944 an seine Tochter Renate. Kurze Zeit später wurde er nach Theresienstadt deportiert. Weil er wegen einer Gehbehinderung bei einem Strafappell nicht stillstehen konnte, prügelten ihn Aufseher kurz nach seiner Ankunft zu Tode.
Allein 15000 Stolpersteine in NRW
An der Wilhelmstraße 55, dort wo Albert Kaufmann mit seiner Familien lebte, bevor sie in ein "Judenhaus" umziehen mussten, erinnert heute ein Stolperstein an sein Schicksal. Der Künstler Gunter Demnig hatte die Idee zu diesem Projekt vor rund 30 Jahren, mehr als 75000 hat er mittlerweile in ganz Europa verlegt.
Allein in NRW sind es rund 15000 Steine. Zu diesen Steinen hat der WDR nun eine App veröffentlicht, die den Nutzern die Chance gibt, noch mehr über die Opfer der NS-Diktatur zu erfahren, an die die Steine erinnern.
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Mit Experten aus mehr als 200 nordrhein-westfälischen Kommunen, Initiativen und Aktionsbündnissen wurden Archive durchforstet, historische Dokumente gesichtet, Berichte von Überlebenden ausgewertet und Quellen abgeglichen. All das floss in eine Datenbank ein. Die ist seit Projektbeginn stark gewachsen – und wird das weiter tun. Denn der WDR will "Stolpersteine NRW" auch künftig pflegen und erweitern.
Viele zusätzliche Informationen
Rund 1000 neue Texte mit Informationen wurden für die App verfasst, es gibt bisher rund 100 Audio-Storys, vertont von der WDR-Hörspielredaktion. Auf interaktiven Karten kann man sehen, wo Steine liegen, es gibt Routen, die man ablaufen kann. An ausgewählten Orten werden mit Hilfe von Augmented Reality alte Aufnahmen in die heutige Umgebung eingebettet. Zudem lassen sich zum Gedenken virtuelle Kerzen an den Steinen entzünden.
Zudem haben 25 Studentinnen und Studenten der Kunsthochschule Kassel 200 Graphic Storys gestaltet, die Szenen der Lebensgeschichten erzählen. Etwa die von Louise Straus, die aus einer liberalen jüdischen Familie stammte, in Bonn studierte und als Journalistin arbeitete. Sie heiratete im Ersten Weltkrieg den damals mittellosen Künstler Max Ernst, bekam einen Sohn. Doch die Ehe zerbrach. Sie floh 1933 vor den Nazis nach Frankreich, 1943 wurde sie von der französischen Polizei festgenommen. Im Juni 1944 wurde sie mit dem vorletzten Transport nach Auschwitz gebracht und dort ermordet.
Besonders für jüngere Nutzer gedacht
Die App soll besonders jüngere Nutzerinnen und Nutzer ansprechen. Der WDR hat alle Informationen gesammelt und multimedial aufbereitet. Zudem gibt es umfangreiches Unterrichtsmaterial für Lehrkräfte, das zusammen mit den Mitarbeitern von "Planet Schule" erarbeitet wurde.
WDR-Intendant Tom Buhrow betonte die Bedeutung des Projekts: "Wir dürfen die Menschen, an deren furchtbares Leid mit den Stolpersteinen erinnert wird, niemals vergessen. "Stolpersteine NRW" regt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Opfern des Nationalsozialismus vor der eigenen Haustür und im ganzen Land an." Mit diesem Angebot sei es erstmals digital möglich, jeden einzelnen Stein in Nordrhein-Westfalen anzusteuern und mehr über die Menschen dahinter zu erfahren.
Die App „Stolpersteine NRW“ finden Sie im App Store für Android und Apple.