David Brophy überzeugte bei seinem Antrittskonzert als neuer Chefdirigent des WDR Funkhausorchesters.
WDR FunkhausorchesterNeuer Chefdirigent kombiniert Mendelssohn mit Abba
„Stellen Sie sich das vor: Mendelssohn und Abba in einem Konzert!“ Nicht so einfach, wollte David Brophy wohl damit sagen, als er nach seinem Einstandskonzert im Klaus-von-Bismarck-Saal des WDR bei einem kleinen Empfang für die vielen Glückwünsche dankte, die er spontan einsammeln konnte. Nein, das ist auch nicht so einfach – weshalb Christoph Stahl, Leiter der Hauptabteilung Orchester und Chor beim Kölner Sender, die Rekrutierung passender Chefdirigenten für das WDR Funkhausorchester für deutlich schwieriger hält als die Akquise ihrer Kollegen beim WDR Rundfunksinfonieorchester.
Das Unterhaltungsorchester muss, und das gibt es im internationalen Musikbetrieb selten, eine irrsinnig anmutende Stil- und Repertoirebreite abdecken – von der Klassik über Operette und Jazz bis hin zu Filmmusik und Pop. Mendelssohn und Abba eben. Und da passen die Profile von Dirigent und Formation längst nicht immer zusammen. Im Fall von Brophys Vorgänger Frank Strobel passte es jedenfalls nicht, man trennte sich nach nur drei Jahren.
Ausweislich des auf WDR 3 übertragenen Lunchkonzerts, mit dem sich der 52 Jahre alte Ire aus Dublin am Pult vorstellte, möchte man der Zusammenarbeit freilich auf Anhieb eine günstige Prognose stellen. Um nur einmal die von Brophy selbst angesprochenen musikalischen Pole zu erwähnen: Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre erfreute durch die genaue Dramaturgie der Kernmotive wie durch eine elegante Linienführung und einen ausgeprägten melodischen Charme, Abbas „Waterloo“ durch Drive, Energie und instrumentalen Glanz, kurzum einen inspirierenden Groove.
Die harte Kurve des Stilwechsels nahm der Neue wie sein Orchester völlig selbstverständlich – und setzte damit performativ seine im Gespräch mit dem Moderator formulierte Haltung um, derzufolge es für ihn zwischen E- und U-Musik keine Trennmauern gibt. Er fordere von sich selbst, Menschen mit Musik zusammenzubringen und dabei soziale und Geschmacksgrenzen aufzusprengen, Schwellen niederzureißen: „Ich weiß nicht, was klassisch ist.“ Mendelssohn und Abba gleich hintereinander ist für ihn dann letztlich eben doch „einfach“.
Brophy ist darüber hinaus offensichtlich ein so routinierter wie begnadeter Selbstdarsteller und Kommunikator, der eine einigermaßen unverbrüchliche Lebenslust ausstrahlt (weshalb es ihm im Rheinland vielleicht ganz gut gefallen wird). Er streckt beim Dirigieren auch schon mal ein Bein in die Luft oder erzählt Anekdoten aus seinem Musikerleben und, ebenfalls körperbetont, über den irischen Stepptanz.
Tatsächlich ging es auch in der Agenda des Konzerts „very irish“ zu. Hier eine Ouvertüre seines Landsmannes Victor Herbert, dort das Traditional „Danny Boy“, dann wieder, als Rausschmeißer, Bill Whelans Riverdance Suite, wo der Konzertmeister als Fiddler im Dubliner Pub brillieren konnte. Aber Brophys besondere Vorliebe gehört in der Tat offenkundig der Vereinigung dessen, was angeblich nicht zusammengehört: zum Beispiel von Beethoven und Beatles. Nun, im Fall von „Because“ liegt diese Vereinigung unbestreitbar mehr als nahe.
Brophy studierte am Dublin Institute of Technology/College of Music, dem Trinity College Dublin sowie in England und in den Niederlanden. Mit Chor und Orchestern der irischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt RTÉ verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit. Für sie entwickelte und moderierte er zudem verschiedene TV-Shows, die das Publikum für Musik begeisterten. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit ist musikalische Förderung sozial Benachteiligter.
Brophy arbeitete mit bekannten Musikern und Musikerinnen quer durch die Sparten, Stile und Genres zusammen, darunter U2, Lang Lang, Nicola Benedetti, Sinéad O'Connor, Danielle de Niese und James Galway. Er leitete zahlreiche Uraufführungen irischer Komponisten wie Frank Corcoran, Raymond Deane, Ian Wilson, Shaun Davey und Neil Martin. Er dirigiert auch häufig in den USA, dort unter anderem das Pittsburgh Symphony Orchestra.