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WDR-KonzertWie Renaud Capuçon das kapriziöse Hakenschlagen mied

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Renaud Capuçon steht vor einer Wand und hält eine Violine in der Hand.

Der Violinist Renaud Capuçon trat in der Kölner Philharmonie auf.

Das WDR Sinfonieorchester spielte in der Kölner Philharmonie Mahlers Erste, Renaud Capuçon verzückte mit einer Dvořák-Romanze.

In Gustav Mahlers Musik hört man immer wieder Einstrahlungen aus dem östlichen Europa - nicht als zitierte Folklore, sondern als Tonfall, als Geste und Stimmung. Cristian Măcelaru, der rumänische Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters, dürfte das besonders stark empfinden. Im jüngsten Abokonzert ließ er Mahlers erster Sinfonie Werke aus Tschechien und Ungarn vorangehen: Antonín Dvořáks Romanze op. 11 und das erste Violinkonzert von Béla Bartók.

Renaud Capuçon ist von gefallsüchtiger Virtuosität weit entfernt

Der Eindruck einer ausgesprochen feinnervigen, nach innen gewandten Musiksprache lag hier fraglos in den Partituren begründet, aber mindestens ebenso in der Spielweise des französischen Geigers Renaud Capuçon. Seine vollendet noble Künstlerpersönlichkeit ist von gefallsüchtiger Virtuosität ebenso weit entfernt wie von sentimentaler Verzuckerung. Die Dvořák-Romanze war ernst und nachdenklich formuliert, ganz ohne romantisierende Schleifer und Drücker.

Auch dem Bartók-Konzert (das der Komponist aufgrund schmerzhafter biografischer Bezüge nie veröffentlichte) näherte sich der Geiger mit emotionaler Zurückhaltung. Das Tastende und Schwebende des Kopfsatzes kam wunderbar zur Geltung; die kapriziösen Hakenschläge des Finales ließen sich sicher noch effektvoller servieren - vielleicht bremste hier der beständige Kontakt zu den Noten den Solisten ein wenig aus. Für die zugegebenen Bartók-Duette griff sich Renaud Capuçon den WDR-Konzertmeister José Maria Blumenschein als Partner; am rauen Charme dieser Musik hatten die beiden ebenso viel Spaß wie das Publikum.

Gustav Mahlers „titanische“ Erste war an diesem Abend eher ein Triumph der Brillanz und Klangkultur als der interpretatorischen Überzeugungskraft. Wenn das Orchester in die Breitseiten des Finales einstieg, dann hörte man nicht Wucht und Masse, sondern Leuchtkraft und Abbildungsschärfe; da blieb selbst an den Kulminationspunkten noch der Luftraum nach oben offen. Cristian Măcelaru war, wie gewohnt, sehr um eine flexible, atmende Gestaltung der großen melodischen Linien bemüht, besonders im ländlerseligen Mittelteil des Scherzos. Weniger stark wirkte die Darstellung da, wo der Komponist Charakterszenen und weitflächige Tableaux entwirft: Dem Naturbild der Kopfsatz-Einleitung fehlte es an Magie und auch in die plebejischen Niederungen des langsamen Satzes mit seinem jammervollen „Bruder Jakob“-Zitat mochte sich der Maestro nicht allzu weit hineinbegeben.