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WDR SinfonieorchesterIn bester Form und hoch inspiriert

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Dirigent Philippe Jordan

Dirigent Philippe Jordan

Philippe Jordan dirigierte die achte Sinfonie Bruckners in der Philharmonie.

Das „Bruckner-Jahr“ 2024 neigt sich dem Ende zu, aber auf der Schlussstrecke fuhr das WDR Sinfonieorchester noch einmal ganz großes Geschütz auf: Unter Leitung von Philippe Jordan, dem (scheidenden) Musikdirektor der Wiener Staatsoper, stand die achte Sinfonie des Linzer Meisters auf dem Programm, seine längste, in den Mitteln und Wirkungen wohl auch eindrucksvollste. Jordan hatte sich, wie die meisten Kollegen, für die zweite Fassung von 1890 entschieden, die gegenüber der Urfassung manche Straffung und Glättung aufweist. Mit einer Spieldauer von knapp 80 Minuten verlangt sie dem Publikum aber immer noch einiges an Sitzfleisch ab.

Die Partitur zeigt in vielen Aspekten Bruckners Auseinandersetzung mit dem Spätwerk des von ihm geradezu kultisch verehrten Richard Wagner. In ihrer Spannungs-Dramaturgie und Klangdisposition lassen sich theatralische Effekte denn auch unschwer nachweisen. Aber gerade hier hielt sich Philippe Jordan, der erfahrene Opernkapellmeister, sehr zurück. Sein Konzept war eher das einer stabilen Werkarchitektur mit klar austarierten Tempoverhältnissen, trennscharfer Artikulation und sorgfältig abgesetzten Registern. Mit Mut zum Klischee könnte man vielleicht sagen, dass der Schweizer Maestro einen eher protestantischen Zugang zu dem erzkatholischen Werk wählte.

Schon im Kopfsatz war das Klangbild auffällig offen und präsent. Alle Steigerungen setzten auf einem relativ hohen Lautstärke-Level an. Jordan gestaltete keine mystischen Pianissimo-Effekte, wie er überhaupt alles mied, das die Sinfonie in eine weihevolle Aura rücken könnte. Stattdessen zeigte er, dass die grandiose Eigenart dieser Musik gerade auch in ihrer Eckigkeit liegt, dass in ihren ausgedehnten rhythmischen Patterns und Motiv-Wiederholungen die Idee einer ganz unmittelbaren Zeiterfahrung liegt - und dass man da nichts zelebrieren oder interessant machen muss.

Indes tat man besser daran, sich auf bestimmte Momente nicht allzu sehr zu freuen. Eine solche „Lieblingsstelle“ etwa ist der viermal apokalyptisch einbrechende f-Moll-Nonenakkord im Scherzo, dessen Schmerzgewalt der Maestro so deutlich zurückhielt, dass man fast ein wenig enttäuscht war. Im fast halbstündigen Adagio mit seinen seraphisch glitzernden Harfen-Passagen hätte man sich noch mehr Obertonglanz, mehr leuchtendes Finish vorstellen können. Das WDR Sinfonieorchester könnte einen solchen Klang auch durchaus produzieren, aber vielleicht möchte es dazu expliziter eingeladen werden. Die Wiener Philharmoniker, bei denen Jordan sonst am Pult steht, klingen eben schon von selbst so.

Insgesamt präsentierte sich das Orchester bei seinem letzten Abo-Konzert des Jahres in bester Form und hochinspiriert. Die vielen heiklen Einsätze aus dem Nichts heraus gelangen mit gelöster Sicherheit; auch im äußersten Fortissimo blieb der Tutti-Klang stets entspannt und feingekörnt. Vor allem den Spielern der Hörner und Wagner-Tuben möchte man Kränze winden, so kernig und butterweich zugleich schickten sie ihre Beiträge in den Saal - wo man denn am Ende auch entsprechend enthusiastisch reagierte.