Über einen mitunter merkwürdigen Abend in der Lanxess-Arena.
Köln – In einer Stadt wie Köln, die ja immer auch ein wenig selbstverliebt ist, reicht normalerweise schon die Erwähnung des Namens, um in der Lanxess-Arena für Begeisterung zu sorgen. Am Samstagabend war das anders. Als der DJ, der im Vorfeld der Auftritte von Chris Rock und Dave Chappelle für gute Stimmung sorgen sollte, nach den Kölnern im Rund fragte, fielen die Rufe äußert leise aus.
Die meisten Besucher des Auftritts der beiden amerikanischen Comedy-Größen, die von anderen Comedians wie Ali Wong und Donnell Rawlings begleitet wurden, waren von weither angereist. Offensichtlich hatten sich viele in Europa lebende Amerikaner auf den Weg nach Köln für den einzigen Auftritt der beiden in Deutschland aufgemacht.
In der Halle herrschte striktes Handy-Verbot
Und sie alle mussten ihre Handys in vor der Halle ausgeteilten Taschen einschließen, was in der Arena zu einer mittlerweile ungewohnten Atmosphäre führte, weil niemand filmte oder Fotos schoss.
Es sagt etwas aus über den Grad der Popularität, den die beiden in ihrer Heimat erreicht haben. Nicht umsonst durfte Chris Rock die diesjährige Oscar-Verleihung moderieren, eine Aufgabe, die ihn auch bei vielen, die ihn vorher nicht kannten, schlagartig berühmt machten. Die Bilder, wie Schauspieler Will Smith den Comedian wegen eines Witzes über Smiths Ehefrau Jada Pinkett Smith ohrfeigte, gingen um die Welt.
Natürlich kam Rock darauf auch in Köln zu sprechen. Wer behaupte, das Worte verletzen können, sei noch nie ins Gesicht geschlagen worden. „Ob das wehgetan hat?“, fragte er. „Er hat Muhammad Ali gespielt. Natürlich hat das wehgetan.“ Er sei dennoch kein Opfer. Niemand werde ihn deswegen rumheulen sehen, er werde auch nicht bei Oprah Winfrey sitzen und die Geschichte ausschlachten.
Chris Rock arbeitete sich an Meghan Markle ab
Eine Anspielung auf Meghan Markle, an der sich 57-Jährige ausführlich abarbeitete, um seine These zu untermauern, dass sich heute viele Leute als Opfer stilisierten, um Aufmerksamkeit zu erhalten. „Wenn sich jeder ein Opfer nennt, schaut niemand mehr auf die echten Opfer.“ Er wolle ja niemanden verdächtigen, aber wo sei die Ehefrau von Prince Harry eigentlich gewesen, als die Queen starb.
Ihrem Vorwurf, das Königshaus sei rassistisch, hielt er entgegen: „Worüber beschwert sie sich? Hat sie die vorher mal gegoogelt? Das sind die Royals, sie haben den Kolonialismus erfunden, sie haben in Sklaverei investiert. Man heiratet doch auch nicht in die Budweiser-Familie ein und sagt dann: Oh, die trinken aber viel.“
„Sind hier irgendwelche woken Menschen?“
Alle seien heutzutage so sensibel, man müsse ständig aufpassen, was man sage. Jeder sei verunsichert. Seine Nachbarn seien weiß, trotzdem stehe in jedem Garten ein „Black Lives Matter“-Schild. Manche meinten das sicher ernst, aber die meisten hätten schlicht Angst. Er habe schon mal überlegt, ein Trump-Schild als Ausgleich aufzustellen. „Sind hier irgendwelche woken Menschen? Ihr könnt gleich wieder gehen. Wir sind hier in einer unangemessenen Show.“
Tatsächlich wurde an diesem Abend von allen, die auf der Bühne standen, so heftig geflucht und beleidigt, wie man es in Deutschland nur selten erlebt. In einem Land wie den USA, in dem jedes „Fuck“ im Fernsehen mit einem Piep überblendet wird, ist die Sehnsucht danach, alles zu sagen, was einen so umtreibt, offensichtlich sehr groß.
Wer darf heute was über wen sagen?
Politisch wurde Chris Rock dann auch noch. „Amerika stürzt in sich zusammen. Es ist schlechter dran als die Ukraine, denn die Menschen dort sind wenigstens vereint. Die USA sind getrennt.“ Er könne nicht glauben, was in seiner Heimat vor sich gehe. Er stichelte gegen Impfgegner und die erfolgreichen Kämpfe Konservativer gegen das Recht auf Abtreibung. Er sei Pro Choice und ja, er dürfe auch als Mann über das Thema reden: „Ich habe mehr Abtreibungen gezahlt als jede Frau hier in der Arena.“
Wer darf heute was über wen sagen? Die aktuelle Debatte über Cancel Culture war auch der rote Faden dieses Abends. Was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, denn diejenigen, die sich sorgen, dass man ihnen den Mund verbieten will, stehen vor zigtausend Menschen in einer großen Halle und lassen sich feiern, die vermeintlichen Redeverbote anzuprangern.
Das galt insbesondere auch für Dave Chappelle, der als letzter Comedian, sozusagen als Headliner, auf die Bühne kam. Für die einen ist der Mann aus Ohio eine Comedy-Ikone, andere kritisieren in scharf, weil er regelmäßig gegen Menschen wütet, die transgender sind. Im Frühjahr war Chappelle auf der Bühne von einem Mann attackiert worden. „Es war ein Transmann“, sagte er, um sich dann über die Bisexualität des Angreifers lustig zu machen. „Ich hätte also auch vergewaltigt werden können. Fuck him.“
Das alles sei während der Pride Week geschehen. „Stellt euch vor, ich wäre gestorben. Dann hätten sie gesungen: Ding Dong, die Hexe ist tot. Sie kann euch mit euren Witzen nicht mehr verletzten. Aber ich höre nicht auf.“
Es war ein merkwürdiger fahriger Auftritt des 49-Jährigen, der Kette rauchte, ein seltsames Frauenbild offenbarte und für einen so erfahrenen und erfolgreichen Komiker erstaunlich dünnhäutig wirkte. Vielleicht hat er aber einfach nur eines nicht verstanden. Wahrheiten auszusprechen, tut manchmal weh, der Umkehrschluss ist dennoch falsch: Nur weil etwas sehr provokant ist, ist es nicht zwangsläufig die Wahrheit.