Constantin Bömers lebt in Köln und arbeitet als Filmtonmeister. Sein Job brachte ihn schon zu verlassenen Fabriken und einem Wassertank auf Malta, der nahtlos ins Meer übergeht und Stürme simulieren kann. Für unser Format „Wie es ist“ erzählt er von seiner Arbeit.
„Wilsberg“, „Tatort“, HollywoodWie es ist, Filmtonmeister zu sein
Mein Hauptjob als Filmtonmeister ist, die Sprache der Schauspieler*innen gut aufzunehmen. Typische Bürohäuser, nackte Treppenhäuser oder Badezimmer haben für Mikrofone eine schreckliche Akustik, und es gibt jede Menge Störgeräusche, etwa wenn der Kühlschrank mitten im Take anspringt. Draußen ist der klassische Laubbläser ein ziemliches Grauen für uns, oder wenn man neben einer Baustelle dreht.
Auch Geräusche, die zum Film gehören, können die Akustik schädigen, zum Beispiel wenn eine Schauspielerin Stöckelschuhe anhat, die beim Gehen auf Stein oder Holzfußboden klacken. Die lege ich still, indem ich Matten auslege oder etwas unter die Schuhe klebe. Hinterher nimmt man die Schritte separat auf. Einiges kann man mit der richtigen Mikrofon-Wahl bekämpfen. Man will nicht unbedingt Studio-Akustik erzeugen, das klingt dann auch unnatürlich, aber der Raum sollte nicht zu hörbar sein, damit man in der Postproduktion gut damit arbeiten kann.
So kam der Tonmeister in die Welt des Films
Angefangen habe ich mit einer Ausbildung zum Toningenieur. Ich fand es super cool, mit Tontechnik und Mikrofonen zu hantieren. Ein Tonstudio hat eine besondere Aura. Es ist elegant mit Parkett verlegt, was natürlich akustische Gründe hat. Alles ist total Hightech, überall blinkt und leuchtet es, man kann aber auch alles anfassen. Es ist ein sehr schönes, haptisches Erlebnis.
Dann habe ich bei der Ausbildung gemerkt, dass man im Job in einem tageslichtfreien Raum sitzt und vor sich hin werkelt. Das war mir zu einsam, also habe ich nach der Ausbildung Musik studiert. Am Ende des Studiums kam ich über einen Schulfreund, der einen Studenten-Kurzfilm gedreht hat, zum Filmemachen. Mein erstes Projekt, das sich professionell angefühlt hat, war ein Pitch-Film – da filmt man zwei, drei Szenen, um damit Produzenten und Sendern eine Filmidee vorzustellen. Wir haben einen Teenager-Horrorfilm gedreht, „Die Brut“. Unsere Location war eine stillgelegte Linoleum-Fabrik mitten in einem Wald in der Nähe von Dresden.
Schon beim Dreh bin ich immer mal rumgelaufen und habe versucht, Geräusche einzufangen. Es gab zum Beispiel einen Schornstein auf dem Dach, der komische Geräusche von sich gegeben hat. Selbst die Schritte klangen da sehr eigenartig. So haben wir die Fabrik zum Leben erweckt, die durch den ganzen Film hindurch einen Atem von sich gegeben hat.
Für Köln typisch: TV-Produktionen wie „Wilsberg“ und „Mord mit Aussicht“
Ich bin vor allem im TV-Geschäft, was typisch für Köln ist. Ich habe bei „Mord mit Aussicht“ mitgearbeitet und drehe regelmäßig vier „Wilsberg“-Filme im Jahr. Das ist besonders schön, inzwischen ist das wie eine Familie geworden. Als ich anfing professionell zu arbeiten, war mein großes Zwischenziel mal einen „Tatort“ zu drehen. In zwei Wochen ist es so weit, da bin ich beim Dortmunder Team dabei, das auch viel in Köln dreht.
Letztes Jahr habe ich auch bei einer großen, noch unveröffentlichten Hollywoodproduktion mitgemacht. Die hauen an zwei Tagen das Budget raus, das wir in einer kleinen ARD-Serie an Gesamtbudget haben. Was ich da gemacht habe, war nur ein Nachdreh: Sie haben also Szenen nochmal gedreht, die ihnen aus irgendwelchen Gründen nicht gefallen haben. Das muss man sich ja auch erst leisten können. Für mich macht es nicht so einen Unterschied, ob ich an einer großen, teuren Netflix-Serie arbeite oder in einer „kleinen“ WDR-Vorabend-Serie – wichtig sind mir die Leute, mit denen ich zusammenarbeite und dass es inhaltlich interessant ist.
Kulisse für die ZDF-Miniserie „Liberame“ war ein großer Wassertank auf Malta
Vor zwei Jahren habe ich für die ZDF-Miniserie „Liberame“ drei Wochen auf Malta gedreht, die letztes Jahr ausgestrahlt wurde. Da geht es um ein paar Freunde, die beim Segeln ein Flüchtlingsboot entdecken. Auf Malta gibt es ein Filmstudio mit einem großen Wassertank für alle möglichen Wasseraufnahmen, in dem man kontrolliert Wellen und Stürme und Regen erzeugen kann. Das ist wie eines dieser infinity pools, die randlos gebaut sind und nahtlos ins Meer übergehen. Da sind auch viele Hollywood Produktionen – als wir da waren, hat sich Ridley Scott dort nach Locations umgeschaut und wollte auch in diesem Tank drehen.
Dieser Wassertank war für Ton jetzt nicht so toll – diese Sturm- und Regenmaschinen sind wie kleine Hubschrauberpropeller, die Vollgas geben. Aber es war trotzdem eine spannende Erfahrung und eine Herausforderung, das Beste rauszuholen und auf einem Segelboot zu drehen. Mittlerweile sage ich alles ab, was mich länger aus Köln rausbringt, weil ich lieber zu Hause sein und mit meinen Kindern Zeit verbringen will.
Auch in der Filmbranche gibt es Probleme mit der Work-Life-Balance
Die Filmbranche hat immer noch etwas Glamouröses an sich. Wenn man dauerhaft da arbeitet, merkt man: Es ist halt auch ein Job, der anstrengend und undankbar sein kann. Wenn man dreht, hat man keine verlässliche Struktur. Manchmal geht es bis 21 Uhr, obwohl es nur bis 18 Uhr geplant war. Und es gibt Nachtdrehs, bei denen man an einem Freitagabend 10 Stunden in der Kälte steht und sich das Wochenende kaputtmacht. Work-Life-Balance ist da oft ein Fremdwort.
Auch finanziell ist in allen Abteilungen noch Luft nach oben, vor allem was die Zuschläge angeht für Überstunden, Nachtarbeit, Wochenendarbeit. Filmtonmeister wie ich, die auf Rechnung arbeiten und nicht für die Produktionszeit fest angestellt sind, müssen immer wieder neu aushandeln, dass wir die gleichen Konditionen und Zuschläge bekommen.
Dafür kann man zwischen den Projekten auch mal zwei oder drei Monate freihaben. Ich bin auch nicht für den typischen Bürojob gemacht, bei dem man viel Routine hat. Und es gibt Produzenten, die sich sehr um uns bemühen. Ein Regisseur hat mir erzählt, dass er Kita-freundliche Drehtage einrichten möchte. Das ist natürlich eine Budgetfrage, das Geld fehlt dann schnell an anderer Stelle. Für Mitarbeitende mit Kindern wäre das aber eine Entlastung.
Zur Person
Constantin Bömers, 1976 in Bremen geboren, ist ein in Köln ansässiger Filmtonmeister. Er machte in London eine Ausbildung zum Ton-Ingenieur, studierte Komposition und arbeitete schon als Filmtonmeister für Produktionen wie „Wilsberg“ und „Mord mit Aussicht“.