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Yundi in der PhilharmonieWenn der Star genervt in den Applaus hineinspielt

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Yundi sitzt am Klavier und spielt.

Pianist Yundi bei einem Konzert in China. An Pfingsten war er in der Kölner Philharmonie zu Gast.

Der chinesische Starpianist Yundi (Li) spielte mit seinem Mozartprogramm in Köln teilweise gegen die eigene Fanschar an.

Merkwürdigkeiten über Merkwürdigkeiten: Am Ende stapelten sich, ohne weitere Beachtung seitens des Beschenkten zu finden, die Blumensträuße von Verehrern auf dem Podium der Kölner Philharmonie – und das, obwohl der Künstler im Unterschied zu seinem noch berühmteren Landsmann Lang Lang keineswegs als der Sunny Boy von nebenan herüberkommt. Ganz im Gegenteil: Yundi Li – der sich anlässlich seiner derzeitigen internationalen Konzerttour mit Mozart-Klaviersonaten lediglich Yundi nennt – verbreitet in Gestik und Mimik eher mürrisch-unfrohe Abweisung (positiv formuliert vielleicht: extreme Distinguiertheit), die wiederum durch das Verhalten seiner Verehrer getriggert sein mag: Da wurde jetzt nicht nur munter in die Pausen gehustet, sondern da klingelte auch das Handy, da wurde unerlaubt fotografiert, so dass die Damen des Foyerteams mit ihren Ermahnungen gar nicht hinterherkamen; und da wurde notorisch zwischen den Sätzen geklatscht – was der Star wiederholt damit quittierte, dass er in den Beifall hinein mit seiner Agenda fortfuhr.

Bei Yundis Mozart-Interpretation ist von Romantik nichts mehr zu spüren

Waren diese hierzulande in ihrer Häufung dann doch eher unüblichen Usancen darauf zurückzuführen, dass in der keineswegs ganz gefüllten Philharmonie auffallend viele Mitglieder der chinesischen Community in Deutschland saßen? Für den Rezensenten muss freilich in erster Linie das künstlerische Resultat zählen – das leider gleichfalls, zumindest unter Anlegung höchster Maßstäbe, leicht enttäuschend ausfiel. Yundi hat sich bekanntlich als Chopin- und Liszt-Interpret einen guten Namen gemacht, gewann als erster Chinese den Chopin-Wettbewerb in Warschau. Seit einiger Zeit aber gehört Mozart seine ganze Leidenschaft, und bei dessen Interpretation ist von Romantik nichts mehr zu spüren. Das ist zunächst einmal in Ordnung, Mozart ist eben kein vorweggenommener Chopin – und zweifellos zwar musikalisch, aber rein technisch nicht so fordernd.

Sehr angemessen also lässt Yundi jetzt den romantischen Virtuosen zu Hause im Schrank stehen. Die Werke, die er spielt – die Sonaten KV 331, 310, 457, dazu die Fantasie KV 475 (bemerkenswert viele Moll-Werke mithin) –, erklingen entschieden „klassisch“. Da wird nicht gehämmert und geschwitzt, hat alles Mitte, Ordnung und Ebenmaß. Der Anschlag ist konzis und angenehm, ohne ins Puppige zu driften, die Phrasenbildung gerade in den langsamen Sätzen dicht und kantabel. Verzierungen und Laufwerk kommen mit kontrollierter Eleganz, die Formarchitektur wird genau realisiert – etwa die Sequenzbildung der Fantasie in ihrer stufigen Anlage. Und manchmal, gerade in KV 457 und 475, öffnen sich in all dem Ebenmaß auch Falltüren ins Dunkle, Gefährdende, Unheimliche.

Für ein vollendetes – und eingestanden schwer zu erreichendes – Mozart-Glück reicht das alles aber nicht. Es fehlt – etwa im legendären „Alla Turca“ – jener Schuss an Wildheit, den selbst Mozart fordern kann. Die Türken vor Wien, das war im ausgehenden 18. Jahrhundert schließlich eine Schreckensvision. Und das trostlose Auf und Ab der Sechzehntelbewegung in KV 310 müsste in eben dieser Trostlosigkeit dargestellt und dürfte nicht auf eine motorische Abwicklung reduziert werden. Es käme auf eine kleine Zusatzportion an Vitalität und Spontaneität an, auf die hin Yundis ausgereifte Künstlerpersönlichkeit aber vielleicht nicht angelegt ist. Keiner kann halt aus seiner Haut heraus. Was in dieser Haut im besten Fall drinsteckt, bewies der Gast in seiner Zugabe – einem Chopin-Nocturne.