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Zu Gast auf der phil.CologneElliot Page spricht in Köln über sein Coming-out als trans Mann

Lesezeit 4 Minuten
23.06.2023, Nordrhein-Westfalen, Köln: Elliot Page, kanadischer Schauspieler und Autor, sitzt im Rahmen der Phil.Cologne auf der Bühne und winkt. Er spricht über sein autobiografisches Buch "Pageboy".

Elliot Page am Freitagabend auf der phil.Cologne

Hollywood-Schauspieler Elliot Page trat in der Stadthalle Köln-Mülheim auf und wurde von der LGBTQ+-Gemeinde gefeiert.

Die Person, auf die sich alle Hoffnungen und Erwartungen in der voll besetzten Köln-Mülheimer Stadthalle richten, verschwindet fast hinter dem schwarz verhangenen Tisch auf der Bühne. Schmal und schüchtern wirkt Elliot Page, der Mund zu einem Grinsen verzogen, die Augen müde, der Blick hoch alert.

Seit der kanadische Schauspieler, Star zahlreicher Hollywood-Filme, im Dezember 2020 verkündete, künftig einen männlichen Namen zu tragen, ist er der berühmteste trans Mann der Welt. Seit er vor zwei Wochen seine Autobiografie „Pageboy“ – die englische Bezeichnung für die Frisur, die man im Deutschen Bubikopf nennt – veröffentlicht, hat sich das Medieninteresse noch einmal vervielfacht.

Das Buch steht auf den Bestsellerlisten von „New York Times“ und „Spiegel“, Klatschmagazine haben es nach anderen berühmten Namen durchsucht und Stoff für gefettete Schlagzeilen und anzügliche Spekulationen gefunden. Vor allem jedoch bestechen Pages Erinnerungen durch die Genauigkeit und Ehrlichkeit, mit der sie die Erfahrung queer und trans zu sein beschreiben.

Ich wollte einfach nur offen sein, verletzlich.
Elliot Page

Zwar habe es Leute gegeben, deren Identität er absichtsvoll verschleiert habe, erzählt Page im Rahmen der phil.Cologne in Köln: eine Ex-Beziehung, die bislang noch kein Coming-out hatte, ein „berühmtes Arschloch“, das auf einer Party brutalen Sex anbot, um die Hollywood-gemäße Heteronormativität wiederherzustellen. Andere wiederum habe er zuerst gefragt, bevor er Intimitäten ausplauderte. „Aber was die Dinge angeht, die nur mich betreffen? Da gab es keine Schranken. Ich wollte einfach nur offen sein, verletzlich.“

Pages Stimme ist nun deutlich dunkler, heiserer, als man sie aus seinen Filmen kennt. Jeden Freitag, schreibt er in „Pageboy“, wache er aufgeregt, aber zufrieden auf und spritze sich 40 Milligramm Testosteron. Das steht im vorletzten Kapitel, der Weg zur eigenen Stimme ist mühsam und verschlungen.

23.06.2023, Nordrhein-Westfalen, Köln: Elliot Page, kanadischer Schauspieler und Autor, sitzt im Rahmen der Phil.Cologne auf der Bühne. Er liest aus seinem autobiografischen Buch "Pageboy".

Elliot Page sitzt im Rahmen der phil.Cologne auf der Bühne.

Als Marie-Christine Knop, die angenehm empathische Moderatorin der Veranstaltung, auf Pages Hollywood-Durchbruch mit dem Coming-of-Age-Drama „Juno“ (2007) zu sprechen kommt, berichtet der Schauspieler noch einmal von seinen Schuldgefühlen: „Das hätte eigentlich eine Zeit des Feierns für mich sein sollen, war es aber nicht. Ich musste verstecken, wer ich wirklich bin, ich musste meine damalige Freundin Paula verstecken, ich musste Kleider tragen, in denen ich mich unwohl fühlte: Erfolg fühlt sich anders an.“

Wie schlecht darf man sich als Mensch fühlen, wenn man schon mit 20 Jahren für einen Academy-Award nominiert wird? Seine Privilegien als Star versteckt Page in seiner Autobiografie jedenfalls nicht. Doch es ist vielleicht gerade diese Sonderrolle, in der sich seine queeren Fans wiederfinden. Seine Sexualität und sein Geschlecht vor seiner unmittelbaren Umgebung verbergen zu müssen, in der Familie, in der Schule, im Dorf, ist schlimm genug.

„Tatort“-Schauspieler Mark Waschke liest Passagen aus „Pageboy“

Elliot Page steckt im falschen Körper fest, während Produzenten, Hochglanzmagazine, die Weltöffentlichkeit ungefragt Meinungen zu diesem Körper absondern, ihm High Heels und Röcke andienen, auf dass er mädchenhafter aussehe. Mark Waschke, Netflix, „Tatort“- und Theaterstar, liest (und er liest sehr gut) einen „Pageboy“-Passus von einem besonders rücksichtslosen Dreh. Pages Erinnerungen wirken wie die Film-Version so vieler queerer Biografien.

Die Identifikation ist umso größer, als der Schauspieler abseits der Leinwand jeden Glamour zu scheuen scheint, sich nur zu gerne von Marie-Christine Knop Fakten zur katastrophalen Halifax-Explosion 1917 oder zum Zahnwuchs bei Bibern entlocken lässt.

Und auch zum Schreibprozess selbst: Von Anfang an, sagt Page, habe er gewusst, dass er seine Geschichte nicht linear erzählen wollte. Das Buch springt assoziativ von Kindheitserinnerungen zu Beverly-Hills-Partys. Das sei aber mehr, als nur eine stilistische Macke: „Ich wollte damit die Trans-Erfahrung einfangen, wie man seiner eigenen Wahrheit näher kommt, nur um sich wieder von ihr zu entfernen. Wenn es um Geschlechtsidentitäten geht, wird immer nur das Vorher und Nachher betont, das wollte ich vermeiden.“

Am Ende wird es kurz pathetisch. Was ihm die Kraft gebe, als Fürsprecher der LGBTQ+-Community aufzutreten, will die Moderatorin wissen. „Wenn ich mich traurig oder frustriert fühle, denke ich an die Menschen, die mir vorangegangen sind und die so viel geopfert haben, um eine Gemeinschaft zu schaffen, in der ich mich sicher fühlen kann. Ich glaube, dass die Befreiung von queeren und trans Personen letztendlich siegen wird, dass die Liebe gewinnt.“

Spricht’s, unterschreibt noch eine mitgebrachte Fahne junger Fans, und verschwindet hinter den Kulissen. Eine zarte und zugleich sehr toughe Person, ein Hoffnungsträger.