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Zum Tod von Charlie WattsDer subtilste aller Rockdrummer

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Charlie Watts 1941-2021

London – Charles Robert Watts ist 80 Jahre alt geworden, er hatte ein erfülltes, kreatives Leben, wie es nur wenigen Musikern vergönnt ist. Er war der Alterspräsident der Rolling Stones, das unerschütterliche Poker Face hinter seiner bescheidenen Gretsch-Trommelbude – die größte aller Rockbands hatte das kleinste Drum-Kit – und ein treuer Ehemann.

Er war das mönchische Gegengewicht zu den exaltierten Poseuren, die da vor ihm über die Bühnen der Welt wuselten und nach ihren Auftritten willigen Frauen und illegalen Substanzen hinterherjagten.

Privat hörte er lieber Jazz

Nur in den 1980er Jahren, als seine Band unwiderruflich an künstlerischer Bedeutung verlor, soll Watts Alkoholkonsum überhand genommen haben. Er gründete dann eine eigene Big Band und spielte den Jazz, den er privat sowieso lieber hörte. Er war ein Mann, der nach seinem eigenen Rhythmus lebte und selten aus dem Takt geriet.

Warum also verschlägt einen dann die Nachricht, dass Charlie Watts, der doch schon 1963 alt aussah, am Dienstag in einem Londoner Krankenhaus gestorben ist, friedlich, im Beisein seiner Familie, die Sprache? Dachte man wirklich – den unglücklichen Brian Jones mal ausgenommen – die Rolling Stones seien unsterblich? Doch, das dachte man, wider alle Vernunft.

Das beste Lockdown-Lied

Schließlich hatte die Band, von allen Kritikern seit 40 Jahren abgeschrieben, noch im vergangenen Jahr mit „Living in a Ghost Town“ das beste Lied zum Lockdown veröffentlicht.

Als die Rolling Stones Anfang dieses Monats verlautbarten, dass ihr Schlagzeuger wegen eines nicht näher bestimmten medizinischen Eingriffs die kommende US-Tour aussetzen werde, war doch jedem klar, dass Watts zu gegebener Zeit nachreisen würde, im makellos stylischen Maßanzug und mit jenem leisen Lächeln, das er für besondere Momente reservierte.

Lässiger Swing

Eine Band ist immer nur so gut wie ihr Drummer und der unnachahmlich lässige Swing, den man an den Rolling Stones so schätzte, kam von Charlie Watts. Im Herzen war er stets ein Jazz-Schlagzeuger geblieben, das war seine erste Liebe, seit der Sohn eines Lastwagenfahrers mit zehn Jahren Jelly Roll Morton, Monk und Charlie Parker entdeckt hatte. Seine erste Trommel hatte er sich aus einem Banjo gebastelt, dem er den Steg abgebrochen hatte.

Rock’n’Roll spielte Watts nur, weil er glaubte, sich mit den Großen nicht messen zu können. Ein Irrtum, wenn auch ein ungewöhnlich fruchtbarer. „Als wir Charlie in die Band bekamen, da waren wir gemachte Leute“, sagte Keith Richards. Robert Christgau, der erste und immer noch aktive professionelle Rockkritiker der USA nannte ihn schlicht „rock’s greatest drummer“.

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Watts konnte mit den Stöcken gnadenlos nach vorne preschen und es wie einen salopp angeschickerten Shuffle wirken lassen. Er spielte selten Solos und nie lauter als nötig. Aber er war viel wandlungsfähiger als man gemeinhin vermutete, man höre nur seinen lauernden Groove am Anfang von „Gimme Shelter“ oder den dämonischen Samba von „Sympathy For the Devil“.

Charlie Watts war der subtilste aller Rockdrummer und der wahre Grund, warum man zu den Rolling Stones tanzen konnte.